Zweiter Schweinfurt Raid Der Todesflug der "Fliegenden Festungen" wurde zum Schwarzen Donnerstag der US-Luftwaffe

Diese B-17 verlor durch einen Flaktreffer einen Teil des Flügels.
Diese B-17 verlor durch einen Flaktreffer einen Teil des Flügels.
© Commons
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs beherrschten die alliierten Luftflotten den Himmel über Deutschland. Doch 1943 war es noch nicht so weit. Beim zweiten Angriff auf Schweinfurt steckte die US-Luftwaffe ihre größte Niederlage ein.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs beherrschten die alliierten Luftflotten den Himmel über Deutschland. Eine Stadt nach der anderen wurde in Schutt und Asche gelegt, fast ungehindert von der deutschen Luftwaffe, die immer mehr ins Hintertreffen geriet. Doch 1943 war es noch nicht so weit. Heute können Experten auch schon in dieser Zeit die Vorboten der Niederlage erkennen, die alliierten Bomberbesatzung bemerkten davon nichts. Die Briten nutzen den Avro Lancaster als strategischen Bomber (Bomber Avro Lancaster – dieser Bomber verwandelte die deutschen Städte in ein Flammenmeer). Der viermotorige Bomber konnte eine gewaltige Last tragen, aber er war wenig widerstandsfähig. Tagsüber hätte er gegen die deutschen Jäger keine Chance gehabt, er wurde in der Nacht eingesetzt. Doch nachts konnte man nur Städte angreifen, für kleinere Ziele wie Industrieanlagen waren die Abwürfe der Bomben zu ungenau.

Ein waffenstarrender Bomber

Den Tag mussten die Amerikaner übernehmen. Sie konnten die B-17 einsetzen. Der Bomber mit dem Spitznamen "Fliegenden Festung" war mit zehn schweren Maschinengewehren bewaffnet und darauf ausgerichtet, auch starke Beschädigungen zu überstehen (An der "Fliegenden Festung" B-17 biss sich Hitlers Luftwaffe die Zähne aus). Doch das nützte im Jahr 1943 wenig. Die Besatzungen der Bomber überlebten im Schnitt keine acht Einsätze. 24 Missionen mussten sie für eine "Tour" ableisten, bevor sie von der Luftfront abgezogen wurden. Damals gab es noch große Mengen deutscher Abfangjäger mit gut ausgebildeten Piloten. Dazu hatten die Deutschen begonnen, ihre Maschinen für die Jagd auf große Bomber umzurüsten. Anstelle der leichten Maschinengewehre, die zu Beginn des Krieges üblich waren, trugen sie nun Maschinenkanonen im Kaliber 20 Millimeter. Später kamen welche mit 30 Millimeter hinzu.

Der Einsatz der Bomber war ein Selbstmordkommando, viele der meist jungen Männer waren psychisch zerrüttet. Sie litten an nervösem Zittern, an Schlaflosigkeit – dem "Focke Wulf Fieber".  Doch diese Männer sollten die deutsche Rüstungsindustrie zerschlagen. Eines der wichtigsten Ziele war die Kugellager-Industrie in Schweinfurt. Die Produktion war stark zentralisiert und Kugellager wurden für alle größeren Rüstungsgüter benötigt.

Große Verluste schon beim ersten Versuch

Der erste Schweinfurt Raid Mitte August 1943 führte schon zu großen Verlusten, 60 US-Bomber und 552 Mann gingen verloren. Die Produktion brach ein, doch die Deutschen konnten die Schäden in den Fabriken reparieren. Also wurde ein zweiter Angriff für den 14. Oktober 1943 angeordnet. Teils wurde er von der Überlebenden des ersten Einsatzes geflogen, teils von neuen Besatzungen. Die Stimmung soll alles andere als euphorisch gewesen sein. Vier Tage vor dem Einsatz schrieb der medizinische Offizier der 381. Bomber Group, dass "die Moral die niedrigste ist, die jemals beobachtet wurde." Neuankömmlingen wurden geraten, ihre privaten Dinge erst gar nicht erst in die Spinde zu hängen. Sie sollten die persönlichen Dinge gleich wieder nach Hause schicken.

Bis aufs Äußerste beladen hoben die Maschinen von ihren Stützpunkten in Großbritannien ab. Aufstieg und Zusammenstellen einer Bomberflotte war eine schwierige Kunst. Die 291 schweren Bomber mussten so zusammengeführt werden, dass sie ihren Kurs in einem langen Strom absolvierten. Dieser Strom bestand aus einer Folge von einzelnen Bomberpulks. Die Maschinen flogen in engen Gruppen mit genauen Abständen, damit sie sich gegenseitig Feuerschutz geben konnten. Die Deutschen, die in so einen Pulk gerieten, sollten bekämpft werden, ohne dass die Geschosse den nächsten Bomber trafen.

Unzureichender Schutz durch Begleitjäger

Der Geleitschutz von eigenen Jägern des Typs P-47 Thunderbolt musste über Aachen abdrehen und die Bomber allein lassen. Später im Krieg konnten die USA die P-51 Mustang einsetzen. Die P-51 war weitaus kampfstärker, dazu hatte sie eine bessere Reichweite, die durch Abwurftanks noch gesteigert wurde. Doch bei diesem Einsatz gab es nur die schwerfälligen P-47, aus unerfindlichen Gründen wurden sie nicht Zusatztanks ausgestattet. Also mussten die Bomber die letzten 300 Kilometern zum Ziel allein zurücklegen.

