Was vor wenigen Monaten an Flughäfen unverstellbar war, ist seit Wochen durch die Coronakrise zur Realität geworden: Vor den Sicherheitskontrollen bilden sich keine Warteschlangen mehr, in den Terminals gibt es genügend Sitzplätze und manche Piste, wo sonst Flugzeuge im Minutentakt starten und landen, dient jetzt als Standplatz für nicht mehr benötigte Jets.
Ähnlich das Bild an dem erst vor einem Jahr in Betrieb genommenen neuen Flughafen Istanbul. Der als Drehkreuz für die Weltluftfahrt geplante Mega-Airport Istanbul soll einmal 200 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen und die Nummer eins werden. Doch im Moment herrscht auch dort gähnende Leere wie in Dubai, Singapur oder am JFK Aiport.
Auf dem riesigen Flughafenareal in Istanbul hat Turkish Airlines einer Teil der Flotte abgestellt. Fast mehr Verkehr verzeichnet laut flightradar24.com der ehemalige und stadtnahe Atatürk Airport, den der türkische Staats-Carrier als Lande- und Abstellplatz für weitere Jets nutzt.
16.000 Passagierjets stehen im Moment weltweit am Boden. Die Internationalen Luftverkehrs-Vereinigung IATA rechnet nicht mit einem raschen Aufschwung nach der Krise. Aufgrund der Reisebeschränkungen durch die Pandemie dürften die Passagiererlöse weniger als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr betragen. "Die Aussichten für die Branche werden immer dunkler", sagte Verbandschef Alexandre de Juniac. "Es gibt keine Worte, die die verheerenden Folgen von Covid-19 auf die Luftfahrtbranche angemessen beschreiben."
Leipzig toppt Frankfurt in der Krise
Wie sich der Einbruch der Passagierzahlen auswirkt, zeigt sich an Deutschlands größtem Airport: Am Flughafen Frankfurt gingen in der Woche vom 13. bis 19. April die Flugbewegungen auf 1404 Starts und Landungen zurück. Insgesamt wurden 37.015 Fluggäste gezählt - 97,3 Prozent weniger als in der gleichen Kalenderwoche ein Jahr zuvor. Darunter waren sogar noch viele Rückholflüge mit im Ausland festsitzenden Deutschen.

Ganz anders ist die Situation bei Frachtflügen. "Bei uns brummt es, besonders beim Fracht-Charterverkehr", sagt Uwe Schuhart vom Flughafen Leipzig im Gespräch mit dem stern. Seit 2008 unterhält das Logistikunternehmen DHL in Sachsen ihr Luftverkehrs-Drehkreuz. Nachts werden die Pakete der bis zu 70 startenden und landenden Flugzeuge im Sortierzentrum für das weltweite Streckennetz umgeladen. Hinzukommen 50 weitere Luftfracht-Airlines, die Leipzig-Halle anfliegen.
Durch die Coronakrise hat die Bedeutung der Luftfracht enorm zugenommen. Anders als Frankfurt, wo die Bäuche der Linienmaschinen mit viel Luftfracht beladen werden, hat sich Leipzig auf Cargo spezialisiert, zumal hier kein Nachtflugverbot gilt.
So kommt es, dass der mitteldeutsche Flughafen inzwischen Frankfurt getoppt hat. Wie Eurocontrol in einem Tweet mitteilte, verzeichnete Leipzig am 14. April sechs Flugbewegungen mehr als Frankfurt – insgesamt 185 Starts und Landungen. Damit avancierte Leipzig in der Krise sogar zum "busiest airport in Europe" - weit vor den Airports in London, Paris und Amsterdam.
Das größte Flugzeug der Welt landet in Leipzig
Am Flughafen Leipzig hat Antonov Airlines auch zwei Großraumtransporter stationiert. Die Maschinen vom Typ Antonow An-124 transportieren regelmäßig Ausrüstung im Rahmen der Strategic Airlift Interim Solution (Salis), einem gemeinsamen Programm zehn europäischer Nato- und weiterer EU-Staaten mit der ukrainischen Luftfrachtfirma.

Zu Flotte der Cargo-Airline gehört auch das einzige Exemplar der Antonow An-225, dem größten Flugzeug der Welt. Nach einer Generalüberholung des inzwischen 30 Jahre alten Flugzeuges mit sechs Triebwerken konnte es in den vergangenen zehn Tagen dringend benötigte Mund-Nase-Masken, Schutzanzüge und weitere in China gefertigte medizinische Ausrüstung von Tianjin nach Polen und Frankreich fliegen. In Leipzig wird der fliegende Riese mit Masken-Nachschub aus China am Montag, den 27. April erwartet.
BER und das Coronavirus
Und noch ein Flughafen könnte in Deutschland von der gegenwärtigen Krise profitieren. Seit 2011 verschiebt sich die Inbetriebnahme des neuen Hauptstadtflughafens BER immer wieder. Sechs Termine waren geplatzt. Zuletzt war als Termin Ende Oktober 2020 genannt.

Derzeit sollten die Tests mit 20.000 freiwilligen Helfern beginnen, vom Check-in bis zu Brandschutz- und Räumungsübungen. Doch wegen der Coronakrise ist der Probelauf auf die Sommermonate verschoben worden. Für die Inbetriebnahme sei das "kein Problem", sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. Alle erforderlichen Dokumente seien der Bauaufsichtsbehörde übergeben worden. Auch habe der TÜV zu den Sicherheitsanlagen am Terminal endlich seinen Segen gegeben.
Die Inbetriebnahme sei noch nie so sicher gewesen wie heute, sagte Lütke Daldrup im Sonderausschuss BER des Brandenburger Landtags. "Bei der Inbetriebnahme im Oktober 2020 sehen wir keine Risiken."
Zwar fehlen die osteuropäischen Arbeitskräfte beim Bau des zusätzlichen Terminal 2, der zum Herbst nicht fertig werden dürfte, aber der Umzug bei laufendem Betrieb von Tegel zum BER wird sich unproblematischer gestalten. Bis dahin wird sich die Luftfahrt wenig erholt haben und weiterhin auf niedrigem Niveau sein.

Diese Tage fertigen die Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld pro Tag nicht mehr als 1000 Passagiere ab. "Wir müssen damit rechnen, dass die Fluggastzahlen über mehrere Monate sehr gering bleiben werden", so Lütke Daldrup.
Und falls die Eröffnung vom BER zum Start des Winterflugplans 2020/21 erneut verschoben werden muss, gibt es schon ein Argument: Schuld war dann nicht die stümperhafte Planung, sondern das Virus.
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