Deutsche Elf schlägt Holland "Mission EM-Titel" - die Brust wird breiter

Von Klaus Bellstedt
3:0 gegen Holland. Die DFB-Auswahl hat erneut eine große Fußballnation geschlagen. Im Hinblick auf die Mission "EM-Titel" macht vor allem der Sturm um Dauerbrenner Miro Klose Hoffnung.

Schlimmer hätte der Abend in der Hamburg kaum beginnen können: Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt trat Musikerschönling David Garrett auf den Plan und geigte den bibbernden Fans die Nationalhymnen. Zur Erwärmung der Zuschauer trug das übers Stadionmikrofon verzerrte Gefiedel jedenfalls nicht bei. Immerhin: Es stellte sich heraus, dass es nicht weiter schlimm war. Denn es gab ja noch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft – und die heizte dem Anhang bei ihrem Jahresabschluss gegen die Niederlande ordentlich ein. Die Zuschauer dankten es dem Team auf ihre Weise: Nach knapp 30 Minuten und beim Stand von 2:0 schwappte die Welle durch den Kühlschrank, in dem normalerweise der schwer erkrankte Bundesliga-Dino HSV seine Heimspiele austrägt. Um die Sehnsucht nach schönem Fußball zu erfüllen, müssen derzeit "Jogis Jungs" an der Elbe vorbeikommen.

Es war aber auch wirklich nett anzuschauen, was die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw dort unten auf dem seifigen Platz vorführte - wobei das Wort 'vorführt' es nicht ganz trifft. Die DFB-Auswahl zelebrierte phasenweise Fußball wie zu besten EM-Qualifikationszeiten. Durch die war Deutschland ja mit zehn Siegen in zehn Spielen spaziert. Beim wilden 3:3 vor vier Tagen in der Ukraine hatte Joachim Löw noch Experimentierfreude bewiesen. Mit einer völlig unüblichen Dreier-Abwehrkette wollte der Bundestrainer sein Team auf was auch immer bei der EM im nächsten Jahr in Polen und in der Ukraine vorbereiten. Das Experiment ging halbwegs schief. Nun, gegen den Vizeweltmeister aus Holland - einen der großen Mitfavoriten auf den EM-Titel - verzichtete der Coach auf weitere Experimente. Und siehe da: Mit dem etablierten 4-2-3-1-Modell gelang ein sehr souveräner 3:0-Sieg.

Matchwinner Klose

Die deutsche Mannschaft spielte in diesem Prestigeduell schon auch behutsam, aber wenn sie in Ballbesitz war, dann ging es sehr schnell und sehr vertikal. Dafür maßgeblich verantwortlich war ein Quartett: Die drei kombinationswütigen Torschützen Thomas Müller, Miro Klose und Mesut Özil sowie Toni Kroos, der das Gesamtgebilde kongenial zusammenhielt. Bemerkenswert war vor allem die Art und Weise, wie die Treffer herausgespielt wurden. "Man weiß gar nicht, welches Tor schöner war", frohlockte hinterher Thomas Müller, der in seinem 25. Länderspiel in der 15. Minute für das 1:0 gesorgt hatte. Hauptdarsteller dieser Offensivgala gegen in allen Belangen enttäuschende Holländer - Bondscoach Bert van Marwijk sprach gar von einer "peinlichen Vorstellung" - war aber: Miro Klose.

Der 33-Jährige traf (in der 26. Minute), er legte zwei Mal vor (nach Müllers auch Özils Treffer zum 3:0 in der 66. Minute), er arbeitete für das Team – Anlaufzeit: keine. Torprofi, Phänomen, Gladiator, Torhai oder Iceman nennen die erfinderischen Italiener Klose wegen seiner Spielweise. Bei Lazio Rom ist der Angreifer binnen kurzer Zeit zur entscheidenden Figur im Angriffsspiel geworden. In der Nationalmannschaft ist er das schon lange - und es deutet nicht mal eine Winzigkeit darauf hin, dass sich an diesem Zustand bis zur EM etwas ändern könnte. 63-mal hat der Stürmer im DFB-Trikot jetzt schon getroffen. In der ewigen Bestenliste liegt der ewige Klose jetzt nur noch fünf Tore hinter der Legende Gerd Müller. "Es erübrigt sich über Miro zu sprechen. Er ist variabel, torgefährlich und ein toller Kombinationsspieler. Aber das kennen wir ja alles von ihm." Joachim Löw weiß, was er an Klose hat.

Noch ein paar offene Fragen

Und die Mannschaft weiß, was sie an ihrem Trainer hat. Das DFB-Team, das hat das 3:0 gegen die Niederlande gezeigt, hat sich unter Löws Führung enorm entwickelt. Es trägt mittlerweile seine Handschrift. Der Coach will die Momente zwischen Ballannahme und Abspiel minimieren, um so das Tempo und die Kombinationen schnell zu machen. Das ist seine Idee von Fußball. Die Mannschaft hat diese Philosophie verinnerlicht. In seinem 75. Spiel als Bundestrainer bewiesen es ihm seine Spieler eindrucksvoll. "Es ist mir eine Freude und auch eine Befriedigung, wieder eine der besten Mannschaften der Welt geschlagen zu haben und die Holländer auch spielerisch vor Probleme gestellt zu haben", analysierte Löw nach dem Spiel. Und dann sagte er noch: "Wenn wir morgen in die EM gehen würden, wäre ich froh."

Aber vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass doch noch ein paar Monate Zeit bleiben. Denn ein paar offene Fragen gibt es schon noch für den Bundestrainer. Zum Beispiel die nach der Besetzung der Viererkette. Dort gibt es noch immer keinen echten Stamm. Gegen Holland drückte mal wieder der Schuh auf den Außenbahnen. Weder Jerome Boateng noch Dennis Aogo übten genug Druck nach vorne aus, auch Innenverteidiger Per Mertesacker wackelte ein bisschen. Es bleibt Löws größte Aufgabe, bis zum Start der Europameisterschaft eine Lösung für dieses allerdings vergleichsweise kleine Defensivproblem zu finden. Findet der Bundestrainer hinten die Idealbesetzung, muss diese deutsche Mannschaft bei der EM vor niemanden Angst haben. Nicht vor Spanien, schon gar nicht vor Holland und auch nicht vor musikalischen Schmalzattacken von David Garrett. Der tourt im nächsten Sommer zwar auch durch Europa. Stopps in Polen und der Ukraine sind aber nicht vorgesehen.

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