Lastenräder gelten als unhandlich und teuer - anders der Radwagon 4. Er ist kompakt und im Low-Price-Segment angesiedelt. Das Mini-Lastenbike aus den USA ist kein Ersatz für ein dreirädriges Lastenrad mit riesigem Frachtgutkasten, in dem je nach Belieben vier Kästen Bier, zwei Kinder und ein paar Hunde untergebracht werden können. Diese Räder sind nicht nur deutlich teurer, sie sind vor allem unhandlich groß.
Kleine Reifen kompakte Größe
Der Radwagon ist kein Pick-up-Rad, die kleinen 22-Zoll-Reifen lassen das Rad mächtig schrumpfen, die Gesamtlänge ist mit zwei Metern nicht größer als ein Trekkingrad in L-Ausführung. Mit drei Zoll Breite ist der Radwagon noch nicht "fat" bereift, aber auf deutlich breiterem Fuß unterwegs als gewohnt. Die dicken Gummis geben etwas Federungskomfort und gute Traktion. Die kleinen Reifen senken den Schwerpunkt des Rades ab, gerade beim Lastentransport ist das ein wichtiger Punkt, der das Rad stabil hält. Der Fahrer sitzt relativ weit vorn. Im Vergleich zu einem Mini-Bike hat der Radwagon einen "Schwanz", der Rahmen wurde nach hinten verlängert. Agilität, die Fähigkeit, um Kurven zu kommen, wird durch den langen Hinterbau kaum beeinflusst. Das Fahrgefühl ohne Last ist absolut normal und gar nicht mit einem großen Lastenrad zu vergleichen, bei dem der Frachtkorb vorn untergebracht ist. Auch die Übersicht über den Verkehr leidet nicht.
Internet-Vertrieb
Der Radwagon wird wie alle Räder von Radpowerbikes nur per Internet vertrieben. Geliefert bekommt man einen stabilen und riesigen Karton. Zum Herausheben des Rades benötigt man zwei Personen, alternativ kann man den Karton aufschneiden. Das Rad ist sehr gut und aufwendig verpackt und gesichert. Für den Zusammenbau ist das notwendige Werkzeug in durchaus passabler Qualität mit dabei. Der Zusammenbau ist eigentlich sehr einfach. "Eigentlich" muss man nur aus einem Grund sagen: Die Schrauben sind mit Kunststoffpaste beschichtet, so verhindert man das Lockern durch Vibration. In unserem Fall war es etwas viel Paste, die Schrauben ließen sich dadurch teilweise sehr schwer eindrehen.
Man sollte der Reihenfolge aus der Anleitung folgen, es geht auch anders, aber so ist es am Klügsten. An der Verarbeitung und der Lackierung gibt es nichts auszusetzen.
Passt für alle Größen
Schon beim Zusammenbau fallen zwei Besonderheiten auf. Die Sattelstange ist doppelt in der Höhe verstellbar. So bekommt der Sattel eine sehr weite Spanne im Auszug, die die kurze Aufnahme im Rahmen so nicht zulassen würde. Dazu sind Lenker und Vorbau im hohen Maße verstellbar. Der Vorbau kann ohne Werkzeug mit einem Klemmhebel steiler oder flacher eingestellt werden. So kann das Rad auch unterwegs einfach auf unterschiedliche Größen angepasst werden. Geliefert wird der Radwagon nur in einer Rahmengröße. Der Trick mit dem Sattel und dem Lenker führt aber dazu, dass das Rad wirklich für jeden passt. Eine sehr gute Idee, der Radwagon kann mit zwei Griffen von Daddygröße zu Kindmaßen umgebaut werden.
Robust, solide und schwer
Radpowerbikes sind in den USA sehr erfolgreich. Die Firma ist ein Außenseiter in der Branche, denn sie bauen Räder anders als die Konkurrenz. Die bemüht sich auch bei E-Rädern ein typisches Fahrradgefühl zu erhalten, das interessiert bei Radpower-Bikes weniger. Die Räder hier sind vor allem sehr stabil und robust ausgelegt und so aufgebaut, dass die Wartung möglichst einfach ist. Nachteil dabei: Die Räder sind sehr schwer. Der Radwagon mit fast 35 Kilogramm sollte ebenerdig abgestellt und untergebracht werden. Für den Winter kann man es auch in den Keller bringen, aber nicht jeden Tag. Es sei denn, es ist eine Rampe vorhanden. Mit dem Standgas kann man das Rad Steigungen sehr einfach nach oben schieben. Aber Tragen ist ein echter Kraftakt.
