Wird der Winter zur Zitterpartie oder gibt es Grund zum vorsichtigen Aufatmen? Die Gasspeicher in Deutschland sind zu mehr als 90 Prozent gefüllt, mit ganz genau 90,07 Prozent. Damit ist das gesetzlich vorgegebene Ziel, am 1. Oktober einen Füllstand von 85 Prozent zu erreichen, schon jetzt erreicht. Die vorgeschriebene Marke von 95 Prozent einen Monat später ist in greifbarer Nähe. In den vergangenen zwei Wochen stieg die Füllmenge täglich um 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte an, geht aus den Daten der europäischen Speicherbetreiber hervor.
Doch reicht das, um in den kommenden Monaten größere Engpässe oder gar Ausfälle zu vermeiden? Es kommt drauf an – denn eigentlich sind die deutschen Gasspeicher nicht dazu gedacht, den gesamten Verbrauch abzudecken. Sie dienen vielmehr als eine Art Puffer, um Schwankungen beim Gasverbrauch auszugleichen. Es hängt also davon ab, wie viel Gas verbraucht und den Speichern entnommen wird.
Reichen Füllstände der Gasspeicher für den Winter?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich am Montag vorsichtig zuversichtlich: Wenn ausreichend Gas gespart werde und man Glück mit dem Wetter habe, gebe es die Chance, gut durch den Winter zu kommen, sagte der Grünen-Politiker laut Nachrichtenagentur DPA. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch: Wenn der Winter außergewöhnlich kalt und viel Gas verbraucht wird, könnte es eng werden mit der Versorgung in Deutschland.
Der erreichbare angestrebte Speicherstand von 95 Prozent entspricht etwa 245 Terawattstunden Energie. Dies wiederum entspricht Daten der Bundesnetzagentur zufolge etwa dem Bedarf von Januar und Februar der Vorjahre. Wenn die Speicherstände sich weiterhin kontinuierlich erhöhen, könnte Robert Habeck mit seiner optimistischen Prognose Recht behalten.
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Die Bundesnetzagentur mahnt dennoch weiterhin "ausdrücklich die Bedeutung eines sparsamen Gasverbrauchs" an – ebenfalls zu Recht. Denn wenn das eingespeicherte Gas tatsächlich verbraucht wird, wären die 51 deutschen Speicher im Frühjahr praktisch leer. Es kommt neben dem Verbrauch auf die Menge des nachfließenden Gases an – und das ist tendenziell eher zu wenig.
"Die Lage bleibt angespannt"
Die einst üppigen Gasimporte aus Russland liegen bei null – und davon, dass sich dieser Totalausfall in absehbarer Zeit ändern wird, sollte kein Verantwortlicher ausgehen. Das Gas für Deutschland kommt inzwischen im Wesentlichen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien, täglich ein Äquivalent von 2500 bis 3500 Gigawattstunden (also 2,5 bis 3,5 Terawattstunden). Dies könnte – gemessen an den Zahlen der Vorjahre – bereits im März eine Unterversorgung bedeuten, sollte der Verbrauch nicht weiter signifikant sinken, oder falls es unvorhergesehene Störungen gäbe.
Neue Quellen müssen also her: Bereits zum Jahreswechsel sollen daher die ersten zwei Flüssiggasterminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven an der Nordseeküste in Betrieb genommen werden, sodass dann zum Beispiel aus Kanada, den Vereinigten Staaten oder dem arabischen Raum importiert werden kann. Die Chancen für die Inbetriebnahme stünden gut, sagte Robert Habeck. Eine weitere schwimmende Anlandestation ist vor Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) in der Ostsee geplant – wichtig auch für den Winter 2023/24, damit die Gasversorgung nicht auf Kante genäht bleibt.
Mindestens bis alternative Quellen erschlossen sind, wird die Bewertung der Bundesnetzagentur gültig bleiben: "Die Lage ist angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden."
Quellen: Speicherdaten für Deutschland, Gasspeicherfüllstandsverordnung, Bundesnetzagentur, Bundeswirtschaftsministerium, Nachrichtenagenturen DPA und AFP