Studie zur Vertical Mobility Werden Flugtaxis die urbanen Fortbewegungsmittel der Zukunft?

Das 2,3 Tonnen schwere Lufttaxi-Modell "CityAirbus" steht nach einen Testflug wieder auf dem Boden.
Das 2,3 Tonnen schwere Lufttaxi-Modell "CityAirbus" steht nach einen Testflug wieder auf dem Boden.
© Peter Kneffel / Picture Alliance
Weltweit gibt es Dutzende Projekte, die sich mit vertikaler Mobilität beschäftigen. Die ersten elektrischen Flugtaxis haben bereits abgehoben. Milliarden-Beträge werden in Start-ups investiert. Eine Studie hat den Hype um Flugtaxis genauer untersucht.

Es ist der jüngste Traum vom Fliegen: Statt sich in der Stadt per Taxi fortzubewegen, hebt man ab und benutzt ein emissionsfreies Flugtaxi. Im fliegenden Fortbewegungsmittel der nächsten Generation sitzend, wird jeglicher Stau in wenigen Minuten überflogen. Der Antrieb erfolgt auch nicht mehr mit fossilen Brennstoffen, sondern mit nachhaltig erzeugter elektrischer Energie.    

In Städten wie São Paulo bewegen sich heute schon Manager zwischen Hochhäusern und Vororten per Hubschrauber fort, die auf den Dächern der Wolkenkratzer landen. Wird die kommende Generation von Flugtaxis den Hubschrauber ablösen und zu einem Transportmittel, das sich nicht nur die Oberschicht leisten kann? Können Flugtaxis einen wichtigen Beitrag leisten, das Verkehrsproblem in dichtbesiedelten Metropolen in den Griff zu bekommen?

Diese und die Frage, ob sich die Investitionen in die neuen Technologiefirmen rentieren werden, hat sich ein Autoren-Team der Managementberatung Porsche Consulting in der Studie "The Ecoconomics of Vertical Mobility" gestellt.

Urbane Mobilität von morgen

Der noch junge Markt der Fluggeräte unter dem Sammelbegriff eVTOL, dem Akronym aus "electric Vertical Take-Off and Landing Aircraft", erlebt seit Kurzem einen Boom. 5,5 Milliarden US-Dollar sind in den vergangenen sechs Jahren in Unternehmen geflossen, zusätzlich befeuert von den Börsengängen einiger Beteiligungsgesellschaften.

Zu den Playern im Markt gehört das bei München ansässige Unternehmen Lilium, das einen Siebensitzer entwickelt und bereits von der brasilianischen Fluggesellschaft Azul einen Vorvertrag über 220 Exemplare erhalten hat. In Bruchsal bei Karlsruhe und in Singapur ist die Firma Volocopter ansässig, die neben Frachtdrohnen auch das Luftfahrzeug VoloCity für Passagiere im Programm hat, das autonom fliegen, starten und landen kann.

Eine Mischung aus Flugzeug und Helikopter will das kalifornische Start-up Archer bis 2024 fertigstellen. Auf den Senkrechtstarter Archer Marker setzt United Airlines. Die Fluglinie hat Optionen auf 200 Exemplare, um Fluggäste zwischen Airports und urbane Zentren schnell, leiser und viel kostengünstiger als mit dem Hubschrauber zu transportieren.

In Fernost setzen Konzerne wie Toyota und Hyundai in die Entwicklung der neuen Fortbewegungsmittel. Flugzeughersteller wie Boing und Airbus engagieren sich in entsprechenden Projekten. So hat der achtrotorige CityAirbus mit vier festen Antriebsgondeln bereits Testflüge absolviert und wird vom CityAirbus NextGen abgelöst, der in zwei Jahren starten soll.

