Im November beginnt die Fußball-WM in Katar – und die ist nicht nur wegen des ungewöhnlichen Austragungszeitpunkts im Winter höchst umstritten. Noch mehr als an der Jahreszeit entzündet sich die Kritik vieler Fans an den schlechten Menschenrechtsbedingungen in dem Land. Vor allem die Situation von Homosexuellen wird oft bemängelt, ebenso der Umgang mit Gastarbeitern.
Der DFB versuchte, diese Thema auf einem eigens ins Leben gerufenen Menschenrechtskongress zu adressieren. In Frankfurt trafen sich DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff sowie Politiker:innen, Menschenrechtsaktivist:innen und Fanvertreter. Mit dabei war auch der Botschafter Katars in Deutschland, Scheich Abdulla Bin Mohammed bin Saud Al-Thani. Und der wurde von Dario Minden, dem Zweiten Vorsitzenden der Fanorganisation "Unsere Kurve", direkt angegangen.
Fanvertreter: "Fußball ist für alle da"
Denn Minden ist homosexuell – eine sexuelle Orientierung, die in dem Emirat verboten ist. Auf homosexuelle Handlungen stehen in Katar gemäß der Scharia, dem islamischen Gesetz, Auspeitschen, eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren oder sogar die Todesstrafe. Der Anhänger von Eintracht Frankfurt wandte sich unverblümt an den Botschafter: "Ich bin ein Mann und ich liebe Männer. Ich habe – seien Sie bitte nicht schockiert – Sex mit anderen Männern", stellte er klar. "Das ist normal. Also gewöhnen Sie sich bitte daran oder halten Sie sich vom Fußball fern."
Dario Minden betonte auf dem Kongress, dass es im Fußball eine Regel gebe, die über allem stehe: "Fußball ist für alle da." In der direkten Konfrontation forderte er den Botschafter als Vertreter des Emirats dazu auf, die Todesstrafe und alle anderen Sanktionen, welche die sexuelle und geschlechtliche Identität betreffen, aufzuheben. Eine unmittelbare Reaktion des Botschafters gab es nicht, er hörte Mindens Ausführungen lediglich aufmerksam zu.
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Quelle: "Forbes Magazine"
Repressalien für Homosexuelle in Katar
Emir Tamim bin Hamad Al Thani hatte im Mai bei einem Besuch in Berlin zwar beteuert, alle Fans in Katar willkommen heißen zu wollen, aber auch hinzugefügt: "Wir erwarten und wollen, dass die Menschen unsere Kultur respektieren." Eine Recherche skandinavischer Fernsehsender hatte gezeigt, dass mehrere der offiziellen WM-Hotels homosexuelle Gäste rundheraus ablehnen. Fast ein Drittel der angefragten Unterkünfte äußerte starke Vorbehalte oder forderte die Paare auf, sich nicht als homosexuell zu erkennen zu geben.

Die LGBTIQ+-Community in Katar ist schweren Schikanen ausgesetzt. In der RTL-Dokumentation "Rote Karte statt Regenbogen – Homosexuelle in Katar" berichteten homosexuelle Kataris von "existenzieller Angst vor Bestrafung und Tod": "Die Polizei kann theoretisch jederzeit auftauchen und dich an einen geheimen Ort bringen. Sie könne psychische und physische Folter anwenden, wenn sie wollen. Sie beschlagnahmen alle deine persönlichen Gegenstände und durchsuchen dein Handy, schüchtern dich ein und schikanieren dich."

WM 2022: Bierhoff sieht Herausforderung für Nationalmannschaft
DFB-Direktor Oliver Bierhoff wollte keine Reiseempfehlung für Angehörige der LGBTIQ+-Gemeinschaft aussprechen: "Es ist schwer. Ich weiß es nicht. Ich glaube, das kann jeder für sich nur selber entscheiden, ob er das für sich als Risiko betrachtet", sagte Bierhoff: Er hoffe, dass es im Rahmen des Turniers "für einen gewissen Zeitraum eine gewisse Glocke" gebe, die eine Sicherheit garantiere. Bezüglich der anstehenden WM in dem Emirat fragt sich der 54-Jährige mittlerweile: "Wie konnte eine Fifa die Vergabe in dieses Land geben?"
Die Nationalmannschaft sieht er bei der WM vor einer großen Herausforderung: "Wir müssen darauf achten, diesen Spagat zu finden, zwischen der Verantwortung und dem Bewusstsein, das wir als Menschen haben. Auf der anderen Seite gehen wir als deutsche Fußball-Nationalmannschaft rüber, wir vertreten unser Land, wir wollen erfolgreich Fußball spielen", sagte er beim Kongress in Frankfurt.
Quellen: Deutsche Welle auf Twitter / DFB / ZDF / RTL