Brilliance-Crash Spagat zwischen sicher und billig

Von Christoph M. Schwarzer
Der chinesische Brilliance BS6 ist im ADAC-Crashtest kollabiert. Und im Reifentest der "auto, motor und sport" bekamen alle Pneus aus dem Riesenreich das Urteil "nicht empfehlenswert". Sind die Autoprodukte aus Fernost wirklich so gefährlich, oder ist unser Anspruch zu hoch?

Schrott aus China. So titelte die AutoBild und brachte das Ergebnis des Brilliance-Crashtests auf den Punkt: Den vom ADAC Technik-Zentrum Landsberg durchgeführten Aufprall nach der EuroNCAP-Norm hätten die Insassen nur mit schwersten Verletzungen oder gar nicht überlebt. Für den deutschen Markt ist das eine Katastrophe. Aber gilt das auch für so genannte Schwellenländer wie China, bei denen die Massenmotorisierung gerade erst beginnt?

"Zehn Millionen Autos bis 2015"

In Peking bestimmten vor 20 Jahren Fahrräder das Bild. Die Zeiten sind vorbei. Und auch Indien, der Iran oder Russland sind riesige Märkte, denen nach wirklich billigen Autos dürstet: "In der Preisklasse der 3000- bis 6000 Dollar-Autos erwarten wir bis 2015 eine Nachfrage nach mindestens zehn Millionen Autos", erklärt Ferdinand Dudenhöffer von der FH Gelsenkirchen und ergänzt, dass man für so wenig Geld keine sicheren Autos nach westeuropäischem Standard bauen könne. Sein Tipp an die Manager ist eine Doppelstrategie: "Die Autohersteller müssen einen Spagat zwischen Sicherheit und Preis machen. Besonders Renault macht das richtig."

Die Franzosen bieten einerseits den Dacia Logan an: billig, einfach, und in den Zielländern sehr erfolgreich. Sicherheit: ausreichend. Gleichzeitig verkauft und bewirbt der gallische Staatskonzern Clio, Laguna und Co. in Deutschland mit erstklassigen Ergebnissen in den Crashtests - die Maximalpunktzahl von fünf Sternen ist Standard. Konkurrent Volkswagen hat noch nichts im Angebot für die Billigmärkte, die nach viel Auto für wenig Geld verlangen.

"Die Zulassungskriterien reichen nicht aus"

Wie streng der deutsche Markt funktioniert, macht Christian Bangemann, Leiter Test & Technik der "auto, motor und sport", deutlich. In der aktuellen Ausgabe des Automagazins versagten alle getesteten Reifen aus chinesischer Produktion, als sie über den ECE-Standardtest hinaus auf eine bei Volkswagen übliche Variante des Schnelllauf-Tests geprüft wurden: Die Reifen patzten oder waren mit Blasenbildung kurz davor. "Die Zulassungskriterien der ECE-Norm reichen offenbar nicht aus." Ein herber "Knall-Effekt", so die Überschrift.

Aber warum muss ein Reifen, der für 210 km/h zugelassen ist, unbedingt auch bei 220 noch halten? "Weil die Realität im Alltag das erfordert", erklärt Diplom-Ingenieur Bangemann und ergänzt: "Falscher Reifendruck oder zu hohe Beladung kommen immer vor." Darum sei der ECE-Standard, in dem unter anderem neuwertige Reifen mit exaktem Druck getestet werden, nicht ausreichend. Sicherheitsreserven fehlten. Aber auch abseits der Extrembelastung waren die chinesischen Reifen schlecht. Besonders die Nässeeigenschaften waren dürftig. Und die sind nicht nur für Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen lebenswichtig. "Bei Aquaplaning hat der chinesische oder iranische Autofahrer genau so verwachst wie der deutsche", sagt Bangemann und kann die Reifen darum den Käufern in Ländern der beginnenden Massenmotorisierung nicht empfehlen.

Nachbesserung ist fast unmöglich

Für die Autokäufer in aufstrebenden Nationen zählt wegen der vergleichsweise sehr niedrigen Einkommen vor allem der Preis. Wie lange das so sein wird, ist unklar. Klar ist aber, dass reiche Menschen dort höchsten Wert auf Sicherheit und Leistung legen und darum zu luxuriösen deutschen Autos greifen. Und klar ist auch, dass der Brilliance BS6 nicht mal eben so zu einem ebenso sicheren Auto werden wird. "Der Konstruktionsstand entspricht in etwa dem, was hier in den späten 70 Jahren erdacht und dann in den 80ern auf der Straße zu sehen war; einem Ford Sierra oder dem ersten Opel Vectra etwa", sagt Volker Sandner, Fachbereichsleiter passive Sicherheit beim ADAC Technik-Zentrum.

Die Frage, ob der BS6 durch eine Überarbeitung auf den aktuellen Stand der Sicherheit gebracht werden kann, beantwortet er eindeutig: "Mit ein paar eingeschweißten Blechen ist es da nicht getan." Der ADAC baue zwar keine Autos, sondern analysiere sie nur. Diese Analyse brachte aber "erhebliche Schwachstellen" zutage. Eine Nachbesserung hält er darum für fast unmöglich. Allerdings warnt Sandner vor Überheblichkeit: "Die Chinesen sind sehr schnell und wer weiß, ob sie nicht plötzlich etwas aus dem Hut zaubern." Einen neuen oder stark verbesserten Brilliance zum Beispiel.

Brilliance tauscht um

Den kündigt Hans-Ulrich Sachs von der Bremerhavener Autohandelsgesellschaft HSO in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bereits für Juli in. Und er ist gewillt, jedem der bisher 350 Käufer des Brilliance BS6 ein großzügiges Angebot zu machen: "Wenn der Endverbraucher seinen Brilliance nun partout umtauschen will, dann stehen wir selbstverständlich bereit."

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema