Trotz unverhoffter griechischer Schützenhilfe hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit einer trostlosen Nullnummer das direkte Ticket zur Weltmeisterschaft 2002 verpasst. Das Team von Rudi Völler kam im letzten Qualifikationsspiel der Gruppe 9 vor 52.333 Zuschauern in der Arena »AufSchalke« in Gelsenkirchen nicht über ein 0:0 gegen Finnland hinaus und muss sich als Zweiter der Gruppe 9 nun wie erwartet in der Relegationsrunde die Fahrkarte nach Japan und Südkorea erkämpfen. Dort ist am 10./11. und 14. November die Ukraine als Zweiter der Gruppe 5 der Gegner.
Hoffnung währte zwei Minuten
Dabei durfte die deutsche Mannschaft bei einer 2:1-Führung der Griechen gegen England in Manchester zwei Minuten lang hoffen, doch noch ohne den Umweg Relegation zur WM fahren zu können, doch dann zerstörte Beckham mit seinem 2:2-Ausgleich in der Nachspielzeit gegen die Mannschaft von Otto Rehhagel alle Träume. Bei Punktgleichheit zwischen England und Deutschland (je 17) entschied am Ende die um sechs Treffer bessere Tordifferenz für die Briten. »Die Enttäuschung ist riesengroß. Es tut mir weh, tut der Mannschaft weh, aber es nutzt alles nichts. Wir müssen nach vorne schauen. Ich bin absolut überzeugt, dass wir uns in der Relegation qualifizieren«, sagte Rudi Völler.
»Tiefpunkt der Ära Völler«
»Wir haben es selbst in der Hand gehabt«, trauerte DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder den vergebenen Möglichkeiten nach, die sich vor allem Oliver Bierhoff geboten hatten. Der Kapitän traf zwei Mal die Latte (64./76.) und scheiterte einmal völlig frei vor dem finnischen Keeper Niemi (68.). In der Nachspielzeit vergab Michael Ballack freistehend das mögliche 1:0. »Wenn wir in die Relegation so reingehen wie in die erste Halbzeit, dann scheiden wir aus«, sprach Mayer-Vorfelder eine Befürchtung aus. Auch Günter Netzer malt die Zukunft in düsteren Farben. »Das war der absolute Tiefpunkt in der Ära Völler. Wäre heute die Ukraine der Gegner gewesen, hätten wir das nicht heil überstanden«, meinte der Ex-Nationalspieler.
Statt des von Völler versprochenen »tollen Spiels« bekamen die Fans eine deutsche Mannschaft zu sehen, die auch fünf Wochen nach dem 1:5 gegen England noch immer völlig verunsichert wirkte. Die Gastgeber agierten nervös, spielten mit wenig Risiko und erzeugten keinen Druck auf das Tor des Gegners. Nach dem Nackenschlag vom 1. September war die deutsche Mannschaft vor allem darauf bedacht, Sicherheit zu gewinnen. Dabei bewältigte die von Völler erstmals in einem Länderspiel aufgebotene Vierer-Abwehrkette ihre Aufgabe, in der Defensive nichts anbrennen zu lassen, gegen eine im Angriff wenig Durchschlagskraft ausstrahlende finnische Elf ordentlich.
Gravierende Probleme
Dagegen offenbarte das deutsche Team in der Eröffnung des Spiels und dem schnellen Umschalten von Abwehr auf Angriff gravierende Probleme. Gegen das kompakt stehende Mittelfeld der Suomis bekam Sebastian Deisler die Fäden nicht wie erhofft in die Hand. Auch Michael Ballack, der in der ersten Halbzeit meist über die rechte Seite kommen musste, fehlte das Durchsetzungsvermögen. Erst mit der Einwechslung von Gerald Asamoah für seinen Schalker Clubkollegen Jörg Böhme mit Beginn der zweiten 45 Minuten konnte sich Ballack etwas besser in Szene setzen.
Der Angriff versagte
Während die Abwehr diesmal überzeugte, herrschte im Angriff lange Zeit völlige Funkstille. Oliver Bierhoff, Vertreter des verletzten Carsten Jancker, entpuppte sich 63 Minuten lang als Totalausfall, ehe er innerhalb kurzer Zeit starke Szenen und etwas Pech hatte. In der 76. Minute stand erneut die Latte dem 32. Länderspiel-Tor des Angreifers im Wege. Den Nachschuss vergab Oliver Neuville kläglich. Nicht nur in dieser Szene unterstrich der Leverkusener, dass er kein Torjäger ist.
Der besten Möglichkeit der deutschen Elf vor der Pause ging einer der wenigen sehenswerten Spielzüge voraus, als Böhme auf der linken Seite Ziege bediente. Doch dessen Flanke jagte Neuville (33.) unter das Tribünendach. Auf der Gegenseite hatte Oliver Kahn, der seine Vorderleute immer wieder lautstark anfeuerte, bei einem 30 m- Freistoß von Saarinen (38.) erstmals Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Auch als sich die Kunde vom 0:1-Rückstand der Engländer in der Arena verbreitete und die Fans die DFB-Elf mit Sprechchören (»Wir wollen euch kämpfen sehen«) aufforderten, endlich Gas zu geben, wartete man im weiten Rund vergeblich darauf, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht.
Kein klare Linie
Mit Asamoah wurden die deutschen Aktionen nach Wiederbeginn zwar etwas druckvoller, doch fehlte es dem Spiel weiterhin an einer klaren Linie. Die besten Chancen eröffneten sich Mitte der zweiten Hälfte Bierhoff. Nach dem überraschenden 1:2 in Manchester das Publikum in der Arena endgültig und trieb das deutsche Team frenetisch nach vorne. Doch auch in der Deckung mussten die Hausherren weiter auf der Hut sein, so beim Schuss von Litmanen (78.), den Kahn mit größter Mühe parieren konnte.
Oliver Hartmann und Klaus Bergmann, dpa