Neue Infrastruktur erforderlich

"Noch wird die Reichweite durch die momentane Akku-Technologie bestimmt" heißt es in der Studie. Technologisch werden bis Mitte des Jahrzehnts viele Flugtaxi-Projekte umgesetzt sein. Erst ab 2035 könnte sich das neue Fortbewegungsmittel zu einem "Uber der Lüfte" entwickeln.

Mehr als die Hälfte der auf 25 Milliarden US-Dollar geschätzten Investitionssummen werden in die Entwicklung der Hardware fließen. Daneben sind auch bis zu 40 Prozent für entsprechende Infrastruktur am Boden zu berücksichtigen.

NRW plant Flugtaxis an zwei Flughäfen: Düsseldorf und Köln.  0
© n-tv
Kein Sci-Fi-Traum mehr: NRW plant Flugtaxi-Stationen an zwei Flughäfen

"Die Infrastruktur ist die mögliche Achilles Ferse – sowohl der Auf- und Ausbau, als auch die Kapazität", sagt Gregor Grandl von Porsche Consulting im Gespräch mit dem stern. Im Gegensatz zum Hubschrauber benötigen elektrische Flugtaxis auch eigene Ladestationen. Dabei müssen sich sämtliche Hersteller auch auf einen Standard einigen. "Der Aufbau von Start- und Landeplätzen wird dauern", gibt Grandl zu bedenken. "Es ist zum Beispiel technisch komplex die bestehenden Hochhäuser mit Anschlussleitungen für Strom nachzurüsten."

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass "Technologie die vertikale Mobilität ermöglicht, aber eine breite gesellschaftliche Akzeptanz wird diese erst relevant machen." Dabei sei auch ausschlaggebend, wie groß die Lärmentwicklung von Flugtaxis werden wird. "Die soziale Akzeptanz ist für die Genehmigung von Standorten entscheidend", so Grandl.

Bell Nexus 4EX
Umringt am Messestand im Januar 2020 in Las Vegas: Das Bell Nexus 4EX Hybrid Electric Air Taxi.
© John Locher / Picture Alliance

Weitere Herausforderungen sind die für Luftfahrtzeuge erforderlichen Genehmigungsverfahren. Die US-Luftaufsichtsbehörde FAA und die EASA in Europa müssen das Design und die Technik abnehmen, was Jahre beanspruchen kann. Auch dürfte die Luftraumüberwachung umorganisiert werden, um das Flugtaxi-Aufkommen mit dem restlichen Luftverkehr zukünftig zu koordinieren.

"Eine U-Bahn hat eine mehr als 10-fache Kapazität"

Investoren müssen in dieser Branche einen langen Atem von mindestens 15 Jahren haben, bis sich das emissionsfreie Lufttaxi als weiteres Verkehrsmittel etabliert hat. In den ersten Städten werden bereits Versuchsrouten geplant. Dazu gehören neben Singapur, Dallas und Dubai auch Guangzhou, Melbourne und Los Angeles.

Das neue Verkehrsmittel wird zunächst wenig bewegen. "Je Start- und Landepunkt erwarte ich eine anfängliche Kapazität von deutlich unter 100 Passagieren pro Stunde", sagt Grandl. "Im Vergleich dazu: Auf einer Fahrspur einer Straße bewegen sich heute rund 3000 Menschen pro Stunde und eine U-Bahn hat eine mehr als 10-fache Kapazität davon."

Langfristig aber könnte sich "vertikale Mobilität zu einer lukrativen Nische entwickeln und Lufttaxis könnten so normal wie Taxis werden", so Grandl. Die Verkehrsprobleme der Menschheit werden jedoch auch Lufttaxis nicht lösen, da ihre Entwicklung und Markterfolg mit erheblichen Risiken und technischen wie wirtschaftlichen Barrieren behaftet ist. "Noch ist die Marktentwicklung unsicher. Der Aufbau des Ökosystems aus Fluggeräten, Infrastruktur und Flugtaxidiensten könnte deutlich länger dauern, als einige Investoren denken."

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