Annalena Baerbock hat jüngst ein intensives Treffen mit Benjamin Netanjahu hinter sich gebracht. So viel kann man sagen, auch wenn nicht alle Details der Begegnung zwischen der deutschen Außenministerin und dem israelischen Premierminister bekannt sind. Eine israelische Journalistin berichtete von Streit über die humanitäre Lage im Gazastreifen. Der deutsche Botschafter bezeichnete Teile des Berichts als falsch und irreführend. Jedoch würde es einen bei Baerbock nicht überraschen, wenn es sehr emotional zuging.
Und bei Netanjahu auch nicht.
Der Premierminister gilt im Umgang als sehr direkt. Es liege "immer Spannung in der Luft", erzählte mir einmal einer, der viele Treffen von Angela Merkel und Netanjahu erlebt hat. Der Premier könne freundlich sein, wenn er wolle, aber auch schnell ruppig, wenn er meine, Grund zur Klage zu haben. So soll es ja auch mit Baerbock gewesen sein, als Netanjahu bestritt, Israel hungere die Bevölkerung in Gaza aus.
Netanjahus Verhältnis zu Deutschland ist ambivalent
Seit 35 Jahren hat Benjamin Netanjahu als Politiker mit Deutschland zu tun. Damals, 1989, war er stellvertretender Außenminister und verhandelte mit der DDR-Regierung von Hans Modrow über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Unmittelbar nach dem Fall der Mauer, als die Zukunft der zwei Deutschlands zur Diskussion stand, hätte Netanjahu anscheinend lieber eine Zwei-Staaten-Lösung für Deutschland gesehen. Aus der Knesset wurde berichtet, der Vizeaußenminister habe gewarnt, "Israel und das jüdische Volk könnten nicht die ernste Gefahr ignorieren, die mit einer Wiedervereinigung verbunden wäre, wenn sich Deutschland sodann anschicken würde, zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts die Welt zu zerstören".
Es kam anders, aber Netanjahus Verhältnis zu Deutschland blieb ambivalent. Er schätzt die deutsche Unterstützung für Israel, fordert sie aber auch vehement ein, wenn sie ihm nicht weit genug geht. Umgekehrt mochte er es noch nie, wenn sich seine Gesprächspartner in die israelische Politik einmischten. Bundespräsident Roman Herzog soll er 1998 auf die Frage nach den Lebensverhältnissen der Palästinenser im Westjordanland angeherrscht haben: "Sie sind Präsident, kein Politiker. Davon verstehen Sie nichts. Halten Sie sich da raus!"
Merkel zu Netanjahu: "Du machst ja sowieso, was du willst"
Die Chronik von Netanjahus emotionalem Umgang mit deutschen Politikern verzeichnet kleinere Sticheleien und größere Eklats. Einen Termin mit Joschka Fischer ließ Netanjahu 1999 kurzerhand um einige Stunden verschieben, was dem deutschen Außenminister ein Treffen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat erschwerte. Als er 2009 nach zehn Jahren wieder Ministerpräsident geworden war, bekam es Netanjahu mit Merkel zu tun. Bald gab es Kontroversen: 2011 stimmte Deutschland als Mitglied im UN-Sicherheitsrat einer Verurteilung der israelischen Siedlungspolitik zu. 2012 enthielt sich Berlin, als es um eine Aufwertung des Status der Palästinenser ging. Beide Male rief Netanjahu hinterher bei Merkel an und beschwerte sich. 2017 weigerte er sich, Außenminister Sigmar Gabriel zu empfangen, weil dieser auch eine regierungskritische Menschenrechtsorganisation treffen wollte.
In ihren letzten Amtsjahren resignierte die Kanzlerin ob Netanjahus Hartleibigkeit in der Siedlungspolitik. Ihre Sätze, so ein Zeuge, fingen nun gelegentlich so an: "Du machst ja sowieso, was du willst, aber ich sage dir noch einmal …"
Als Baerbock jetzt mit Netanjahu über den Gazastreifen diskutierte, klang sie wohl ganz ähnlich.