Hier läuft’s. Keine lähmende Bürokratie, keine bräsigen Behörden. Nur ein fleißiger Bauarbeiter, der rasch einen Sportflughafen errichtet. Zuerst baggert er die Landebahn aus, dann sprintet er zu einem Kran herüber, um noch ein paar Container zu versetzen. Robert Habeck sieht beeindruckt aus. So müsse das sein in Deutschland, sagt er. "Das ist die Deutschlandgeschwindigkeit, von der alle reden." Schöne, unkomplizierte und leider nur virtuelle Welt.
Donnerstagmorgen, der Wirtschaftsminister begutachtet auf einem gigantischen Bildschirm den "Bau-Simulator", den ein Entwicklerstudio auf der Gamescom präsentiert. Der Titel des Computerspiels hält das, was er verspricht: Im "Bau-Simulator" ist es spielerisch einfach, Baustellen aufzumachen und wieder zu schließen. Wenn sich das Gesehene auf den Politikbetrieb übertragen ließe, dann würde Habeck wohl alles Fördergeld der Welt zusammenkratzen.
Der Vizekanzler hat derzeit mit mehreren Großbaustellen zu kämpfen. Die Wirtschaft stagniert. Die Klimaziele werden wahrscheinlich gerissen. Die Grünen verweigern ihrem Frontmann in der Regierung die Gefolgschaft, wie der Eklat um das Wachstumschancengesetz gezeigt hat. Ist die Gamescom ein Ort, an dem er endlich mal wieder glänzen kann?
Engagiert, aber leicht unbeholfen greift Habeck zum Controller, um ein neues Abenteuerspiel anzuzocken. Oder setzt sich in eine Apparatur, die dem Cockpit eines Raumschiffs nachempfunden sein soll. Auch eine Virtual-Reality-Brille wird sich der Wirtschaftsminister auf seinem Rundgang noch überstülpen, um einen Umweltsimulator auszuprobieren. Das wirkt bisweilen kurios. Doch dass Robert Habeck auf der Gamescom unterwegs ist, der weltgrößten Videospielmesse in Köln, zwischen kostümierten Spielefans und bildschirmvertäfelten Entwicklerbuden, ist geradezu seine Pflicht.
Seit er das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium übernommen hat, ist Habeck auch Games-Minister. Mit dem Regierungswechsel ist der Bereich vom Verkehrsministerium in sein Ressort gewechselt. Seit März 2022 gibt es im Ministerium ein eigenes Games-Referat mit fünf Mitarbeitern. Kommendes Jahr sollen rund 50 Millionen Euro aus Habecks Haus in die Boom-Branche fließen – und genau das ist das Problem.
Dieses Problem steht stellvertretend für einen Konflikt, der einem Wirtschaftsminister nicht gefallen kann: Da gibt es einen Wirtschaftszweig, der so schön sprießen könnte, aber sich nach Wasser sehnt. Es braucht Geld, Investitionen, Fördergelder. Aber auch Habeck muss auf die Schuldenbremse treten, sparen, wo es wehtut. Nur 50 Millionen für eine "entscheidende Wachstumsbranche", wie Habeck sie nennt? Das empfindet der Branchenverband Game als "abermalige Vollbremsung" bei Aufstieg und Aufholjagd. Dort fürchtet man im globalen Wettbewerb noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Und Habeck? Empfindet die Sparsamkeit wohl zunehmend als Zumutung.
Robert Habeck und das leidige Geld-Thema
Mittwochabend, der Games-Minister hält vor dem offiziellen Startschuss der Spielemesse eine Rede vor Branchenvertretern und Fachpresse. Es ist eine typische Habeck-Rede, voller Philosophie und Weisheit. "Wie sich Spiele entwickeln, erzählt, wie wir uns entwickeln", sagt er da. Oder, wenn er sich diesen "vermessenen" Vergleich mit Blick auf das vergangene Jahr erlauben dürfe: "Wer miteinander spielt, der schießt und kämpft vielleicht nicht miteinander." Rhetorisches Hochreck, das kann er.
