Revolutionen finden in Deutschland bekanntlich nur nach vorherigem Lösen einer Bahnsteigkarte statt. Und wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Der Rest ist knochentrockene "Realpolitik", gerne auch orientiert an den Denkmustern längst vergangener Zeiten. Wie sagte es der Grüne Jürgen Trittin am Freitag in der Bundestagsdebatte zur Nuklearen Abrüstung so richtig? "Angela Merkel hat den Wechsel von George W. Bush zu Obama noch nicht so richtig verarbeitet". Nein, hat sie nicht - und ihr Vizekanzler und SPD-Gegenspieler Frank-Walter Steinmeier hat das offenkundig auch nicht.
Steinmeier brüstet sich gerne, Obamas Visionen taktgebend vorformuliert zu haben. So links ist er dann doch, dass er Frieden schaffen will - mit immer weniger atomaren Waffen. Nur: So viel großkoalitionärer Mitläufer ist er dann eben auch, dass er es schafft, mit seiner SPD gegen den sofortigen Abzug US-amerikanischer Atomwaffen von deutschem Boden zu stimmen. Über die so genannte "nuklearen Teilhabe" hat sich die Bundesregierung die Mitsprache bei der Planung und bei einem tatsächlichen Einsatz von Nuklearwaffen im Rahmen der Nato gesichert. Das ist keine Kleinigkeit, auf die man soeben mal verzichtet. Aber wann soll man mit symbolischem Handeln anfangen - wenn nicht jetzt?
Die SPD verpasst damit auch, ein wenig mehr frischen Wind in ein Thema hineinzupusten, das seit geraumer Zeit im Schatten der Wirtschaftskrise vor sich hinstaubt. Die Hege und Pflege einer friedlichen Welt war bislang eigentlich immer originäres Thema der Sozialdemokratie. Nun erweckt sie den Eindruck, man habe derzeit leider, leider Wichtigeres zu tun. Richtig links geht anders. Das muss sich die SPD nun nicht nur von Linken und Grünen, sondern auch von der in dieser Frage sehr engagierten FDP sagen lassen.
Worthülsen für den Frieden wurden dann aber auch noch abgeworfen, an diesem Freitag. Mit der Mehrheit von Union und SPD unterstützt der Bundestag die Abrüstungsbemühungen von US-Präsident Barack Obama. Das ist auch gut so. Noch besser wäre, man wüsste alsbald auch wie.