Kernfusion Großbritannien will schon in den 2030ern Strom aus der Fusion nutzen

Die bestehende Anlage von Tokamak Energy
Die bestehende Anlage von Tokamak Energy
© Tokamak Energy / PR
Die Kernfusion verspricht unendliche und saubere Energie. London macht Druck. Gemeinsam mit der Firma Tokamak Energy sollen schon bald kommerzielle Kleinreaktoren gebaut werden. Hinter der Firma steckt ein deutscher Milliardär.

Die Bundesregierung steht jeder Form von Kernenergie skeptisch gegenüber, Großbritannien setzt darauf. Im ganzen Land sollen kleinere Atomkraftwerke einer neuen Generation errichtet werden und zusätzlich wird an der Kernfusion – dem "Heiligen Gral" der Energiegewinnung – gearbeitet. Das Besondere dabei: Es sind nicht allein privatwirtschaftlichen Firmen am Start, sondern auch der Staat. Darunter Tokamak Energy. Die Firma will den Prototypen eines Reaktors im Fusionszentrum der britischen Atomenergiebehörde in der Nähe von Oxford entwickeln und dabei auf das Know-how und die Einrichtungen der Behörde zurückgreifen.

Eine weitere Besonderheit: Dort soll das Tokamak-Design genutzt werden. In einem donutförmigen Ring soll Wasserstoff so weit erhitzt und komprimiert werden, bis Bedingungen wie auf der Sonne herrschen. Alle großen Forschungsreaktoren arbeiten nach diesem Prinzip, zum Beispiel auch der ITER in Südfrankreich. Die theoretischen Grundlagen eines Tokamak-Reaktors wurden schon in den frühen 1950er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern dargelegt. So elegant ihr Entwurf in der Theorie auch war, so schwierig gestaltet sich die praktische Umsetzung. Nach Milliarden von Kosten und 70 Jahren Entwicklung gibt es nach wie vor keinen derartigen Reaktor, der dauerhaft Energie erzeugt.

Viele Start-ups wie First Light Fusion aus Oxford wählen daher einen ganz anderen Weg zur Energiegewinnung. Statt eines kontinuierlichen Prozesses wie auf der Sonne, streben sie eine Folge von Mini-Explosionen an (Oxford-Start-up will in nur zehn Jahren Billigstrom mit einem Fusionsreaktor produzieren).

Der Donut schrumpft

Doch Tokamak Energy bleibt dem Donut treu. Besondere Magneten sollen das Plasma in Schach halten. Sie vertragen sehr hohe Temperaturen, dadurch soll der Reaktor kleiner und leistungsfähiger sein. Die Donut-Form schrumpft dabei von einem Ring zu einer Art Kugel mit einer Achse zusammen. Die Magneten der Firma nutzen den Effekt der Supraleitung aus. Die jüngsten Fortschritte aller Tokamak-Anlagen basieren auf derartigen Elektromagneten.

Im März 2022 erreichte die Anlage der Firma 100 Millionen Grad Celsius, das wäre ausreichend für eine Fusion. In diesem Jahr gab Tokamak bekannt, dass es einen ersten Satz von Hochtemperatur-Supraleiter Magneten der neuen Generation gebaut hat. Chris Kelsall, der Chef von Tokamak Energy, sagte: "Unser nächstes Gerät, ST80-HTS, zielt darauf ab, wichtige technische Lösungen zu validieren, die erforderlich sind, um die kommerzielle Fusion Wirklichkeit werden zu lassen, und wird unsere Weltklasse-Magnettechnologie in großem Maßstab präsentieren." Dieses Gerät soll bereits 2026 arbeiten. Der Zeitplan ist anspruchsvoll. Diese Erkenntnisse sollen in eine Pilotanlage fließen mit einer Nettoleistung von bis zu 200 Megawatt. Mitte der 2030er Jahre soll der Bau kommerzieller Reaktoren beginnen.

Kernfusion: Das Ergebnis ist offen

Die Fusionstechnik ist umstritten. Der Name der "Heilige Gral" hat tatsächlich eine Doppelbedeutung. Er verheißt ewiges Leben – hier ewige Energie. Viele waren aber auf der Suche nach dem Gral, nur gefunden wurde er nie. In der letzten Zeit wurden in der Fusionstechnik große Durchbrüche erzielt, etwa als es in den USA erstmals gelang, tatsächlich mehr Energie freizusetzen, als man zuvor in den Prozess gesteckt hat (Erstmals mehr Energie erzeugt als verbraucht). Doch sind das bislang alles nur große Laborversuche. Erst die nächste Generation wie der ST80-HTS wird tatsächlich zeigen, ob man auf diesem Weg eine kommerzielle Fusion erreichen kann.

Geld aus der "Capri Sonne"

Andere Kritiker meinen, für den Klimawandel käme die Technik zu spät, die Ablösung von fossilen Brennstoffe müsse mit anderen Techniken gelingen.Dieser Einwand ist insofern richtig, da man nicht einfach abwarten und hoffen kann, die Fusion werde schon gelingen. Doch sollten sich die Pläne wie die von Tokamak Energy erfüllen, werden diese Reaktoren in der weltweiten Energieerzeugung ab 2040 eine gewichtige Rolle spielen. Die deutsche Regierung nimmt an diesem Rennen nicht teil. Doch hinter Tokamak Energy steckt ein Deutscher. Der in der Schweiz lebende Milliardär Hans-Peter Wild hat 67 Millionen Pfund in die Firma gesteckt. Von Wilds zahlreichen Aktivitäten ist die Marke Capri-Sonne am bekanntesten.

PRODUKTE & TIPPS