Diskussion um Religionsfreiheit Muezzin-Ruf in Köln: Wir sollten bei aller Toleranz nicht vergessen, wem wir dieses Privileg einräumen

Die Ditib-Moschee in Köln vor dem Dom. Hier soll ab Freitag der Muezzin-Ruf ertönen
Die Ditib-Moschee in Ehrenfeld vor dem Kölner Dom. Hier soll ab Freitag der Muezzin-Ruf ertönen
© Rolf Vennenbernd / DPA
Ab Freitag soll über Köln-Ehrenfeld das erste Mal der Muezzin-Ruf der Zentralmoschee erschallen, um Muslime zum Gebet zu rufen. Bei aller Toleranz müssen wir differenziert auf die Situation blicken.

"Allah ist groß!
Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt, außer Allah!
Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist!"

Mit diesen Worten beginnt der Muezzin-Ruf des Islam, der Muslime zum Gebet ruft. Ab Freitag soll er auch vom Minarett der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld erklingen – in einem Modellversuch. Einmal die Woche, zwischen 12 und 15 Uhr für maximal fünf Minuten. 

Die Diskussion darüber, ob, wann, wie häufig und in welcher Lautstärke der Muezzin-Ruf ertönen darf, schwelt in Deutschland schon seit Jahren. Eine sachliche Debatte gestaltet sich schwierig, weil sie de facto die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit infrage stellt. Genau deshalb ist es wichtig, eine Differenzierung nicht durch vorgeschobene Toleranz im Keim zu ersticken. 

Alle sind für Religionsfreiheit – Also Religionsfreiheit für alle?

"Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet", so besagt es das Grundgesetz. Wenige würden in diesen Punkten grundsätzlich widersprechen. 

Grundsätzlich ist in diesem Fall aber genau der Knackpunkt. Denn die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld ist nicht irgendeine Moschee. Sie gehört zu der Ditib-Union, dem verlängerten Arm der Regierungspartei AKP von Recep Tayyip Erdogan

Als rechte Gruppen wie die Bürgerbewegung "Pro Köln" 2007 gegen den Bau der Moschee protestierten, schlugen sich im Toleranzeifer viele Kölner auf die Seite der Ditib, um ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Ohne zu wissen, wen genau sie da eigentlich unterstützen. Die Fronten waren klar gezogen: wer für den Bau der Moschee war, war links. Diejenigen, die dagegen waren, waren rechts. Schwarz-weißes Farbenmeer, knapp ein Jahr nach dem Sommermärchen der Fußball-WM.

Ditib: Der lange Arm des Recep Tayyip Erdogan

Doch dieses Schwarz-Weiß-Denken half und hilft in diesem Fall nicht weiter. Denn um reine Religionsausübung geht es bei Ditib-Moscheen nicht. Die Ditib politisiert und instrumentalisiert den Islam. Vorbeter und Imame werden als Beamte des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten in Ankara (DIYANET) nach Deutschland entsandt. Die säkulare Idee, nach der Staat und Religion getrennt sind, wird damit untergraben.

So wurde auch in Deutschland nachweislich etwa für den Sieg der türkischen Truppen gebetet, die Erdogan 2019 auf die Kurdinnen und Kurden im eigenen Land losließ. Mehrfach wurde öffentlicht, dass bei Gebeten in Ditib-Moscheen der Völkermord an den Armeniern geleugnet wurde. Wegen antisemitischer Posts auf Social Media-Plattformen musste 2021 ein Ditib-Leiter sein Amt aufgeben. Imame sollen zudem auf Ersuchen Erdogans Listen mit mutmaßlichen Anhängern des Oppositionellen Fethullah Gülen erstellt und an die türkische Regierung geliefert haben. 

Bei der Debatte darum, ob in Köln der Muezzin-Ruf ertönen darf, geht es also nicht um den Ruf an sich, sondern um das, was er signalisieren würde. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, ob wir es unterstützen wollen, einem vom türkischen Staat beeinflussten Verband eine solche Plattform zu geben.

Natürlich sollte jeder Mensch in Deutschland die Religion ausüben dürfen, die er für richtig hält. Doch das ist in erster Linie Privatsache. Problematisch wird es wie in diesem Fall, wenn Religion und Religionsfreiheit ausgenutzt werden, um Politik zu machen und diese auch in den öffentlichen Raum zu tragen. Spätestens an diesem Punkt kommen wir an die Grenze der Säkularität. Spätestens dann muss eine klare Grenze gezogen werden.

Wir müssen die Ditib als Sonderfall betrachten

Deshalb müssen wir die Ditib als Sonderfall betrachten. Bei unabhängigen muslimischen Gemeinschaften, bei denen es tatsächlich nur um das Ausleben des Glaubens geht, spricht wenig dagegen, einmal in der Woche den Muezzin-Ruf zu erlauben. Doch das ist bei Ditib-Moscheen nachweislich nicht der Fall.

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