Ein neuer Player steigt in die Autobranche ein. Mit viel Geld, politischer Unterstützung und ungeheurem Produktions-Knowhow – aber ohne Kfz-Expertise. Mit Peter Fintl, Director Technology and Innovation bei Capgemini Engineering, sprachen wir über die Chancen von Foxxconn und die Herausforderungen für die etablierten Automarken.
Herr Fintl, Foxconn ist ein weitgehend unbekannter Elektronik-Gigant. Die meisten erinnern sich nur an Skandale in der Apple-Fertigung. Doch streckt Foxconn seine Fühler in eine andere Branche aus, die Mobilität. Wie sind da die Chancen?
Gigant trifft es. Foxconn macht weltweit über 215 Milliarden Dollar Umsatz. Vom iPhone bis zu Spielekonsolen, das alles kommt aus Foxconn-Fabriken. Die Produktion findet vorwiegend in Taiwan, China, Indien, Vietnam, statt, wo günstige Standortkosten mit durchaus hoher Fertigungsqualität kombiniert werden. Den Konsumenten sagt Foxconn wenig, der eigentliche Name Hon Hai Precision Industry Co. noch weniger.
Kein Wunder, die stellen nichts unter eigenem Namen her. Im Elektronikmarkt kann man lange nach Foxconn suchen.
Und doch ist Foxconn der weltweit führende Hersteller oder Fertigungspartner für alles, was Informations-, Computer- oder Telekommunikationstechnik angeht. Die Marke finden Sie nicht, aber wenn Sie Ihren Elektronikfundus zu Hause anschauen, haben Sie eine ganz große Chance, dass diese Produkte in Werken von Foxconn gefertigt wurden oder aber zumindest Komponenten von Foxconn zugeliefert wurden. Aus bescheidenen Anfängen in Taiwan hat sich die Firma zu einer richtigen "Produktions-Krake" entwickelt und liefert Spitzentechnologie, in guter Qualität zu absolut konkurrenzfähigen Preisen.
In diesem Bereich ist Foxconn bereits der Größte, aber das scheint ja noch nicht ausreichend. Was kommt nun?
Richtig, wenn man jetzt schon der größte Hecht im Karpfenteich ist, fragt man sich natürlich, wo kann man weiter wachsen? Und einen Bereich, den die Foxconn-Manager identifiziert haben, ist die Mobilität. Da werden – wie überall bekannt – die Karten derzeit neu gemischt. Wir erleben den rasanten Übergang vom Verbrenner zu Elektro, dazu die Entwicklung zum vernetzten, zum automatisierten Fahrzeug – inklusive neuer Geschäftsmodelle. Am Beispiel Tesla hat man gesehen, wie auch ein Neueinsteiger die Branche durcheinanderwirbeln kann. Auch dadurch, weil man als Start-up Dinge anders macht, sicher schneller macht und weil die Käufer heute statt auf die PS und Zylinderzahl stärker auf Vernetzung, Reichweite und Passagier-Erlebnis gucken.
In der Tat. Alle schauen auf den Antrieb, doch der Wandel des Erlebnisses vom Fahrgefühl hin zu Vernetzung, Information und Entertainment wird meist unterschätzt und hier dürfte Foxconn perfekt aufgestellt sein.
Und diesen Markt der Mobilität hat Foxconn unbemerkt von den meisten Beobachtern seit ein paar Jahren erkundet. 2019 wurde begonnen, die Fühler in Richtung Auto-Fertigung auszustrecken. Sie haben die "Mobility in Harmony" Initiative gegründet. Das kennt bei uns in Europa eigentlich fast niemand, aber das ist ein Zusammenschluss von Unternehmen – vornehmlich aus Asien, die eine Fahrzeugplattform für elektrische, vernetzte und automatisierte Automobile entwickeln wollen. Das ist die technische Blaupause, auf der man dann später Fahrzeuge aufbauen kann.

Es geht also nicht primär darum, eine Foxconn-Automarke zu etablieren?
