Unter dem Vorsitz des Schweizers Denis Oswald will das Gremium auch die Verwicklung von Medizinern der Freiburger Universitätsklinik in den Skandal um das ehemalige Team Telekom prüfen. In erster Linie geht es aber natürlich um die Fahrer selbt. Sollte der Toursieger von 1997, Jan Ullrich, der Manipulation auf olympischem Territorium überführt werden, würden ihm der Sieg im Straßenrennen von Sydney 2000 sowie die dort gewonnene Silbermedaille im Zeitfahren aberkannt. Gleiches gilt für seine damaligen Telekom-Kollegen Alexander Winokurow (Kasachstan) und Andreas Klöden, die im Straßenrennen Silber und Bronze holten. "Wir werden natürlich kooperieren und alle wichtigen Informationen zur Verfügung stellen", sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) der Deutschen Presse Agentur dpa, "das ist der richtige Schritt."
Nach den Doping-Enthüllungen der vergangenen Wochen hat sich unterdessen auch das Bundeskabinett mit dem Thema befasst. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich bestürzt über den Einsatz illegaler Mittel im Radsport gezeigt und alle Doping-Sünder aufgefordert, reinen Tisch zu machen.
Ein aktueller Gesetzentwurf der zur Diskussion steht, sieht verschärfte Strafen für banden- und gewerbsmäßiges Doping vor. Die Bundesregierung muss sich zunächst mit der Stellungnahme des Bundesrates dazu befassen. Die Länder wollen unter anderem auch die grenzüberschreitende Einfuhr von Arzneimitteln zu Dopingzwecken bestrafen. Außerdem fordern sie die Einführung der Kronzeugenregelung für Dopingdelikte. Bayern will darüber hinaus noch einen Straftatbestand Sportbetrug.
Regelung auch für bandenmäßiges Doping
Nach den eingestandenen Dopingfällen im Radsport will auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dafür die Kronzeugenregelung anwenden. Das Bundeskabinett hat erst vor kurzem den Gesetzentwurf für eine neue Kronzeugenregelung auf den Weg gebracht. Der Entwurf gilt auch für bandenmäßiges Doping. Rein gesetzestechnisch wäre es auch möglich, im Laufe der parlamentarischen Beratungen in das Doping-Gesetz eine spezifische Kronzeugenregelung einzufügen.
Der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, Rudolf Scharping, hat nach den jüngsten Geständnissen eine rücksichtslose Aufklärung angekündigt. "Es wird ohne Rücksicht auf Namen und Ansehen der Personen aufgedeckt und nichts vertuscht. Alle Fakten müssen auf den Tisch", sagte er in Garmisch-Partenkirchen.
Nach Ansicht von Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, werde weiterhin gedopt. Der "Leipziger Volkszeitung" sagte er, dass er jedoch gegen eine Generalverdächtigung aller Hochleistungssportler sei "Ich bin mir sicher: die Mehrzahl der Sportlerinnen und Sportler ist sauber". Zugleich widersprach Vesper energisch der Auffassung, DDR-Doping und damals in Westdeutschland betriebenes Doping seien vom System her zu vergleichen. Von dem heute im Bundeskabinett diskutierten neuen Anti-Doping-Gesetz in Verbindung mit Korrekturen beim Arzneimittelgesetz verspricht sich der Sportfunktionär eine große Hilfe für den Sport bei der Selbstreinigung. "Wir können des Dopings nur im Schulterschluss zwischen Sport und Staat mit einer abgestimmten Arbeitsteilung Herr werden. Beide, der Sport wie der Staat, wären allein überfordert. Der Staat muss helfen, an die Hintermänner und an deren Netzwerke heranzukommen."
Sportler sowohl Opfer als auch Täter
Sportler selbst seien auch Opfer des Doping, aber sie seien "auch Täter". Denn "ohne ihre Zustimmung, ohne ihre aktive Mitwirkung geht das einfach nicht." Ganz entschieden widersprach Vesper der Forderung nach einer unmittelbaren Amnestie in Verbindung mit Doping-Aussagen von Betroffenen. "Amnestie vor Aufklärung wäre nichts anderes als ein Freibrief." Es sei "doch absurd, dass manche von denen, die sich zu den größten Dopingbekämpfern zählen, jetzt als erstes den Betroffenen die Möglichkeit geben wollen, sich freizukaufen", so Vesper.