Aufs Geld kommt er auch zu sprechen. Gern hätte er mehr davon mitgebracht, beteuert Habeck. Aber Deutschland habe "sehr strenge fiskalische Regeln", viel strenger als in vielen anderen Ländern. Er wolle jetzt nicht abschweifen, sagt er, und tut es dann doch: Investitionen in die Zukunft bedeuteten auch, nicht nur Geld auszugeben, das man habe. So würde kein Unternehmen handeln, meint der Minister, und auch niemand, der sich eine Wohnung kaufen wolle.
Fordert Habeck den Kollegen Finanzminister zum nächsten Duell?
Der Games-Minister wird den erhofften Extra-Fördergeldern von der Branche an diesem Abend eine Absage erteilen. Das blaue vom Himmel versprechen, das gehe nur in Spielen, sagt er noch. Doch Habeck deutet an, dass er am Sinn der Sparsamkeit so seine Zweifel hat.
Kurzer Rückblick: Anfang August hatte sich Habeck mit einem großen "Zeit"-Interview aus der Sommerpause zurückgemeldet. Darin bekannte er sich klar zur Schuldenbremse, an deren eiserne Einhaltung vor allem die FDP festhält. Rund eine Woche später ergriff Katharina Beck im "Spiegel" das Wort. Beck ist finanzpolitische Sprecherin der Grünen, man kann also davon ausgehen, dass sie für die gesamte Bundestagsfraktion spricht. In dem Gespräch stellte sie das enge Korsett der Schuldenbremse offen infrage – und damit auch die Aussagen des grünen Wirtschaftsministers.
Hat Habeck seiner Partei, die lieber investieren als sparen will, nun die Hand gereicht? Mit Blick auf die bevorstehenden Haushaltswochen könnte diese Frage noch an Gewicht gewinnen.
Zurück auf die Gänge der Gamescom, die "Ninja Parkour" oder "Indie Area" heißen. Habecks Messerundgang führt ihn an allerhand Spielebuden vorbei. Viel zu verstehen ist in den riesigen Hallen der Kölnmesse nicht. Aus allen Ecken dröhnt Musik und Controller-Geklapper. Hier also eine kurze Zusammenfassung, was zu sehen ist: Habeck beim X-Box-Spielen, Habeck vor einem Sportwagen, Habeck in einem begehbaren Virtual-Reality-Umweltsimulator. Immer dabei: das verschmitze Habeck-Lächeln. Er hat sichtlich Spaß.
Für die Aufzeichnung einer Online-Streaming-Show wird ihm (endlich) ein Mikrofon gereicht. Nach ein paar Wohlfühlfragen kommt der Moderator wieder auf das leidige Geld-Thema zu sprechen. Wie es denn um die Fördergelder stehe? Das Geld liege leider nicht auf der Straße, antwortet Habeck. "Der Finanzminister zwingt alle, jetzt überall Geld zu sparen." Klare Aussage, mit freundlichen Grüßen an Finanzminister Christian Lindner (FDP). Habeck beschwört kreative Lösungen, man dürfe nun nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren, sagt er. Aber die Antwort bleibt ernüchternd, auch für den Games-Minister.
Zum Abschluss seines Rundgangs überreicht Habeck noch eine Reihe an Förderbescheiden an Firmen, die ihre Anträge früh genug eingereicht haben. Die Nachfrage ist so groß, dass der diesjährige Fördertopf schon im Mai ausgeschöpft war. Habeck wertet das eher pflichtschuldig als Erfolg. Dennoch: Sein Ministerium musste einen Antragsstopp verhängen. Da die rund 50 Millionen Euro für 2024 nur zur Deckung von Ansprüchen bereits bewilligter Förderungen ausreichen, sind wohl bis Anfang 2025 keine neuen Anträge möglich.
Ein paar Kids, vielleicht 14 oder 15 Jahre jung, bleiben stehen. "Das ist der Kanzler, oder sowas", sagt einer. "Ja, Olaf Scholz, man!", sagt ein anderer. In der Games-Welt muss Robert Habeck noch ankommen.