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Fußball in Zeiten von Corona Das Sorgenkind macht Probleme: Wie der Streit um die Fortsetzung der Dritten Liga eskaliert

MDCC-Arena des 1. FC Magdeburg
Die MDCC-Arena des 1. FC Magdeburg muss laut Coronavirus-Eindämmungsverordung in Sachsen-Anhalt vorerst leer bleiben
© Andreas Lander/ / Picture Alliance
Saison fortsetzen oder abbrechen? In der Dritten Liga ist darüber ein heftiger Streit zwischen dem DFB und einigen Traditionsklubs im Gange. Eine Lösung ist nicht in Sicht – dafür wird der Ton rauer.

Gerade noch haben sich die Oberen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) wahlweise dafür feiern oder kritisieren lassen, dass sie die Fortsetzung der Ersten und Zweiten Bundesliga nach langen Diskussionen in trockenen Tüchern haben, da kocht in Fußball-Deutschland die nächste Debatte hoch – und droht mehr und mehr zu eskalieren.

Es geht um die Zukunft der Dritten Liga in der Coronavirus-Pandemie. Der Spielbetrieb in der dritthöchsten deutschen Profiliga ruht ebenfalls seit Mitte März. Nun soll auch dort der Ball schnellstmöglich wieder rollen, möglichst schon am 26. Mai. Das findet nicht nur der Deutsche Fußball-Bund (DFB), sondern auch eine knappe Mehrheit der 20 Vereine. Mindestens sieben der Klubs sprechen sich allerdings für einen Abbruch der Saison aus.

Uneinigkeit in der Dritten Liga

Zwischen den beiden Lagern ist in den vergangenen Wochen ein handfester Streit entbrannt, in den sich inzwischen auch die Politik eingeschaltet hat.

Zuletzt hatte der DFB nach einer Konferenz der Präsidenten seiner 26 Regional- und Landesverbände kräftig nachgelegt. Per Pressemitteilung ließen die Verbandschefs die Öffentlichkeit wissen, dass nach ihrer Auffassung "die aktuellen und von einigen Vereinen betriebenen Debatten sowohl der Dritten Liga als auch dem gesamten deutschen Fußball mit dem DFB und seinen 26 Mitgliedsverbänden großen Schaden zufügen". 

In dem Streit tun sich unter anderem zwei Klubs aus Sachsen-Anhalt hervor: der Hallesche FC und der 1. FC Magdeburg. In dem Bundesland sind sportliche Wettkämpfe und Training unter wettkampfähnlichen Bedingungen bis Ende Mai verboten. Damit können die beiden Vereine mindestens bis zum 27. Mai nur in Kleingruppen von maximal fünf Sportlern trainieren – und befürchten nun massive Wettbewerbsnachteile. Aber auch Preußen Münster, der FC Carl Zeiss Jena, Waldhof Mannheim und der FSV Zwickau stehen einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs kritisch gegenüber.

Inzwischen hat der Streit auch die Politik auf den Plan gerufen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erhob nach einem Telefonat mit DFB-Präsident Fritz Keller am Dienstag deutliche Vorwürfe gegen den Verband – aus dessen Frankfurter Zentrale kam umgehend eine vehemente Replik. "Hier wird ein unzutreffendes Bild gezeichnet", äußerte Generalsekretär Friedrich Curtius auf der DFB-Internetseite.

Haseloff hatte zuvor das Agieren des DFB im Streben um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs am 26. Mai kritisiert. Er empfinde es als unerträglich, dass der Verband in der Pandemie Druck auf Politik und Vereine ausübe, sagte der CDU-Politiker. Eine Landesverordnung mit strengen Sportbeschränkungen sei erlassen worden, um Menschenleben zu schützen. Dass "mit dem Lizenzentzug gedroht wird für den Fall, dass man nicht mitspielt, das kann nicht die Spielregel in unserer Gesellschaft sein." 

Dass es solchen Druck gebe, wies der DFB zurück. Es sei nicht "mit Zulassungsentzug und Konsequenzen" für Vereine gedroht worden, die sich gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs aussprächen, teilte Curtius mit und begründete den Versuch, die Spielzeit zu retten. "Die Dritte Liga wäre bei einem freiwilligen Saisonabbruch in ihrer kompletten Struktur als Profiliga gefährdet und in Frage gestellt", so der Verband.

Die Dritte Liga gilt schon lange als Sorgenkind des deutschen Fußballs. Viele Vereinsbudgets werden zerrieben zwischen hohen Ausgaben für einen professionellen Fußballbetrieb und niedrigen Einnahmen durch geringe TV-Präsenz und niedrigen Sponsorengeldern.

