Der Anfang war - wie so oft bei Donald Trump - eine große Show. Gemeinsam hoben der US-Präsident, der Foxconn-Chef Terry Gou und Scott Walker, damals Gouverneur, im Juni 2018 den ersten Spatenstich aus. Das kleine Dorf Mount Pleasant sollte sich durch eine Megafabrik des Zulieferers Foxconn mitten in Wisconsin eine boomende Tech-Region verwandeln, so das Versprechen. Trump sprach vom "achten Weltwunder". Doch davon ist zwei Jahre später wenig geblieben.
Produziert wurde in der vorgeblichen Mega-Anlage wohl nur einmal etwas: Als Trump die Fabrik 2018 besuchte, ließ Foxconn dort einige Fernseher zusammenschrauben, das geht aus einem extrem ausführlicher Bericht des Tech-Portals "The Verge" hervor. Doch kurze Zeit später wurde auch das eingestellt. Im Gespräch mit Dutzenden Mitarbeitern und Politikern arbeitet der Bericht ein Scheitern des Projektes heraus, dass in seinem gigantischen Ausmaß und seiner Absurdität schlicht atemberaubend ist.
Große Pläne
Die Pläne klangen hochtrabend. Eine riesige Fabrik sollte auf dem Gelände entstehen, gedacht für mehr als 13.000 Mitarbeiter. Das wäre die halbe Einwohnerschaft von Mount Pleasure. 10 Milliarden Dollar wollte Foxconn investieren, versprach Gründer Gou. Für den Standort Wisconsin wäre das Projekt eine große Bereicherung gewesen, entsprechend kooperationswillig zeigte sich der damalige Gouverneur Walker. Er sicherte dem Unternehmen fast vier Milliarden Dollar Unterstützung zu, einen Teil davon also de Facto Auszahlung, aber auch durch die Räumung von bereits bewohnten Bauflächen und den Bau von Infrastruktur.
Doch offenbar hatte Foxconn nie vor, die großen Pläne auch anzugehen. Einmal angestellt, waren viele Mitarbeiter geschockt, erzählten sie dem Blog. Die Bauarbeiten gingen nicht voran, monatelang harrten sie in einem einzigen, stark renovierungsbedürftigen Gebäude aus. Arbeitsmaterialien gab es keine, die Mitarbeiter sammelten Kugelschreiber der Vormieter zusammen, brachten die Laptops von Zuhause mit. Arbeit hatten sie ohnehin keine zu erledigen: Niemand schien einen Plan zu haben, was genau zu tun wäre, erklärten alle befragten Angestellten. So habe man die Zeit mit Internetsurfen und Netflix verbracht.
Welches Geschäftsmodell?
Dass es nichts zu tun gab, lag wohl auch daran, dass die Firma selbst keine genaue Verwendung für die Anlage durchdacht zu haben scheint. In Interviews erklärten Manager auf einmal, dass dort doch keine Fernseher entstehen werden. Die Angestellten sollten sich auf einmal mögliche Geschäftsmodelle für die Firma ausdenken. Selbst skurrile Ideen wie Fischzucht wurden wohl ernsthaft erwogen. Am Ende scheiterten dann aber alle am Veto aus der Mutterfirma in Taiwan. Selbst die Ankündigung, während der Coronakrise Beatmungsgeräte bauen zu wollen, wurde offenbar nie umgesetzt.
Echte Arbeit scheint entsprechend die Ausnahme gewesen zu sein. Die Angestellten vertrieben sich den Tag, veranstalteten etwa Rennen mit Golfwagen, die eigentlich als selbstfahrende Vehikel umgerüstet werden sollten. Auch diese Geschäftsidee war gescheitert - weil zwar die Wagen eingekauft worden waren, aber keiner eine Ahnung hatte, wie man ihnen nun das autonome Fahren beibringen sollte.