Antrieb durch Nabenmotor
Der Antrieb erfolgt durch einen chinesischen Motor in der Hinterradnabe. In den USA dürfen Motoren bis 750 Watt Leistung in E-Rädern verbaut werden, das passt zum Konzept besser als die in der EU erlaubten 250 Watt. Aber auch mit dem kleineren Motor kommt der Radwagon gut voran. Auf dem relativ großen Display kann man fünf Unterstützungsstufen anwählen, die einen in 50-Watt-Schritten unterstützen. Das sind hier starre Werte, die komplizierte Anpassung und Sensorik der Mittelmotoren von Bosch, Brose und Shimano gibt es nicht. Geschaltet wird mit der Alceranabenschaltung von Shimano – die ist kein Wunder der Sportlichkeit, passt aber gut zu dem Rad. Weil der Motor in der Radnabe sitzt, wirken seine Antriebskräfte nicht auf Pedale, Kette und Schaltung. Diese Komponenten sind also keiner großen Belastung ausgesetzt. Auffällig ist der opulente Kabelbaum, der weitgehend sichtbar verlegt wird. Vorteil dabei: Auch ein Laie kann alle elektrischen Antriebskomponenten einfach austauschen.
Fahren wie auf einem "normalen" Rad
Der Motor besitzt eine interne fixe Übersetzung, das verbessert das Drehmoment, führt aber durch die Zahnräder auch zu einem deutlichen Fahrgeräusch. Im Prinzip kann man das Geräusch mit einer speziellen Schmierung dämpfen, dazu müsste aber der Motor ausgebaut und zerlegt werden. Der Akku hat eine opulente Kapazität von 625 WH – bei voller Unterstützung reicht das für etwa 40 Kilometer. Die Sitzposition lädt nicht dazu ein, immer mit Höchstgeschwindigkeit zu fahren. Vor allem mit Gepäck fühlt man sich bei etwa 21 km/h am wohlsten, dann dürfte die Kapazität für eine längere Strecke ausreichen. Auch mit Last fährt das Rad in der Ebene gut. Im Gebirge und Regionen mit starken und längeren Steigerungen ist der Motor allerdings unterdimensioniert. Fährt man allein auf dem Rad, fühlt man sich nicht größer oder eingeschränkter als auf einem normalen Rad. Der Radwagon kann als normales E-Bike auch ohne Last dienen.
Aufrüstung durch Module
Was macht es denn nun zu einem Lastenrad? Zuerst einmal ist der Rahmen nach hinten verlängert, und es gibt einen großen Gepäckträger, der nicht angeschraubt ist. Er ist integraler Bestandteil des Rahmens und daher sehr stabil. Für den Lastentransport kann und muss man spezielle Sets an das Rad montieren. Dafür sind überall Befestigungspunkte vorhanden. An ihnen sollen die Module von Radpowerbike montiert werden, aber man kann natürlich auch andere Behältnisse anschrauben.
Die Variantenvielfalt macht den Radwagon so einzigartig. Für vorn gibt es eine Gepäckträgeraufnahme, auf die ein Korb, ein Metallrahmen oder eine Kiste montiert werden kann. Für den hinteren Bereich gibt es unzählige Möglichkeiten. Ein wichtiges Utensil sind die Fußbretter aus schickem Birkenholz. Hier können Passagier die Füße abstellen oder aufgesetzte Lasten einen unteren Halt finden. Auf dem Gepäckträger können zwei Kindersitze oder zwei Sitzkissen montiert werden. Zum Festhalten für die Passagiere gibt es einen praktischen Haltegriff. Es ist aber auch möglich, nur ein Kind mitzunehmen und dahinter eine Kiste oder einen Tragekorb zu montieren.
Es gibt sogar eine Hundebox, die in das Modul "Großer Korb" eingesetzt wird. Oder eine Thermobox für Lieferdienste. Um Kinder hinten zu schützen, kann man eine Rundumreling aus Metall ordern. Dazu werden verschiedene Taschen und Sitzkissen angeboten. Die Auswahl will gut überlegt werden. Sollte man sich für permanent montierte breite Körbe und Kisten entscheiden, wird das Rad durch die zusätzliche Breite Agilität verlieren. Gepäcktaschen sehen nicht so cool aus, wie der Gepäckkorb aus Metall, können aber praktischer sein. Sie lassen sich bei Nichtgebrauch einfach abnehmen. Heimwerker sollten überlegen, ob sie nicht etwas selbst machen wollen. Radpowerkbikes bietet Module aus Birkensperrholz an. Mit solchem Holz und Rahmen aus Kupferrohr lassen sich sehr ansprechende individuelle Lösungen konstruieren.
