Koalitionsbruch in Schleswig-Holstein Wahlkampf mit dem Rücken zur Wand

  • von Sebastian Christ
Der aktuelle Anlass für den Bruch der Großen Koalition in Schleswig-Holstein ist eher nichtig, auch wenn das schwarz-rote Bündnis schon lange nicht mehr funktioniert hat. Die Ereignisse in Kiel sind vielmehr Teil der Gesamtdemontage der SPD. Auch auf Bundesebene wird die Große Koalition zu einem Auslaufmodell.

Das Ende der Großen Koalition in Schleswig-Holstein ist auf den ersten Blick eine landespolitische Entscheidung. Zu lange war das Verhältnis von CDU und SPD im Norden schon zerrüttet. SPD-Chef Ralf Stegner und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen pflegten lange keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr, und manch einem Christdemokraten mag jetzt eine Steinlawine vom Herzen fallen: Endlich muss man nicht mehr so tun, als ob es mit dem notorisch progressiven Stegner noch eine gemeinsame Linie gegeben hätte. Zu oft waren er und führende Unions-Mitglieder aneinander geraten. Doch die nun gelieferte Begründung für die einseitige Schlussstricherklärung wirkt freilich ein wenig aufgesetzt: Die SPD habe den Koalitionsfrieden durch widersprüchliche Äußerungen zu einer Abfindungszahlung für den HSH-Nordbank-Chef Jens Nonnemacher zerstört. Und es gebe Uneinigkeit über den Personalabbau in der Verwaltung.

Nun ja. Wenn man ein zweites Mal darüber nachdenkt, muss man Zweifel am Zeitpunkt dieser Entscheidung bekommen. Warum gräbt die CDU in Schleswig-Holstein gerade jetzt das Kriegsbeil aus? Zu viele Krisen hatte die Koalition bisher schon überstanden. Zuletzt brachte Carstensen Ende April Neuwahlen ins Spiel, scheiterte aber am Widerstand der SPD. Es hätte sicherlich zuvor schon ein halbes Dutzend weitere Gelegenheiten gegeben, das Bündnis platzen zu lassen. Warum jetzt?

Insgeheime Freude bei Merkel?

Vielleicht liegt es daran, dass die Umfragen derzeit günstig stehen. Auf Landes- und auf Bundesebene. Carstensen könnte nach derzeitigem Stand wohl damit rechnen, dass er nach der Neuwahl des schleswig-holsteinischen Landtages alle Trümpfe in der Hand hätte. Und Kanzlerin Angela Merkel? Die müsste ihrem Parteifreund Carstensen eigentlich sehr dankbar sein für das laute Platzen der Koalition - obwohl sie jetzt angeblich beteuert, von nichts gewusst zu haben. In der jetzigen Situation müsste Merkel alles gelegen kommen, was die SPD schwächt. Wie sehr Stegners Landesverband der Machtverlust schmerzt, sieht man daran, dass die SPD in Deutschlands nördlichstem Bundesland sich bisher in Sachen Neuwahlen quer stellt. Sie wird das so lange tun, wie sie kann. Denn ernsthaft kann keinem Sozialdemokraten daran gelegen sein, dass das nunmehr zerhackstückte schwarz-rote Bündnis noch länger die Zukunft des Landes belastet.

Man muss die Ereignisse in Kiel auch als Teil der Gesamtdemontage der Sozialdemokraten in diesen Monaten sehen. Kaum mehr als zwei Monate vor der Bundestagswahl droht der SPD eine der letzten noch verbliebenen Regierungsbeteiligungen abhanden zu kommen. Wieder einmal müssten die Genossen einen Wahlkampf mit dem Rücken zur Wand führen. Das macht auf Dauer selbst dem härtesten Fan von SPD-Chef Franz Müntefering keinen Spaß.

Direkte Auswirkungen auf die Berliner Politik sind jedoch eher nicht zu erwarten. Die Große Koalition auf Bundesebene ist ohnehin ein Auslaufmodell. In der Union gilt eine Neuauflage von Schwarz-Rot als absolute Notlösung. Ebenso in der SPD, die jedoch nach der Bundestagswahl am 27. September kaum eine andere Möglichkeit haben wird, um an der Macht zu bleiben. Dass Peter Harry Carstensen allerdings am selben Tag den Landtag neu wählen lassen will, entlarvt die Aufkündigung des Kieler Bündnisses. Es handelt sich dabei vor allem um den Prolog für die heiße Phase des Wahlkampfes.