Angesichts des neuen Rahmenterminplans, der vorsieht, elf Spieltage mit fünf englischen Wochen zu absolvieren, schlägt auch die SG Sonnenhof Großaspach Alarm. Einige Klubs seien bereits seit Wochen im kontaktlosen Training, die Entscheidungen der Behörden regional unterschiedlich. Dies zeige, "dass ein fairer Wettbewerb schon jetzt nicht mehr möglich ist", heißt es auf der Homepage des Klubs. 

Nach der Quarantäne für die Mannschaft des Zweitligisten Dynamo Dresden sieht auch Braunschweigs Sportdirektor Peter Vollmann die Fortsetzung der Saison kritisch. "Eine solche Mannschaft wird komplett zurückgeworfen, das ist ein Wettbewerbsnachteil, den man gar nicht mehr ausgleichen kann", sagte er der "Braunschweiger Zeitung". 

Traditionsklubs drängen auf Saisonabbruch

Auch der finanzielle Aspekt spielt für viele Klubs eine große Rolle in der Diskussion. "Wir stehen weiterhin vor wirtschaftlich für uns kaum lösbaren Aufgaben und es gibt nach wie vor viele offene Fragen. Ein einwöchiges Quarantäne-Trainingslager, ein eigener Mannschaftkoch, mehrere Mannschaftsbusse oder zusätzliche Kabinen und Sanitärräume erscheinen für die durch die Coronapandemie ohnehin finanziell angeschlagenen Vereine nicht vertretbar", sagte Malte Metzelder, Geschäftsführer Sport beim SC Preußen Münster.

Diese Meinung vertreten auch die ostdeutschen Traditionsvereine. Sie plädieren weiterhin für einen Abbruch. "Wir haben immer betont, dass wir die Saison sportlich und fair zu Ende spielen wollen. Aber aus unserer Sicht ist eine Fortsetzung im Moment aus vielen Gründen einfach nicht möglich", erklärte Zwickaus Sportdirektor Toni Wachsmuth. Es könne keinen "sportlich fairen Wettbewerb" geben.

Der 1. FC Magdeburg drängt ebenfalls auf einen Abbruch. "Der DFB macht momentan viel Druck, will die Saison zu finanziellen Lasten vieler Vereine unbedingt fortsetzen. Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass das der falsche Weg ist und dass die Drittliga-Saison abgebrochen werden sollte – aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen", sagte Geschäftsführer Mario Kallnik der "Volksstimme". Zudem monierte er das DFB-Vorhaben, neutrale Spielorte zuzulassen, sollten einige Stadien gesperrt sein. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper schließt Geisterspiele in der MDCC-Arena wegen der Corona-Eindämmungsverordnung derzeit aus.

Waldhof-Mannheim-Geschäftsführer Bernhard Trares sagte mit Blick auf vom DFB in Aussicht gestellte Spiele auf neutralem Platz: "Ich habe eine neue Abstimmung beantragt. Ich sehe es nicht ein, dass der DFB die Saison auf Basis eines veralteten Meinungsbildes, aber unter neuen Rahmenbedingungen, Stichwort neutraler Spielort, fortsetzen will."

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Klar für die Fortsetzung der Saison sind weiter die bayerischen Vereine. Auch der SV Meppen begrüßt die Entscheidung zur Fortsetzung. Nicht äußern zum neuen Abstimmungsantrag der Mannheimer wollten sich der KFC Uerdingen und der MSV Duisburg, Viktoria Köln ist neutral. Der 1. FC Kaiserslautern teilte lediglich mit: "Es geht nicht um eine Abstimmung. Wir halten es dennoch für sinnvoll, uns bezüglich der Umsetzung und Realisierbarkeit des Rahmenterminkalenders hinsichtlich denkbarer Verzögerungen im Hinblick auf den 30. Juni nochmals auszutauschen", so Sportdirektor Boris Notzon.

Der DFB forderte die Vereine, die einen Saisonabbruch befürworten, in einer wenig diplomatisch formulierten Stellungnahme zuletzt auf, "umgehend für Klarheit und Aufklärung zu zentralen Fragen zu sorgen, die mit einem selbst gewählten Abbruch der Spielzeit verbunden wäre" und drohte den Klubs unmissverständlich Schadenersatzforderungen an. Rainer Koch, 1. DFB-Vizepräsident, erklärte: "Ein Teil der Vereine der Dritten Liga spielt seit Wochen ein für den Fußball in Deutschland unwürdiges Schauspiel, bei dem die Landes- und Regionalverbände, die den DFB gemeinsam mit der DFL bilden, nur Zuschauer sind. Dies ist unerträglich und nicht länger hinzunehmen."

Eine Äußerung, mit der – vor dem Hintergrund der Verfehlungen des DFB in der Vergangenheit – der Verband kräftig weiteres Öl ins Feuer gegossen hat – zurzeit stehen die Zeichen auf Eskalation in Liga drei.

wue / mit DPA-Material

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