Krieg in der Ukraine Starlink – wie Putins Soldaten Musks Satellitensystem lahmlegen

Päkchen von Elon - russischer Kämpfer posiert mit dem Starlinksystem    
Päkchen von Elon - russischer Kämpfer posiert mit dem Starlinksystem 
 
© Telegram
Seit Februar tauchen Starlink-Terminals bei den Russen auf. Sie lähmen den ukrainischen Datentransfer, Kiews Truppen werden blind und taub. Eine Lösung ist kompliziert, auch weil Kiew Elon Musk nicht provozieren darf.

Ohne Starlink läuft für die Ukraine nichts an der Front. Die mobilen Systeme stellen überall eine Verbindung her, über die Satelliten des Milliardärs Musk koordinieren die Ukrainer ihre Artillerie und die Drohnen. Auch entlegene Posten können praktisch in Echtzeit mit den Kommandozentralen kommunizieren. Die Wasserdrohnen, die Putins Flotte aus dem Meer verjagt haben, tragen die auffälligen Antennen auf dem Deck.

Nun schlägt Kiew Alarm. Denn es sieht aus, als würde die Ukraine seinen Vorsprung bei der Kommunikationstechnik verlieren, denn die Russen haben einen Weg gefunden, das System zu nutzen. Oder zumindest für Kiew unbrauchbar zu machen. Eine Neuigkeit ist das nicht. Auch der stern berichtete schon im Februar, dass das System von russischer Seite genutzt wird (Russen haben einen Weg gefunden, das Starlink-System in Awdijiwka zu stören.). Damals wurden Videos und Fotos von den Geräten im Einsatz gezeigt. Dazu führten die Russen stolz vor, wie sie ganze Paletten auspackten. Nun gibt es Hinweise darauf, wie Russland die Störung systematisiert.

Die westlichen Sanktionen erweisen sich offenbar als wirkungslos. Starlink ist zwar in Russland nicht erhältlich, aber Starlink ist ein Jedermannsprodukt wie ein Fernseher. An jedem Ort der Welt garantiert es Internetzugang, entsprechend beliebt ist es in Flächenländern, in dem es eben nicht überall Anschluss gibt. In Deutschland kostet das System derzeit 50 Euro, dafür gibt es eine unlimitierte Datenflatrate, die etwa 50 bis 200 Mbit/s im Downstream liefert. Preislich ist Starlink damit schon jetzt gleichauf mit einem DSL-Anschluss. Es ist kein Geheimnis, dass Musk in einen Preiswettbewerb mit anderen Anbietern treten will, um so Kunden zu gewinnen, die derzeit DSL nutzen. Mit anderen Worten: Starlink ist ein Massenprodukt und findet seinen Weg zu den russischen Streitkräften.

Russen lähmen das Netz 

Wie genau die Russen das System nutzen, ist unklar. Kiew glaubt, dass Russland die eigene Kommunikation darüber abwickeln will. Daneben besteht die Befürchtung, dass die Russen die ukrainischen Kanäle hacken könnten. Als sicher kann gelten, dass die Russen mit riesigen Datentransfers das System regional überlasten und so die ukrainische Kommunikation stören. Ein Soldat sagte zu CNN, dass die Probleme in den letzten drei Wochen begonnen hätten. "Wir bemerkten eine schlechte Verbindungsqualität. Es bricht ständig ab und muss neu gestartet werden, damit es ordnungsgemäß funktioniert. Doch dann nimmt die Geschwindigkeit ab und die Verbindung bricht wieder ab."

Kiew arbeitet daran, das Problem zu lösen. Diskret, denn es kann nicht in Kiews Interesse sein, Elon Musk zu brüskieren oder öffentlich unter Druck zu setzen. Der hatte schon bei anderen Fällen angedeutet, dass er seine Unterstützung der Ukraine auch einstellen könnte. Zumal 2024 das alte Problem der Finanzierung der Satelliten wieder auftauchen kann, nämlich dann, wenn das Pentagon keine neuen Mittel bewilligt bekommt. Erst vor Kurzem verkündete Musk, dass Kiew den Krieg seiner Meinung nach verloren hat.

Wem gehört welches Terminal?

Der Analyst Oleg Kutkov schildert das Problem so: Starlink könnte die Nutzung russischer Terminals behindern, aber die Firma weiß nicht, welche Terminals im Frontgebiet ukrainisch oder russisch sind. Es soll bis zu 15 oder 20 Kilometer hinter der Front noch funktionieren. Beide Seiten nutzen Systeme, die von Crowdfundern in Drittstaaten gekauft wurden. "Das Problem besteht darin, den tatsächlichen Inhaber des Kontos zu identifizieren. Es könnte sein, dass es an einem Standort zwei Terminals gibt, die beide von Polen (gekauft) wurden, und eines für die ukrainische Seite und eines für die russische Seite arbeitet. Und SpaceX weiß einfach nicht, wen sie blockieren sollen“, sagte er. Kutkov lässt eine naheliegende Vermutung aus. Kauf und Bezahlung der russischen Terminals könnten auch über ukrainische Konten abgewickelt werden.

Die Ukrainer benutzen laut eigenen Angaben 42.000 Starlink-Terminals. Ein Ausweg wäre eine "White List" der "Kiew treuen Terminals", nur sie würde man im Gebiet der Ukraine freischalten, andere blockieren. Doch dazu müsste Kiew zunächst eine Liste der Seriennummern erstellen. Und das wird nicht leicht. Die meisten Terminals gehören offiziell gar nicht den Streitkräften oder staatlichen Einrichtungen. Die Einheiten unterscheiden zwischen der staatlichen Ausrüstung und ihrer eigenen. Privat beschaffte Terminals, Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte werden gehütet, über sie kann die Zentrale nicht verfügen. Wird die Truppe verlegt, nimmt sie das eigene Gut in aller Regel mit, etwa auch die Stromversorgung.

Krieg gefährdet das Geschäft 

Derzeit kann jeder ein Terminal kaufen, dazu benötigt man nur eine funktionsfähige Abbuchungsmöglichkeit und schon kann man lossurfen. Sollte der Vertrieb stark überwacht werden, weil jeder Kunde unter den Verdacht gestellt wird, ein Putinhelfer zu sein, würde der Ukrainekrieg das eigentliche Geschäftsmodell der Firma gefährden. Nebenbei arbeitet China mit Hochdruck an einem eigenen System. Peking will verhindern, dass eine Privatfirma aus den USA alle Plätze im erdnahen Orbit besetzt. Doch derzeit gibt es so ein System aus China noch nicht.

Quelle: CNN, WSJ

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