Die Nachricht kam gestern Abend: John McAfee wurde tot in seiner Zelle in einem Gefängnis in Barcelona aufgefunden, die spanische Justiz nennt Suizid als Todesursache. Es ist das Ende einer abenteuerlichen Lebensgeschichte voller Geld, Waffen und Drogen, die ihn von der Spitze des Silicon Valley in den südamerikanischen Dschungel und schließlich auf eine jahrelange Flucht vor den Behörden brachte.
Denn das, wofür McAfee fast noch berühmter ist als für seine Software, ist sein exzessiver Lebensstil, der oft mehr an Drogenbarone als an Softwareentwickler erinnerte. Der Höhepunkt ist eine Mordanklage. Nach mehreren Streits mit seinem ebenfalls aus den USA stammenden Nachbarn in McAfees damaliger Wahlheimat Belize war dieser mit einem Kopfschuss in seiner eigenen Blutlache aufgefunden worden. Und McAfee galt den lokalen Polizeibehörden schnell als Hauptverdächtiger.
Spektakuläre Flucht
Dafür gab es mehrere Hinweise. Das Mordopfer hatten sich mehrfach bei McAfee über dessen sechs Hunde beschwert, kurz vor dem Mord waren sie vergiftet worden. Zudem passte die bei der Tat benutzte Pistole zu einer, die bei einer vorherigen Durchsuchung von McAfees Grundstück wegen Drogenverdachts gefunden worden war. Dass der Verdächtige sofort die Flucht ergriff, wirkte ebenfalls wenig entlastend.
McAfee selbst sah die Situation aber ganz anders. Er habe sich in Todesangst selbst im Sand eingegraben als die Polizei kam, erzählte er später, mit einem Pappkarton über dem Kopf habe er ein Ersticken verhindert, habe dann mit einem Boot das Land verlassen. "Wenn sie mich gekriegt hätten, wäre ich tot gewesen", gab er sich überzeugt. Die lokale Polizei hätte es auf ihn abgesehen gehabt, weil er eine "Spende" an die Ordnungshüter verweigert hatte, war er sich sicher. Der Mord, die getöteten Hunde und die Anklage hätten nur den Zweck gehabt, ihn aus dem Land zu vertreiben. Die Behörden verneinten dies stets, der damalige Präsident des Landes bezeichnete McAfee gar als "paranoid, sogar irre".
Ewige Flucht
Zur Anklage kam es aber nie. Nachdem McAfee zunächst in Guatemala untergetaucht war und sogar Asyl beantragt hatte, wurde er dort wenige Wochen später verhaftet und in die USA abgeschoben. Zum Verhängnis wurde ihm sein Selbstdarstellungsdrang: In einem Interview mit dem Magazin "Vice" wollte er seine Flucht dokumentieren und seine eigene Sicht darstellen. Doch eines der für die Fotos genutzten iPhones hatte die Funktion eingeschaltet, den Standort mit dem Bild zu speichern - und führte die Behörden letztlich zu McAfee. Weil der illegal eingereist war, wurde er des Landes verwiesen.
Damit war der wilde Ritt aber noch lange nicht beendet. Gemeinsam mit seiner Frau Janice, die er kurz nach seiner Rückkehr als Prostituierte gebucht und bald danach geheiratet hatte, lebte McAfee jahrelang auf seiner Jacht in der Karibik. 2019 wurde er auch dort verhaftet, die dominikanische Polizei vermutete - mal wieder - Waffen und Drogen in seinem mobilen Zuhause. Der Verdacht dürfte nicht aus dem Nichts gekommen sein. Auf seinem stets gepflegten Twitter-Account hatte McAfee ein Bild gepostet, auf dem er und seine Frau martialisch bewaffnet mit Gewehren an Deck stehen. "Das CIA will uns bald einsammeln", schrieb McAfee dazu, er werde die nächsten Tage "abtauchen".
