Nationaltrainer von Brasilien zu sein, ist keine leichte Aufgabe. Denn obwohl Menezes aus einem nahezu unerschöpflichen Pool von talentierten Spielern schöpfen kann, liegt die Messlatte so hoch, wie es die jeweils zu erreichenden Ziele auf Maximalkurs vorgeben.
Mano Menezes trainiert den Rekordweltmeister seit August 2010, und vor dem Klassiker am Mittwoch gegen Deutschland ist die Last dieses Amtes wohl wieder einmal größer als die Lust darauf. Menezes steht nach dem peinlichen Aus bei der Copa America unter gewaltigem Erfolgsdruck. "Du bist der Pilot eines Kleinflugzeuges, aber die Seleção ist eine Boeing", schleuderte ihm der TV-Kommentator Milton Neves an den Kopf.
Menezes fehlen zurzeit die Argumente gegen solche Tiraden aus der Öffentlichkeit. Denn bei der Südamerika-Meisterschaft schafften es seine Schützlinge beim Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Paraguay nicht, auch nur einen einzigen Versuch im Gehäuse des Gegners unterzubringen. Und auch in den Monaten davor reichte es nur zu Siegen gegen Gegner der Kategorie USA und Ukraine.
USA, Ukraine oder der Iran?
Und während sich der kommende Gegner auf die Europameisterschaft 2012 vorbereitet, wird in Brasilien nur auf ein Ziel hingearbeitet: den Gewinn des WM-Titels 2014 im eigenen Land. Da steht es nicht auf dem Plan, erst noch an einem tauglichen Konzept zu arbeiten. Die Seleção hat nicht nur immer zu funktionieren, sie muss es auch mit Spielfreude, Glanz und Schönheit vollbringen. Ein Scheitern "wäre Vaterlandsverrat", schrieb die Süddeutsche Zeitung dazu.
Der 49-Jährige selbst nimmt das alles noch sehr gelassen hin. "Das wird ein wunderbarer Test", sagte er über das Deutschland-Spiel. Eine Beruhigungstherapie für die erfolgsverwöhnten Fans wäre vielleicht der passendere Ausdruck gewesen. Denn Brasilien wartet seit Menezes' Amtsantritt im Juli 2010 auf einen Sieg gegen einen großen Gegner.
Gegen Argentinien (0:1), Frankreich (0:1) und die Niederlande (0:0) blieben seine Schützlinge jeweils sieg- und torlos, was doch stark am Selbstverständnis der erfolgreichsten Fußball-Nation rüttelt. Was sind dagegen schon Siege gegen die USA, Ukraine oder den Iran.
Pele steht hinter dem Coach
Der ehemalige Vereinscoach von Gremio Porto Alegre und der Corinthians hat im Land aber auch noch Fürsprecher. Denn er tut konsequent das, was Fans und Medien bei seinem unbeliebten Vorgänger Carlos Dunga immer vergeblich eingefordert hatten. Menezes setzt auf Jungstars wie Neymar (19), Pato (21) oder Ganso (21) und lässt sie am liebsten in einem ultra-offensiven System mit drei Stürmern spielen.
Der "Joga Bonito", das schöne Spiel, ist vielen Brasilianern genauso wichtig wie der Erfolg. Und so wirbt gerade das Idol Pelé um Geduld mit Menezes. "Ich glaube, das hat nichts mit dem Trainer zu tun", meinte der mittlerweile 70-Jährige nach dem Aus bei der Copa.
In Stuttgart will Menezes ungeachtet des Erfolgsdrucks seine Experimentierphase fortsetzen. Deshalb berief er Spieler wie die Bundesliga-Profis Renato Augusto (Bayer Leverkusen) und Luiz Gustavo (Bayern München) oder den in der Ukraine spielen Fernandinho (Shakhtar Donezk) in sein Aufgebot. Stars wie Kaka oder Marcelo (beide Real Madrid) erhielten dagegen wieder einmal keine Einladung. "Ich möchte sehen, wie Spieler, die noch nicht bei uns waren, reagieren", erklärte der Trainer. Er selbst ist ja nach nur einem Jahr im Amt schon abgehärtet genug.