Wie schnell wird es auf deutschen Radwegen? Die Elektrifizierung der Fahrradflotte ist in vollem Gange. E-Räder boomen seit Jahren. Fußgängern und Autofahrern sind die auf 25 km/h abgebremsten Bikes schon jetzt zu schnell, doch es zeichnet sich ab, dass die weitaus flotteren S-Pedelecs der 45 km/h-Klasse auch auf Radwegen zugelassen werden.
Geringer Anteil
Derzeit ist der Anteil der 45-km/h-E-Räder marginal. Denn ihre Benutzung ist mit mehreren Auflagen verbunden. Sie benötigen eine eigene Versicherung, einen entsprechenden Führerschein und es muss ein Helm getragen werden. Alles nervig, aber der entscheidende Faktor ist: Ein S-Pedelec darf nicht auf den Radweg. Es muss die Straße benutzen. Damit sind dann auch Radwege an Flüssen, in Parkanlagen oder im Naturschutzgebiet tabu.
Und damit ist ein S-Pedelec für die meisten Kunden unbrauchbar. Um mit der Familie am Wochenende einen Ausflug zu machen, bräuchten sie ein Zweitrad für niedrige Geschwindigkeiten. Seit einiger Zeit wird in Deutschland darüber nachgedacht, die strenge Regelung zu kippen und Radwege freizugeben. Als erstes Bundesland hat NRW den Weg dazu bereitet. Hier sollen Kommunen einzelne Wege für S-Pedelecs freigeben können. An ihnen wird ein weißes Zusatzschild "S-Pedelecs frei" aufgestellt.
25 km/h sind zu wenig für Pendler
Die Idee dahinter klingt logisch: In der Stadt mit Distanzen von meist unter 10 Kilometern reichen Pedelecs mit 25 km/h, in der Fläche, wenn 12, 20 oder 25 Kilometer zurückgelegt werden sollen, sind sie aber zu langsam, um eine Alternative zum Auto zu sein. Das könnte ein S-Pedelec, aber es macht wenig Sinn, wenn man sich im urbanen Raum zwischen die Lkws auf einer Hauptverkehrsstraße einordnen soll. Vom Linksabbiegen auf einer mehrspurigen Trasse gar nicht zu reden.
Außerdem sollen überall mehr Radautobahnen entstehen, breite Radwege fürs schnelle Vorankommen. Und auch hier wären die schnellen Bikes nach aktueller Gesetzeslage ausgesperrt. Der Erlass sieht allerdings keine generelle Freigabe vor. Es werden Rad- und Wirtschaftswege außerorts und Radschnellverbindungen genannt. Auch bauliche benutzungspflichtige Radwege, die an Hauptverkehrsstraßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von über 50 km/h liegen, sollen freigegeben werden. Die meisten Wege in geschlossenen Ortschaften blieben gesperrt.
Kein Königsweg
Eine wirkliche Lösung des Problems wird so nicht erreicht. S-Pedelec-Bikern wäre mit der legalen Nutzung von Feld- und Waldwegen gedient. Und viele wären erleichtert, auf der Landstraße nicht mehr von 40-Tonnern überholt zu werden. Die anderen Einschränkungen, die das S-Pedelec betreffen, blieben bestehen. Das Gefahrenproblem wird nur verlagert: Wird die Verordnung umgesetzt, treffen Radfahrer, die auch manchmal nur 15 km/h fahren, auf E-Biker mit knapp 50 aufeinander. Die wenigsten Radwege sind für sicheres Überholen ausgelegt. Legt man für jedes Rad etwa 70 Zentimeter Breite zugrunde und geht vom Abstand aus, den ein Kraftfahrzeug beim Überholen einhalten soll, läge die Breite des Weges bei 280 Zentimeter. Vorausgesetzt das überholte Rad hält sich ganz rechts. In Tübingen läuft bereits ein großangelegter Versuch. Das Projekt wurde noch nicht ausgewertet, aber die Erfahrungen sollen positiv sein.
Quelle: WDR, Tagesspiegel