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Krieg in der Ukraine Biden gibt Kiew ATACMS-Raketen, die jeden Punkt auf der Krim angreifen können

Start einer ATACMS.
Start einer ATACMS.
© Us Army
Mit den taktischen Raketen vom Typ ATACMS bekommt Kiew eine zerstörerische Waffe, die Ziele tief im Hinterland der Front angreifen kann. Großer Vorteil der ballistischen Rakete ist, dass sie von einem LKW eingesetzt wird und keinen Kampfjet für den Start benötigt.

Anmerkung: Entgegen der vorigen Ankündigungen stellt sich heute (22.09) heraus, dass Kiew zumindest vorerst keine ATACMS erhält.

Bereits sehr lange Zeit bittet die Ukraine die Verbündeten um die Lieferung von Waffen größerer Reichweite, um so Ziele im Hinterland der Russen zu attackieren. Weil diese Waffen auch Ziele im ursprünglich russischen Staatsgebiet erreichen können, reagierten die Verbündeten bislang verhalten. Geliefert wurden bisher nur Systeme, die von einem Jet transportiert werden müssen, die Storm Shadow aus Großbritannien und das französische Pendant. Die Bundesrepublik zögert den Marschflugkörper Taurus zu liefern, hier ist die Reichweite mit über 500 Kilometern höher als bei der Storm Shadow (300 Kilometer).

Dem Sender ABC zufolge hat der US-Präsident bereits zugestimmt, Kiew Raketen vom Typ ATACMS zu liefern. Der Zeitpunkt, wann diese Waffen in der Ukraine sein werden, ist bisher nicht bekannt. Das bodengestützte System hat eine Reichweite von 300 Kilometern und könnte damit jedes Ziel auf der russisch annektierten Krim erreichen. Inklusive des Kriegshafens von Sewastopol und Putins Prestigebrücke.

ATACMS ist eine taktische, ballistische Rakete 

Die Buchstaben ATACMS stehen für das "Army Tactical Missile System" – Taktisches Raketensystem der Armee. Das "S" steht in den US-Abkürzungen nicht für den Plural, sondern für das System. "Taktisch" ist ein Hinweis auf die Reichweite. Sie liegt unterhalb der Schwelle für eine Mittelstreckenrakete, deren Stationierung bis vor Kurzem von einem entsprechenden Abkommen ausgeschlossen wurde. Die Reichweite von MGM-140 ATACMS beträgt etwa 300 Kilometer. Das russische Gegenstück wäre die Iskander-Familie, deren Raketen aber meist eine etwas größere Reichweite und Nutzlast haben.

Die MGM-140 ist eine ballistische Rakete und kein Marschflugkörper. Marschflugkörper benutzen meist eine niedrige Flughöhe und bewegen sich wie ein kleines Flugzeug. ATACMS ist eine "richtige" Rakete, sie steigt 50 Kilometer in die Höhe und stürzt dann wieder auf die Erde zurück. Ihre Bahn beschreibt die Form einer Parabel. Diese Raketen besitzen eine Steuerung, sodass sie im Endanflug ihr Ziel präzise treffen können. In den USA steht das System vor der Außerdienststellung, die Lieferung dürfte daher verschmerzbar sein. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Raketen von den M142-HIMARS-Fahrzeugen gestartet werden können, die bereits in der Ukraine im Einsatz sind. Anders als die bisherigen Raketen der Werfer ist die MGM-140 vier Meter lang und hat einen Durchmesser von 610 Millimetern. Sie wird von einer Box aus gestartet. Von außen gleicht die Box denen, mit denen die HIMARS-Werfer auch Raketen geringerer Reichweite verschießen, und die bereits in der Ukraine sind.

Wozu wäre die MGM-140 gut?

