Die Schufa-Idee, öffentliche Daten aus Sozialen Netzwerken bei der Berechnung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern zu nutzen, stößt auf scharfe Kritik. "Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden“; warnte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) im “Münchner Merkur“. Es dürfe nicht passieren, dass Soziale Netzwerke systematisch nach sensiblen Daten abgegrast werden, die dann in Bonitätsbewertungen einfließen, "Hier würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung massiv verletzt."
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte die Ausforschung sozialer Netzwerke durch Auskunfteien nicht hinnehmbar. Facebook-Freunde dürften nicht entscheiden, ob man einen Handy-Vertrag bekomme oder nicht, erklärte die FDP-Politikerin. Die Schufa müsse völlige Transparenz herstellen.
"Kaffeesatzleserei mit unabsehbaren Folgen"
Grüne, Linkspartei und Piraten laufen ebenfalls Sturm. Die Schufa verfolge offenkundig verfassungswidrige Ziele, sagte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Daten im Netz für eine "derartige unternehmerische Kaffeesatzleserei mit unabsehbaren Folgen" missbraucht würden. Auch die Linkspartei forderte, den gläsernen Bürger zu verhindern. Piratenchef Bernd Schlömer sagte der "Welt": "Wenn selbst die Polizei nicht auf Facebook ermitteln darf, warum sollte es eine Finanzauskunftei dürfen?"
Die Schufa hatte am Dienstag zusammen mit dem Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam ein Projekt zur "Analyse und Erforschung von Daten aus dem Web" gestartet. Deutschlands größte Auskunftei betonte, es gebe bisher keine konkreten Pläne, tatsächlich Informationen aus dem Internet zu analysieren.
"Diese Daten gehen die Schufa nichts an"
Der Verein Digitale Gesellschaft warnte, das Projekt zeige klar die Richtung, in die bei der Schufa gedacht werde: "Deine Freunde und dein Status sind Deine Bonität", so der Vereinsvorsitzende Markus Beckedahl. Das erinnere an Wohnumfeldanalysen, wo zum Beispiel aus der Bonität der Nachbarn auf die eigene geschlossen werde.
"Wir sind besorgt, dass hier Unfug getrieben wird", sagte Beckedahl. Facebook und Twitter seien zwar öffentlich, aber keine Geschäftsdaten. "Diese Daten gehen die Schufa nichts an. Es wäre also an der Zeit, dass die Schufa ihre Algorithmen offenlegt - vielleicht versteckt sich darin ja bereits ähnlicher Unfug?" Beckedahl erinnerte daran, dass bereits heute die Verbraucher die Möglichkeit haben, einmal jährlich kostenlos nach Paragraf 34 Bundesdatenschutzgesetz von der Schufa eine Selbstauskunft zu verlangen.
Schufa spricht von legaler Grundlagenforschung
Nach einem Bericht von NDR Info sollen unter anderem die Kontakte von Facebook-Mitgliedern herangezogen werden, um Beziehungen zwischen Personen zu untersuchen und so Zusammenhänge mit der Kreditwürdigkeit der Verbraucher zu finden. Zudem sei die Analyse von Textdaten denkbar, um "ein aktuelles Meinungsbild zu einer Person zu ermitteln". Ebenso könnten die Wissenschaftler untersuchen, wie die Schufa über eigene Facebook-Profile oder Zugänge zum Kurznachrichtendienst Twitter verdeckt an "Adressen und insbesondere Adressänderungen" anderer Nutzer gelangen kann. Angedacht sei auch die "automatisierte Identifikation von Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützern und Journalisten".
Ein Schufa-Sprecher betonte, es handele sich derzeit ausschließlich um ein Forschungsprojekt. "Es geht nicht darum, jetzt zusätzliche Datenquellen zu erschließen." Informationen aus Sozialen Netzwerken könnten allerdings in Zukunft relevant für das Geschäft einer Wirtschaftsauskunftei werden. Deshalb sollten Grundlagenforschung in diesem Bereich betrieben und Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet werden. Dies geschehe im legalen Rahmen. "Es sind Daten, auf die jeder Mensch auf der Welt zugreifen kann."
Ein HPI-Sprecher sagte, der NDR zitiere "eine lange Ideenliste", die aber kein Projektplan sei. "Es gibt keinen Auftrag der Schufa, diese Ideenliste Punkt für Punkt abzuarbeiten." In dem Forschungsprojekt werde auch untersucht, was ethisch vertretbar und nach Datenschutzrecht erlaubt sei. Alle Ergebnisse würden publiziert. Die Forscher wollten erfahren, "welche Webdaten überhaupt verwertbar und welche Informationen im Netz generierbar sein könnten - dies ausdrücklich und vor allem auch unter dem Aspekt von gesellschaftlichen Risiken."
Verbraucherzentrale nennt Pläne "hochgefährlich"
Daten- und Verbraucherschützer sind dennoch skeptisch: "Hinter einem solchen Forschungsprojekt steckt immer eine Absicht", sagte Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert NDR Info: "Sollte die Schufa die gewonnenen Daten tatsächlich einsetzen, wäre das eine völlig neue Dimension." Er zweifle daran, dass eine Umsetzung der Projektideen rechtlich überhaupt haltbar sei. Die Verbraucherzentrale Hamburg nannte das Schufa-Projekt eine "Grenzüberschreitung". Wenn diese sehr privaten und persönlichen Datensammlungen von der Schufa zusammengeführt und ausgenutzt würden, werde es "hochgefährlich“.