Zuerst wird eine Fahrzeugplattform oder Plattformtechnologie zur Verfügung gestellt. Das ist ein Baukasten, auf dem Kunden dann ein konkretes Projekt realisieren können. Zweitens würde Foxconn dafür durch seine Tochter Foxtron auch Entwicklungsdienstleistungen anbieten. So wie es Magna oder andere Ingenieurdienstleister für die Autoindustrie bereits machen. Und drittens ist Foxconn in die Hardwarefertigung eingestiegen, hat sich zum Beispiel an einem Elektromotorenhersteller in China beteiligt.
Das ist ein umfassendes Projekt.
Und noch nicht alles. Viertens will man auch der Fertigungspartner sein. Das heißt, ein etablierter Hersteller oder ein Newcomer kann sich bei Foxconn nicht nur ein Auto entwickeln, sondern auch gleich bauen lassen.
Also ich habe eine Vision und bis zum fertigen Produkt begleitet mich Foxconn. Macht sich Foxconn damit nicht sehr viele Feinde?
Natürlich tun sich da eine Menge potenter Wettbewerber auf. Nicht nur die Auftragsfertiger, auch die Zulieferer und Entwicklungspartner müssen die Foxconn-Pläne ernst nehmen. So ein Einstieg in eine neue Branche braucht viele Ressourcen. Aber man muss sich daran erinnern, wie groß Foxconn tatsächlich ist und welchen strukturellen Vorteil sie haben. Etablierte Autobauer möchten, ganz salopp gesagt, aus der "Verbrenner-Hölle" in den "Elektro-Himmel" aufsteigen. Dabei möchte die iPhone-Firma Foxconn ein helfender Partner der Industrie werden.
Die Autowelt wollten schon viele erobern, doch im Handstreich ist es nur Tesla gelungen. Auch die Südkoreaner haben lange gebraucht, bis sie Erfolg hatten. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Mit Foxconn tritt nicht ein unterfinanziertes Start-up mit wolkigen Ideen zur Weltverbesserung an. Das ist eine andere Liga, das ist ein gewaltiger Industrie-Player. Foxconn hat nicht nur in enormes Wissen über komplexe, weltweite Produktionsprozesse angehäuft, der Konzern ist zudem sehr, sehr gut finanziert. Foxconn hat es immer geschafft, in einem knallharten Wettbewerb konsistent Gewinne zu erzielen. Und sie haben eine massive politische Unterstützung in Taiwan. Die Regierung hat sich entschlossen, auch in der Autoindustrie ein "Big Player" zu werden, und unterstützt das Projekt nach Kräften. Und natürlich ist es derzeit ein günstiger Zeitpunkt, auch weil es weltweit viele Elektro-Start-ups gibt, die Visionen haben, aber die Partner brauchen und auch die etablierten Hersteller suchen Möglichkeiten wieder effizient Nischen-Modelle auf die Straße zu bringen.
Wichtig ist auch die Erinnerung, dass Foxconn natürlich eine taiwanesische Firma ist, hier wird Foxconn sehr mit Mainland China verbunden.
Foxconn ist ein taiwanesischer Konzern und pflegt insofern beste Beziehungen auch zu amerikanischen Firmen. Andererseits nutzt Foxconn natürlich Mainland China als effiziente Produktionsbasis. Dort beschäftigt das Unternehmen fast eine Million Menschen, ist derzeit gar der größte private Arbeitgeber der Volksrepublik. Nun strebt Foxconn auch in der Fertigung eine stärkere Internationalisierung an, man geht aus dem ostasiatischen Raum Richtung Indien, Richtung Südamerika beziehungsweise jetzt mit einer Autofabrik in Ohio auch in die USA.
Gibt es da konkrete Zahlen für den Automarkt?
Foxconn will bis 2025 rund 5 Prozent des globalen Marktes für E-Fahrzeuge erobern. Dies würde Umsätze von circa 31 Milliarden US Dollar ausmachen: das ist schon eine Hausnummer. Und es ist in meinen Augen nicht ganz unrealistisch. Sie haben bereits ein paar Fertigungsaufträge für Fahrzeuge an der Hand und durch die Beteiligung an Lordstown Motors in den Vereinigten Staaten sowohl Technologie als auch ein Fabrik im Zugriff.