Mit der neuen Waffe könnte Kiew Ziele weit im Hinterland der Front angreifen und so die russische Versorgung behindern. Das können auch Missiles wie die "Storm Shadow" sein. Doch mit den MGM-140 müsste sich die russische Verteidigung auf zwei sehr unterschiedliche Bedrohungen einstellen, auf Missiles mit flacher Bahn und steil anfliegende Raketen.

Nicht jede Rakete trifft

Der Krieg zeigt, dass Fernwaffen jeder Art abgefangen werden können. Als diese Systeme entwickelt wurden, war es praktisch kaum möglich, sie in der Luft zu zerstören. Anders heute: Es wird zunehmend anspruchsvoller, wertvolle Ziele zu treffen und zu vernichten, weil ein guter Teil der Missiles und Raketen das Ziel nicht erreicht. Kiew kann also gar nicht genug Fernwaffen erhalten.

Einfache Logistik

Und dann hat die ATACMS einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie benötigt keinen Jet zum Start, sondern nur einen großen Allrad-Lkw. Der logistische Aufwand für einen HIMARS-Starter ist sehr viel kleiner als der, den ein Kampfjet verursacht. Dazu kann der Starter in jeder größeren Gewerbehalle versteckt werden und muss dann nur ein Stück auf der Straße fahren. Nachdem die Raketen abgefeuert wurden, kann er sich wieder verstecken. Ein Jet exponiert sich sehr viel mehr in der Flugphase und kann dann von anderen Jets oder Luftabwehrraketen angegriffen werden. Dazu benötigt er einen Flugplatz und wenn es auch nur eine improvisierte Bahn auf einem Autobahnabschnitt ist. Die Standorte der Jets sind daher viel leichter auszumachen und zu bekämpfen. 

Schwerer Gefechtskopf

Die meisten Raketen sind mit einem Gefechtskopf (WAU-23/B) für Clustermunition versehen, der über dem Ziel eine Wolke von Submunition freisetzt. Wegen der Streuung erreicht der 230 Kilogramm schwere Gefechtskopf einen sehr großen tödlichen Radius. Gegen Bunker kann ein spezieller Bunker-Buster eingesetzt werden.

Präzision, hohe Reichweite und die Vernichtungswirkung werden den Russen schwer zu schaffen machen. Einzig ist die Waffe allerdings nicht. Die Storm Shadow hat in etwa eine vergleichbare Reichweite, bei einem doppelt so schweren Gefechtskopf. Ihr Einsatz durch die Ukraine ist wichtig, hat den Krieg aber nicht entschieden. Zentraler Vorteil der ATACMS ist, wie oben erwähnt, dass der Einsatz von einem LKW aus weitaus einfacher ist, als der von einem Jet.

Moskau schläft nicht

Das Kriegsjahr 2023 hat gezeigt, dass auch die russische Seite nicht untätig ist. Während Biden die ATACMS freigegeben haben, berichten russische Blogger, dass es der russischen Seite gelungen sein soll, nun auch alte 1500 Kilogramm Bomben mit einem einfachen Umrüstsatz in gesteuerte Gleitbomben großer Reichweite und Präzision zu verwandeln. Bislang gab es diese Sets nur für 500 Kilogramm Bomben. Sie werden von einem Jet weit entfernt von der Front gestartet und segeln dann weiter und steuern ihr Ziel an. Das Auftauchen dieser Bomben ist wegen ihrer Vernichtungswirkung gegen befestigte Ziele ein großes Problem für die ukrainischen Streitkräfte. In der Schlacht von Bachmut wurden zu Festungen umgebaute Hochhäuser von ihnen eingeebnet.

Schon beim ersten Auftauchen wurde berichtet, dass die russische Seite daran arbeitet, immer schwerere Bomben umzurüsten. 1500 Kilogramm Bomben wie die FAB-1500 M54 wurden seit den 1950er Jahren in großen Stückzahlen hergestellt. Der primitive Umbausatz soll vergleichsweise sehr günstig sein. Neben der FAB-1500 haben die Russen noch Bomben von 3000 und sogar 9000 Kilogramm im Arsenal.

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