Der wichtigste Tech-Gipfel Europas muss ohne den Bundeswirtschaftsminister stattfinden. Robert Habeck hat seine für Anfang kommende Woche geplante Reise nach Lissabon abgesagt. Dies teilte das Ministerium am Mittwochnachmittag den Pressevertretern mit, die den Minister auf seiner Reise begleiten wollten.
Die Absagte "wurde in der Gesamtschau, insbesondere auch vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse in Portugal, entschieden", hieß es in der Mitteilung. "Dabei hat auch die Diskussion um den Web Summit eine Rolle gespielt." Der Bundeswirtschaftsminister hatte laut Programm am Dienstagmittag zum Thema "Deutschlands Weg in eine progressive Zukunft" sprechen sollen.
"Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen"
Zuvor hatte der stern über einen offenen Brief von mehr als 300 israelischen Unternehmern berichtet, die Habeck aufgefordert hatten, auf eine Teilnehme am sogenannten "Web Summit" zu verzichten. Ausgelöst hatte die Kontroverse der Gründer und Geschäftsführer der Konferenz, Paddy Cosgrave. Dieser hatte nach den Hamas-Attacken am 7. Oktober mehrfach pro-palästinensische Postings auf dem Kurznachrichtendienst X abgesetzt. So veröffentlichte er noch am Tag der Anschläge eine Statistik, die für die palästinensische Seite im Konflikt mit Israel eine deutlich höhere Opferzahl ausweist. Am 13. Oktober schrieb er über die militärische Reaktion Israels auf die Terrorattacken: "Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen, auch wenn sie von Verbündeten begangen werden."
Mehrere Unternehmen wie Siemens und Intel sowie zahlreiche Persönlichkeiten sagten daraufhin ihre Teilnahme ab. Nach massiven Protesten an seinen Äußerungen relativierte Cosgrave seine Aussagen und trat schließlich als Geschäftsführer des "Web Summit" zurück.
Die israelischen Tech-Unternehmer forderten dennoch Habecks Verzicht auf den Besuch. "Wir wenden uns an Sie, weil uns Ihre historische Rede, in der Sie das Recht Israels auf Selbstverteidigung bekräftigt haben, tief bewegt hat", heißt es in dem offenen Brief, der dem stern vorliegt. Und weiter: "Angesichts der jüngsten Entwicklungen sendet Ihre Teilnahme am 'Web Summit' jedoch ein widersprüchliches Signal aus, insbesondere an unsere florierende israelische Business Community, die einen wichtigen Beitrag zur deutschen Wirtschaft und Industrie leistet."
Die Verfasser des Briefes schreiben weiter: "Ihre Entscheidung, zurückzutreten, wäre ein klares Signal gegen inakzeptable Kommentare, die das legitime Recht Israels auf Selbstverteidigung untergraben, und würde Ihr Ansehen in der globalen Industrie, die sich für ethische Geschäftspraktiken einsetzt, stärken."
Initiatorin des Briefes ist Mor Eini, Gründerin und Ko-Geschäftsführerin der "Israelischen Technologie- und Wirtschaftsgemeinschaft in Deutschland", einem Netzwerk von über 300 israelischen Unternehmern, die laut eigener Beschreibung "durch Investitionen, industrielle Produktion und Innovation aktiv zur deutschen Wirtschaft beitragen".
Für Habeck stand die geplante Reise auch aus einem anderen Grund unter keinem guten Stern: Er hatte anlässlich des Besuches in Portugal auch mehrere Mitglieder der dortigen Regierung treffen wollen. Doch dann kündigte Premier António Costa nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt an. Auf dem Programm stand zudem ein Treffen mit dem portugiesischen Umweltminister. Dessen Ministerium wurde am Dienstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft durchsucht.