Dieser Strang ist aber noch nicht alles. Gemeinsam mit Nvidia will Foxconn auch am Rennen um das autonome Fahrzeug teilnehmen.
Foxconn hat mit Nvidia eine Partnerschaft für autonomes Fahren geschlossen. Das heißt, die schnellen Prozessoren und die Software kommen von Nvidia und dazu auch ein vordefiniertes Set an Sensoren. Bei den Sensoren greift man auch auf andere Zulieferer neben Nvidia zurück. Insgesamt möchte Foxconn hier vor allen Dingen sein Produktions-Know-how einbringen und diese Nvidia-basierten Steuergeräte effizient produzieren.
Dies ist übrigens nicht das erste Mal, dass Nvidia und Foxconn zusammenarbeiten. Bereits 2011 etwa gründeten Nvidia und Foxconn ein gemeinsames R&D Center in Tianjin, China. Später wurde in der dortigen Foxconn-Fabrik von Nvidia entwickelte Infotainment-Module für Fahrzeuge produziert.
Neben technischen Schwierigkeiten hat das autonome Fahrzeug ein Kostenproblem. Die volle Sensorausstattung etwa bei Waymo geht richtig ins Geld. Hat hier ein - sagen wir mal sehr kostenbewusster - Fertiger wie Foxconn Vorteile?
Bei den Radaren sind wir preislich in einem niedrigen dreistelligen Euro-Bereich und da gibt es noch einige Rationalisierungsmöglichkeiten, auch durch neuartige Technologien, wie das Imaging Radar.
Die Lidar-Technologie ist bislang sehr teuer. Das hat schon in der Produktion einige tausend Euro gekostet. Und bei mehreren Sensoren läuft einem der Preis davon. Neue Entwicklungen wie etwa Solid-State-Lidar, ohne bewegliche Teile, können erheblich günstiger hergestellt werden. Andererseits versuchen die Hersteller mit weniger Lidar-Sensoren auszukommen. Der Trend geht hier zu einem über der Windschutzscheibe montierten "Top-Lidar". Bislang ist Foxconn auch hier auf Systeme von Zulieferern angewiesen.
Heutzutage kostet eine komplette Ausstattung mit Sensoren weit über 10.000 Euro. Für den Privatkunden und den Massenmarkt ist das zu teuer. Zu welchen Preis könnte Foxconn das anbieten? Kommt nun Das High-End-Sensor-Paket zum Discounterpreis?
Das wäre eine schöne Vorstellung, leider kann Foxconn hier auch nicht zaubern. Ein Mindestmaß an Sensorik, über die Kameras hinaus, ist nun einmal notwendig, um automatisiertes Fahren sicher darstellen zu können. Gerade das Beispiel des vermeintlichen Branchenprimus Tesla mit seiner "Camera only“ Strategie zeigt, wie groß die tatsächlichen Hürden sind – und wie leicht man in eine Sackgasse gerät.
Die übliche Strategie neue Technik zuerst sehr teuer und mit sehr guten Margen in der Oberklasse anzubieten und sie dann langsam in der Palette nach unten sickern zu lassen, würde nicht aufgehen. Wie könnten die Europäer reagieren?
Foxconn versucht, mit seinen Partnern in der "Mobility in Harmony" Initiative eine vollständige Fahrzeugplattform anzubieten. Damit möchte der Konzern die Skaleneffekte – und damit einhergehend die Kosten – gleich auf eine große Zahl von verschiedenen Modellen aufteilen. Das entspricht der Plattformstrategie der großen OEMs, nur hier auf mehrere Kunden verteilt. Die Positionierung von Foxconn als Zulieferer und Dienstleister stellt für die Autobauer ein verlockendes Angebot dar. Insofern wird es spannend, welche Hersteller auf die "Hon-Hai" Plattform aufspringen. Etwas anders sieht die Sache für die bisherigen Zulieferer aus. Einerseits will Foxconn deren Bauteile in seiner Plattform einsetzen, andererseits positioniert sich der Konzern – etwa bei den Elektromotoren – als harte Konkurrenz.