Geleaktes EU-Dokument Beschlagnahmte Oligarchen-Vermögen sollen offenbar Wiederaufbau der Ukraine finanzieren

In der Stadt Odessa in der Ukraine geht ein Feuerwehrmann an einem zerstörten Haus vorbei
Auch in der Hafenstadt Odessa ist die Zerstörung schon jetzt groß. Die EU geht davon aus, dass die Ukraine beträchtliche finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau brauchen wird.
© Max Pshybyshevsky / AP / DPA
Noch tobt der Krieg in der Ukraine, doch in der EU wird offenbar schon darüber nachgedacht, wie der Wiederaufbau des Landes finanziert werden kann. Unter anderem könnten beschlagnahmte Vermögenswerte russischer Oligarchen genutzt werden.

Russland führt seinen Angriffskrieg auf die Ukraine fort. Noch immer fallen täglich Bomben auf Städte, die praktisch schon komplett dem Erdboden gleichgemacht sind. In Brüssel berät man aber offenbar schon, wie der Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden soll, das berichtet der britische "Guardian". Ein Teil der Reparationen könnten demnach durch beschlagnahmte Vermögenswerte von russischen Oligarchen bezahlt werden.

Ukraine: Beschlagnahmte Oligarchen-Vermögen könnten Wiederaufbau finanzieren

Dem Bericht zu Folge plant die EU-Kommission eine weitreichende finanzielle Unterstützung für die Ukraine. Laut Schätzungen wird allein der Wiederaufbau der Infrastruktur etwa 100 Milliarden Euro verschlingen. Um die gewaltigen Summen zu bezahlen, soll ein Drei-Punkte-Plan greifen. Zunächst soll die Ukraine Kredite aufnehmen. Unterstützt würden diese von Zuschüssen einzelner EU-Mitgliedsstaaten, die auch langfristig nicht zurückbezahlt werden müssen. Diese Zuschüssen sollen in den Wiederaufbau zerstörter Häuser, Schulen, Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen und Brücken fließen. 

Als dritten Punkt schlägt die EU vor, die Möglichkeit zu prüfen, Vermögenswerte von sanktionierten Russen und Belarussen zu verwenden. Der Vorsitzende des Europäischen Rates, Charles Michel, hatte bereits Anfang des Monats der ukrainischen Nachrichtenagentur Interfax erklärt: "Ich bin der festen Überzeugung, dass es äußerst wichtig ist, Vermögenswerte nicht nur einzufrieren, sondern auch zu konfiszieren, um sie für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung zu stellen."

Gesetzgeber in den USA und dem Vereinigten Königreich gehen sogar noch einen Schritt weiter und schlagen vor, russisches Eigentum zu beschlagnahmen und damit den Wiederaufbau und die Versorgung von Geflüchteten Menschen im Land zu sichern.

Brüsseler Beamte: EU soll als Gemeinschaft Kredite auf internationalen Finanzmärkten aufnehmen

Ein weiterer bemerkenswerter Vorschlag kommt laut des geleakten Plans von nicht näher genannten Beamten aus Brüssel: Sie fordern offenbar, dass die EU als Block für Kiew Kredite an den internationalen Finanzmärkten aufnehmen soll. Ein solcher Vorgang wäre erst der zweite Fall in der Geschichte, bei dem die EU als Kollektiv Kredite finanziert. Zum ersten Mal geschah dies, als 2020 das Covid-Konjunkturprogramm in Höhe von 750 Milliarden Euro verabschiedet wurde. 

Der "Guardian" konnte eigenen Angaben zu Folge das Papier bereits einsehen und mutmaßt, dass die EU-Kommission ihre Pläne am Mittwoch offiziell verkünden will, wenn weitere Diskussionen abgeschlossen sind. Bisher seien keine genauen Zahlen in dem Dokument genannt, die EU gehe aber davon aus, dass der Finanzbedarf für den Wiederaufbau "voraussichtlich beträchtlich" sein werde und vermutlich mehr als ein Jahrzehnt andauern wird. 

Die Ukraine werde "kurzfristig erhebliche finanzielle Unterstützung" benötigen, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten, humanitäre Hilfe zu leisten und wichtige Infrastrukturen zu reparieren, heißt es in dem Dokument. Um diesen dringenden Bedarf zu decken, schlage die Kommission Darlehen zu niedrigen Zinssätzen mit langfristigen Rückzahlungsfristen vor.

Wiederaufbau soll von Brüssel und Kiew koordiniert werden

Auch die USA könnte sich an den Reparationen beteiligen. Präsident Joe Biden schlug bereits im vergangenen Monat ein Hilfsprogramm für die Ukraine vor, das insgesamt 33 Milliarden US-Dollar umfassen sollte. 20 Milliarden Dollar davon sollten allein in Rüstungsausgaben fließen.

Die EU hat seit Beginn der russischen Invasion 4,1 Milliarden Euro an Sofortkrediten und humanitärer Hilfe bereitgestellt und sich bereit erklärt, Waffen und andere nicht tödliche militärische Hilfe im Wert von 1,5 Milliarden Euro zu finanzieren. Darin sind die Gelder, die die einzelnen EU-Mitgliedstaaten bereitgestellt haben, nicht enthalten.

Der Wiederaufbauplan der EU soll dem Dokument zufolge von Brüssel und Kiew gemeinsam geleitet werden. Obwohl die Hoffnungen der Ukraine auf einen EU-Beitritt nicht ausdrücklich erwähnt werden, soll der Plan dazu dienen, den Beitrittskandidaten mit den EU-Standards in Einklang zu bringen, auch in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung, Energie und Klima.

Quelle: "The Guardian"

nk