"Anne Will" "Was war denn mit Ihnen los?": Anne Will fragt nach der Finanzierbarkeit der Ampel – will aber keine Antwort

Von Sylvie-Sophie Schindler
Am Thema vorbeigetalkt: Anne Will mit SPD-Chef Olaf Scholz und dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck
Am Thema vorbeigetalkt: Anne Will mit SPD-Chef Olaf Scholz und dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck
© NDR / Wolfgang Borrs
Wer finanziert eigentlich den "Aufbruch" der möglichen Ampel-Koalition? Gute Frage. Keine Antwort. Anne Will hatte das Thema zwar auf die Agenda gesetzt, verlief sich aber lieber in die Klimapolitik.

Hallo, Herr Lindner? Wo sind Sie? Warum sind Sie denn nicht mit dabei? Ihre Koalitions-Kumpels Olaf Scholz und Robert Habeck sitzen längst bei "Anne Will" im Studio, und was machen Sie derweil, Porschefahren unlimited?

Apropos. Was ist denn nun mit Tempolimit 130? Herr Habeck, das ist doch Ihre Angelegenheit, Sie könnten doch Lindners Porsche ausbremsen, warum machen Sie das nicht? Machen jetzt alle, was die FDP sagt?

Frau Will, das geht jetzt schon seit Tagen so, diese Fragerei, ich will jetzt mal "protokollarisch zu Protokoll geben", wer gewinnt, wer verliert, wissen Sie, das nervt mich, "und warum das Rasen auf der Autobahn, wohl ähnlich dem Waffenbesitz in den USA, so hochgehalten wird, leuchtet mir auch nicht ein."

Aber, Herr Habeck, das war doch ein Wahlversprechen, das war doch nicht dahergesagt, welchen Preis zahlen Sie bei den Koalitionsverhandlungen?

Frau Will, "wenn Sie fragen, ist das Tempolimit ein zu hoher Preis gegenüber allem anderen, dann sage ich, nein ist es nicht." 

Die Talkgäste (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Robert Habeck, Parteivorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
  • Rainer Hank, Wirtschaftsjournalist
  • Claudia Kemfert Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
  • Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin
  • Olaf Scholz, Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat

Auf die mögliche Koalition von SPD, Grünen und FDP warten große Herausforderungen: Für den angekündigten "Aufbruch" müssen viele Milliarden Euro investiert werden. Doch woher soll das Geld kommen? Wie hoch werden die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger? Daher fragte Anne Will am Sonntagabend: "Die Ampel im Aufbruch – ist Rot-Grün-Gelb finanzierbar?"

"Keine niedliche Veranstaltung"

Allein: Sie schien, und das nicht zum ersten Mal, das Thema ihrer eigenen Sendung vergessen zu haben. Warum nur? Was soll das? Die Menschen in Deutschland hätten gerne mal ein paar Antworten dazu. Aber Will, die auch sonst die Fragen eher abspulte und sich durch die Debatte eher treiben ließ, wollte nicht ein einziges Mal wissen: Wie wollen Sie das alles eigentlich bezahlen? Stattdessen stürzten sich Moderatorin und Gäste mal wieder auf das Thema Klima.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Will zu Habeck: "Halten Sie Scholz für einen Klimakanzler?" Sie verwies den Grünen-Chef darauf, dass er sich dereinst abfällig über die Wahlplakate – "Hohnplakate" – geäußert habe, auf denen sich Scholz als Klimakanzler inszeniert hatte. Habeck hat nun andere Töne drauf. "Wir werden gemeinsam eine gute Klimaregierung sein", sagte er. Und: "Wenn Olaf Scholz zum Kanzler gewählt wird, wird er Klimakanzler sein, weil wir in der Regierung sind."

Scholz gelassen: "Ich glaube, wir können den Klimawandel schon aufhalten, mit dem was wir uns vorgenommen haben." Er machte deutlich, dass Deutschland eine Vorbildfunktion habe. Es handle sich um den größten Umbau seit der industriellen Revolution. Aussteigen aus der Kohleverstromung und aus der Nutzung der Atomenergie sei "keine niedliche Veranstaltung". Immerhin sei die CDU ja weg, die sich in Sachen erneuerbarer Energien immer quergestellt habe.