Große Körbe machen das Bike breit
Von den offiziellen Sets gibt es eine breite Auswahl, die allerdings nicht immer auf der Seite verfügbar sind. Aber jedes Teil hat auch einen Preis, man sollte also schon vorher überlegen, was man haben möchte und die Kosten für die "Extras" einkalkulieren. Unser Testrad hatte nur die Trittbretter (79 Euro) und den Frontträger (69 Euro) dabei. Wir haben uns damit beholfen, vorn einen billigen Faltkorb zu verschrauben. Hinten wurden zwei Kunststoffboxen mit Gummispannern fixiert. Auf Boxen und Gepäckträger kann bei Bedarf noch eine Kiste oder eine große Tasche gestellt werden. Damit lässt sich auch ein größerer Einkauf bewerkstelligen. Das hat Spaß gemacht. Bei einem eigenen Rad würden wir die Öffnungen im Rahmen zwischen Hinterrad und Sattelstange für eine Box aus Birkenholz nutzen. Das Gepäck würden wir in abnehmbaren Taschen oder Boxen unterbringen, um das Rad im Alltag schlank zu halten. Das geht übrigens auch ganz billig. Mit den Fußrasten kann der Einkauf in zwei oder vier beliebige Taschen gepackt werden. Wenn die Griffe verbunden werden, kann man sie als Satteltaschen auflegen.
Der Radwagon 4 kostet 1599 Euro – da sind die Beleuchtung, ein solider mittiger Gepäckständer und die Schutzbleche dabei. Kauft man die Anbauteile bei der Firma, kommen schnell noch mal 400 Euro dazu – oder auch mehr. Dennoch ist das Rad ein Super-Schnapper – es ist ungleich billiger als Markenräder mit allerdings technisch aufwendigeren Mittelmotoren – von einem großen Lastenrad gar nicht zu reden.
Familien- und Einkaufsrad
Der Radwagon eignet sich weniger, wenn man regelmäßig sehr große und sehr schwere Lasten transportiert. Ein Klempner ist vom Transport her gesehen mit einem großen dreiräderigen Lastenrad besser bedient. Wer aber ein flottes, handliches E-Bike sucht, mit dem man allein, aber auch mit Kind und Einkauf unterwegs sein kann, dann ist der Radwagon richtig. Hauptvorzug ist die kompakte Größe, zum Abstellen benötigt man keinen Pkw-Parkplatz und auf dem Radweg drängt man auch nicht wie ein Bulldozer alle anderen an die Seite. Dazu kommt der günstige Preis. Eine ganze Armada von offiziellen Anbauteilen und individuell denkbaren Anbauoptionen können das kleine Rad in die richtige Lösung für jedes Transportproblem verwandeln. Problem ist hier eher die Qual der Wahl.
Die Neufassung der STVO liegt wegen eines Formfehlers derzeit auf Eis. Inhaltlich wird in ihr ein – weiterer, älterer– Fehler von 1970 korrigiert. Ein Flüchtigkeitsfehler strich damals aus der Formulierung "Auf einsitzigen Fahrrädern dürfen Radfahrer Personen nicht mitnehmen", das "einsitzig", so dass generell nicht zwei erwachsene Personen mit einem Rad unterwegs sein durften. Das wird in der neuen Fassung aufgehoben. Ist das Rad "geeignet" – etwa mit Fußleisten – ausgestattet, können hinten auf dem Radwagon nicht nur Kinder, sondern auch Teenys und Erwachsene mitgenommen werden, solange das Gesamtgewicht eingehalten wird. Die begrenzten technischen Möglichkeiten des Motors fallen bei einem Einkaufsrad nicht so ins Gewicht wie einem Mountainbike. Für Steigungen im Gebirge ist das Bike nicht geeignet, aber auch teurere Lastenräder müssen bei Steigungen über zwölf Prozent passen. Wir haben vor einem Jahr den Radrunner des gleichen Herstellers vorgestellt ("RadRunner - praktisches Lastenrad zum Einstiegspreis"). Auch das ist ein Verwandlungskünstler und ein Mini-Lastenbike. Wo ist der Unterschied? Der Radrunner ist mit 1199 noch einmal deutlich billiger, ihm fehlen dafür Schutzbleche, ein vernünftiges Display und die Gangschaltung. Beide Räder haben ganz unterschiedliche Rahmen, der Hauptunterschied ist die Länge. Simpel gesagt: Mit dem Radrunner kann man ein Kind mitnehmen oder einen Großeinkauf – mit dem Radwagon geht beides auf einmal. Es ist ein Familienrad, der Radrunner passt eher, wenn keine Kinder transportiert werden sollen.
Kein US-Tuning
Ein Hinweis für Tuningfreunde: Die EU-Modelle haben nicht den gleichen Motor und Controller wie die US-Räder. Man sollte also nicht glauben, dass man irgendwo in der Steuerung den Haken bei "US-Modus" setzen kann, und schon hat man eine Leistung von 750 Watt und eine Höchstgeschwindigkeit von 32 km/h. Das geht nicht.
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