Darauf hatten die Deutschen nur gewartet, nun konnten ihre Jagdgruppen die Bomber geordnet angreifen. Ohne Bedrohung durch den alliierten Jagdschutz brachten sich die deutschen Angriffsstaffeln in aller Ruhe in die beste Position und flogen dann geordnete Angriffe. Die leichten Jäger griffen von vorn an. Treffer in der Glaskuppel in der Nase der Maschine konnte die sonst so gut geschützte B-17 nicht wegstecken.

"Ihr Eröffnungszug was das Durchstoßen durch unsere Mitte", erklärte Missionskommandant Budd Peaslee später. "Die Jäger peitschen durch unsere Formation, unsere Annäherungsgeschwindigkeit lag bei über 750 Kilometern pro Stunde. Eine neue Gruppe von Deutschen ersetzt die erste, und dies wird fünfmal wiederholt. Sechs Formationen von Me-109 gehen auf uns los …. Ich kann die Maschinen auf meiner Seite sehen … ihre Wege werden im hellen Sonnenlicht durch feine, helle Rauchfahnen markiert, während sie kurze Salven abfeuern. Es ist ein koordinierter Angriff … ihr Timing ist perfekt, ihre Technik meisterhaft."

Mit schweren Raketen gegen die Bomber

Nach dem Angriff drehten die Deutschen in einer dramatisch anmutenden Schraube ab. So nutzen sie ihren Schwung optimal, als sie wendeten, um sich erneut vor die Bomber zu setzen. Neben den leichten und wendigen Me-109 und FW-190 brachten die Deutschen auch ihre zweimotorigen Nachtjäger heran. Die Ju-88 feuerte erstmals die "Werfer-Granate 21" ab. Eigentlich wurde die Rakete für den deutschen Raketenwerfer "21 cm Nebelwerfer" gebaut. Die Ju-88 konnte die schwere Waffe unter ihren Tragflächen tragen. Die Rakete wurde von hinten über den US-Bombern gestartet und explodierte dann mitten in einer Formation. Geschah das nahe an einem Bomber wurde er zerstört. Die eigentliche Wirkung lag aber darin, dass die Gewalt der Explosion die enge Formation der Bomber aufbrach. In dem Moment, in dem die Besatzungen damit beschäftigt waren, die Maschinen zu stabilisieren, Zusammenstöße zu verhindern und erneut eine geordnete Formation aufzubauen, griffen die deutschen Jäger an.

"Die Jäger waren unerbittlich. Es war einfach Mord", so erinnerte sich Carl Abele, der als Navigator auf einer B-17F diente. Schweinfurt war sein vierter Einsatz. "Wir haben einen Motor durch Flak und einen anderen durch Jäger verloren, aber der Propeller eines der Motoren konnte nicht in Segelstellung gebracht werden." Also drückte der Luftwiderstand des kaputten Motors die Maschine herunter. "Unser Pilot hielt sie in der Luft, während wir alle ausstiegen, dann kam er als Letzter heraus. Ich habe meinen Fallschirm nicht offen gesehen. Das Erste, woran ich mich erinnere, war, dass ich auf der Ladefläche eines Lastwagens auf dem Weg zum Kriegsgefangenenlager lag."

Tod beim Absprung

Aufgerissene Pulks und beschädigte Maschinen wurden gnadenlos verfolgt. Auf sich allein gestellt hatte ein einzelner Bomber trotz seiner zehn Maschinengewehre kaum eine Chance. Im Magazin "Stars and Stripes" beschrieb ein Überlebender 1943 den Absturz eines Bombers seiner Formation. "Eine B-17 unserer Frontgruppe, deren Treibstofftanks brannte, sackte etwa 200 m ab und kam unter unseren Hinterflügel und in dieser Position sprang die Besatzung ab. Vier kamen raus. Einer stieg aus dem Bug, öffnete seinen Fallschirm zu früh und verfehlte das Leitwerk nur um Haaresbreite. Einer konnte aus der linken mittleren MG-Luke herauskommen. Er öffnete seinen Fallschirm erst, als er eine sichere Distanz gewonnen hatte. Der Heckschütze ließ sich aus seiner Luke fallen, zog aber an der Leine, bevor er sich weit genug vom Flugzeug entfernt hatte. Sein Fallschirm öffnete sich sofort, passierte knapp das Leitwerk und versetzte ihm dabei einen so starken Ruck, dass er beide Schuhe verlor. Er hing bewegungslos im Gürtel, während die anderen sich nach dem Öffnen ihrer Fallschirme noch bewegten und Lebenszeichen von sich gaben. Die B-17 stürzte dann in einer flachen Spirale ab – ich konnte die Piloten nicht herauskommen sehen. Ich sah nur, wie ihr rechter Flügel tausend Fuß unter uns in einem gelben Flammenmeer versank."

Auf dem Rückweg sahen sich die Überlebenden noch schwereren Angriffen gegenüber. Ein Pilot erinnerte sich: "Noch nie hatten wir so viele Deutsche auf einmal am Himmel gesehen und noch nie hatten ihre Angriffe so gut koordiniert gewirkt … Wohin man auch in den Himmel schaute, griffen Deutsche an, und B-17-Flugzeuge rauchten, brannten und drehten ab."

Der Anfang vom Ende - für die Luftwaffe 

Insgesamt verloren die USA 77 Bomber vom Typ B-17, 121 wurden mehr oder weniger stark beschädigt. Die achte Luftflotte war danach kaum einsatzfähig. In einzelnen Gruppen war das Ergebnis noch erschütternder.  Die 305. Bomb Group startete mit 16 Bombern, innerhalb wenige Minuten wurden 13 davon abgeschossen. Die Amerikaner hörten auf, Einsätze ohne Jagdschutz zu fliegen. Und bald zeigte sich, dass die Alliierten die Verluste ersetzen konnten, die Deutschen aber nicht.

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