"Das können Sie aber nicht nur der Union in die Schuhe schieben, Sie waren auch in der Großen Koalition", stellte sich Ursula Münch dagegen. Und fragte, ob bei dem Kohleausstieg denn auch alle Ministerpräsidenten mitmachen würden. Scholz machte den Eindruck, als sei das gar keine Frage.

Claudia Kemfert zeigte sich von den Sondierungspapieren enttäuscht: "Es wäre mehr drinnen gewesen." So wie es aussehe, werde man die Klimaziele von 2030 nicht erreichen können: Man muss nachsteuern." Sie wies darauf hin, dass man in jedem Bundesland zwei Prozent der Fläche mit Windkraftanlagen ausbauen müsse: "Das bedeutet mindestens eine Verdreifachung des jetzigen Ausbautempos." Mit Blick auf das widerständige Bayern bekräftigte sie, kein Bundesland dürfe ausgenommen werden. Münch brachte die Frage nach der grundsätzlichen Akzeptanz ein: "Das wird Bürgerproteste geben."

Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Christian Lindner stehen vor Mikrofonen.
Koalitionsverhandlungen beginnen: Das passiert in den nächsten Wochen
© Jens Schlueter/Getty Images
Koalitionsverhandlungen beginnen: Das passiert in den nächsten Wochen

Scholz gab sich unbeirrt. So auch bei der Argumentation Rainer Hanks, dass "Deutschland so tut, als könnte es den Klimawandel stoppen, dabei wissen auch Sie, Herr Scholz, dass das ein internationales Koordinierungsproblem ist". Es brauche daher einen internationalen "Klima-Club" mit wechselseitigen verpflichtenden Verträgen. Scholz stimmte zu: "Wir werden den Klimawandel nur global aufhalten können." Deutschland spiele aber auch deshalb eine wichtige Rolle, denn "es gibt hier die nötige Wirtschaftskraft und wissenschaftliche Leistungsfähigkeit, um Technologien zu entwickeln, die weltweit genutzt werden können."

Anne Will hakt nicht hach

Und wer wird nun Finanzminister? Habeck: "Darüber wird nicht gesprochen, wir reden über Inhalte." Und setzte hinzu: "Ich würde nie die Unwahrheit erzählen." Hank ließ das nicht gelten: "Wir glauben nicht, dass Sie sich darüber keine Gedanken machen." Habeck aber bestand darauf, dass die Ressortverteilung kein Thema sei und verstieg sich schließlich ins Poetische: "Das ist der Zauber, dass es niemand weiß." Also: Niemand wisse, wer das Verteidigungsministerium besetze und wer das Agrarressort." Will: "Wir reden aber vom Finanzministerium."

Habeck ließ sich lieber darüber aus, dass im steuer- und finanzpolitischen Bereich "die Vorstellungen hart aneinandertreffen". Es gebe, und das müsse man ehrlicherweise sagen, keine großen Bewegungen, also würde es mit der FDP keine Reformen bei der Vermögens- und Erbschaftssteuer geben, während die FDP sich bei der Senkung der Unternehmenssteuern nicht habe durchsetzen können. 

Scholz hingegen trumpfte damit auf, dass er bislang viel von dem, was er im Wahlkampf versprochen habe, durchgesetzt hätte, als da wären: stabiles Rentenniveau, Kindergrundsicherung, Aufstockung der Wohnungsbauförderung – und den Mindestlohn von 12 Euro. Er sprach auch vom sogenannten "Bürgergeld", das Hartz IV ablösen solle. Die Sanktionen bleiben? "Wir fordern ein Mitwirkungsrecht", so Scholz. Nach weiteren Details fragte Will nicht.

Hallo, Frau Will, was war denn überhaupt mit Ihnen los? Gibt's denn nächste Woche das versprochene Thema? Ach, da ist ja Caren Miosga, was ist denn heute bei den Tagesthemen dran? Anne, wir haben heute zwei Bosse zu Gast: Barack Obama trifft Bruce Springsteen. Anne fand das "super". Na, dann.