Da wundert es nicht, dass auch die angekündigten Angestelltenzahlen nie erreicht wurden. Zum Höhepunkt sollen knapp 580 Personen für die Firma gearbeitet haben. Im November 2019 begann das Management, alle mit der verzweifelten Suche nach neuen Kollegen zu betrauen. Qualifikation war weniger wichtig, es wurden auch Dutzende Studenten und Aushilfskräfte eingestellt. Das hatte einen einfachen Grund: Um die versprochenen Subventionen kassieren zu können, musste Foxconn bis zum Ende des Jahres eine Mindestanzahl von 520 Personen angestellt haben. Im Januar wurden die meisten wieder entlassen. Gebracht hatte es nichts: Weil vielen die Gehälter zu spät gezahlt worden waren, erkannte Wisconsin die Bedingungen für die Subvention nicht an. Foxconn ging leer aus.

Teure Fassade
Dass die Luftnummer solange gut ging, hat mehrere Gründe. Zum einen schaffte es Foxconn immer wieder, mit neuen Versprechen und Willensbekundungen von den Problemen abzulenken. Weil auf dem Gelände immer wieder gebaut wurde und auch Angestellte und das Management wechselten, konnte die eigentlich leere Firma halbwegs den Anschein eines laufenden Unternehmens aufrecht erhalten. Dazu gehörte auch, weitere Gebäude zu errichten, die dann aber doch nie ernsthaft genutzt wurden.
Wer sich nun wundert, wie es zu dieser gigantischen Geldverschwendung kommen konnte, findet im politischen Bereich einige Indizien. Etwa die Tatsache, dass Donald Trump mit seinem Handelskrieg gegen China auch für das dort produzierende Foxconn eine echte Bedrohung hätte werden können. Das abgelegene Wisconsin mag als IT-Standort eine unwirtschaftliche Entscheidung sein, politisch ist der Swing State, den Donald Trump 2016 nur knapp gewann, eine strategisch hervorragende Wahl. Und auch Gouverneur Scott Walker hoffte wohl, mit dem Werk seine Wiederwahl-Chancen verbessern zu können.
Trump lobt weiter
Wirklich durchgerechnet hatte die Pläne offenbar ohnehin niemand. Laut Experten hätte etwa der Staat Wisconsin seine Subventionen selbst im Idealfall erst 2043 wieder herein bekommen, jeder der Jobs hätte zwischen 200.000 und einer Millionen Dollar an Subventionen gekostet. Auch Foxconn scheint im Vorfeld nie ernsthaft ausgerechnet zu haben, ob sich die LCD-Produktion mit ihren geringen Gewinnmargen im Hochlohnland USA überhaupt rentieren könnte. Der letzte Umbau der Fabrik zeigte vermutlich genau, worum es am Ende gehen sollte. Weil Donald Trump für Mai einen Besuch der Fabrik geplant hatte, sollte die endlich in funktionsfähigen Zustand gebracht werden. Aber nur in dem kleinen Teil, den der Präsident zu Gesicht bekommen sollte. Am Ende wurde der Besuch mit der Pandemie abgesagt.
Seinen eigentlichen Zweck dürfte das absurde Projekt aber erfüllt haben. Noch letzte Woche lobte Donald Trump in einem interview mit einem Lokalsender seinen vermeintlichen Erfolg. "Sie werden hundertprozentig ihre Versprechen halten", gab sich der Präsident überzeugt. "Sie werden mehr Geld ins Land bringen als jede Firma vor ihnen." Aber nur, wenn er wiedergewählt werde.
Wenige Tage später bestätigte die Walkers demokratische Nachfolge-Regierung das Scheitern des vermeintlichen Jobwunders. Es gäbe keine Anzeichen, dass die Fabrik in nächster Zeit mit der Produktion von LCDs beginnen könnte, hieß es in einem Statement gegenüber "The Verge". "Es scheint sich mehr um ein Vorzeigeprojekt zu handeln, als um ein langfristig lebensfähiges Geschäftsmodell."
Quelle:The Verge, WTMJ4 Milwaukee