Die vermeintliche Jagd durch die CIA hielt McAfee aber nicht davon ab, sich für die höchsten Ämter der USA zu bewerben. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 war er jeweils für die Libertäre Partei angetreten. Dass das chancenlos war, war ihm durchaus bewusst. Seinen "aus dem Exil" geführten Wahlkampf führte er 2019 unter dem Motto "Stimmt nicht für mich".

Vom Silicon-Valley-Riesen ins Abseits
Der abenteuerliche Verlauf von McAfees Leben war zu Anfang seiner durchaus erfolgreichen Karriere noch nicht abzusehen. Der studierte Mathematiker hatte seine Joblaufbahn als Programmierer bei der Nasa begonnen, arbeitete beim Apollo-Programm, als dieses den Wettlauf zum Mond gewann. Nachdem er einige Stationen später beim Luftfahrtkonzern Lockheed den ersten Computer-Virus Brain in die Hände bekam, gelang es ihm, erfolgreiche Abwehrmaßnahmen dagegen zu entwickeln. Seine nach ihm benannte Firma brachte daraufhin die erste Antivirensoftware überhaupt auf den Markt. Und machte John McAfee zum Multimillionär.
Doch obwohl die Firma noch Jahrzehnte später seinen Namen trug, hatte sich McAfee selbst längst aus ihr verabschiedet. Schon wenige Jahre nach dem Start verkaufte er 1994 sämtliche Anteile an der Firma, investierte in andere Software-Projekte und Start-ups. Wie wenig er mit der Firma noch zu tun haben wollte, zeigt seine Reaktion, als Intel das Programm nach einer Übernahme der Firma umbenannte. "Ich werde Intel ewig dankbar sein, dass mein Name von der Verbindung mit der schlechtesten Software auf diesem Planeten befreit wurde", ätzte er ins Mikrofon. Intel dürfte aber ähnlich glücklich gewesen sein, den Namen des Gründers endlich los zu sein.
Wie schlecht es um seinen Ruf bestellt war, scheint McAfee immer gewurmt zu haben. Ein Video aus dem Jahr 2013 fasst sein Verhältnis zu seinem Namen und den Medien hervorragend zusammen. "Wie man McAfee Antivirus deinstalliert" erklärt er in dem Youtube-Clip, während er umgeben von leicht bekleideten Damen weißes Pulver schnieft und eifrig in die Kamera flucht. Es sei Satire, sagte er damals "Reuters". "Ich war es leid Morddrohungen von Leuten zu bekommen, weil mein Name für das schlechteste Antiviren-Programm der Welt steht." Mit seinen Eskapaden hätten die Anfeindungen nichts zu tun.
McAfee drohte ein Leben im Gefängnis
Dass McAfee nun am Ende in Spanien im Gefängnis saß, hatte allerdings mit seinen Geschäften in den letzten Jahren zu tun. Nach einigen gescheiterten Investments hatte ihn die Finanzkrise 2008 nahezu sein gesamtes Vermögen gekostet, von den knapp Hundert Millionen Dollar sollen ihm am Ende noch etwa vier geblieben sein, meldete die "New York Times". Die Kasse besserte McAfee in den letzten Jahren auf, indem er in Kryptowährungen investierte.
Dabei soll er sich aber nicht an die Regeln gehalten haben, glauben die US-Behörden. Indem er günstig einkaufte und dann per Twitter-Beeinflussung die Preise nach oben trieb, soll er sich gesetzeswidrig bereichert haben, werfen sie ihm vor. Zudem habe er für die Jahre seit 2010 keine Steuererklärung abgegeben, womit er auch selbst angegeben hatte, weil er Steuern als "illegal" betrachtete. Mindestens 30 Jahre Haft hätten dem 75-Jährigen gedroht, es wäre wohl auf Lebenslänglich hinausgelaufen.
Quellen:New York Times, Wired, Newsweek, Reuters