Für viele sind sie das reinste Gift: hochverarbeitete Lebensmittel. Und tatsächlich deuten viele Studien darauf hin, dass sie der Gesundheit abträglich sein können. Allerdings denken die meisten bei industriell hergestellten Lebensmitteln an durch Cola kariös gewordene Zähne und zu dicke Kinder, die sich mit Nuggets vollstopfen, nicht aber an die vermeintlich gesunden pflanzlichen Alternativen für Fleisch, Käse oder Milch und schon gar nicht ans Vollkornbrot. Zu Recht?
In die Kategorie der stark verarbeiteten Lebensmittel und Getränke (ultra-processed foods) zählen all jene, bei denen in der Verarbeitung der Rohstoffe viele Arbeitsschritte notwendig sind. Zudem enthalten sie laut Bundeszentrum für Ernährung "in der Regel reichlich Zusatzstoffe, Energie (Kalorien), Speisesalz, gesättigte Fette und Zucker, aber wenig Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe". Diese Zusatzstoffe werden unter anderem zugegeben, um das Produkt haltbarer, schmackhafter oder optisch attraktiver zu machen.
Hochverarbeitete Lebensmittel können zum Gesundheitsrisiko werden
Typische Produkte sind Margarine, Würstchen, frittierte Snacks, Brotaufstriche, Fertiggerichte, Eiscreme, Schokoriegel, Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure sowie pflanzliche Ersatzprodukte. Oder anders ausgedrückt: viele. Schon vor rund 20 Jahren stammte etwa die Hälfte der Energieaufnahme von Erwachsenen in Deutschland Berechnungen zufolge aus stark verarbeiteten Lebensmitteln.
Gleichzeitig mehren sich die Hinweise, dass vor allem ein hoher Konsum solcher Produkte zum Gesundheitsrisiko werden kann. Die meisten Informationen diesbezüglich stammen aus Beobachtungsstudien. In einer Überblicksstudie, die im Februar 2024 veröffentlicht wurde, ist von 32 Gesundheitsproblemen die Rede, die mit hochverarbeiteten Lebensmitteln in Verbindung gebracht werden konnten, darunter Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2 und psychische Erkrankungen wie Depressionen.
Kritik an hochverarbeiteten Lebensmitteln gibt es genug. Stichhaltige Belege hingegen gibt es noch wenige. Die Forschenden bemängeln unter anderem den geringen Nährwert, aber auch die Bildung von potenziell toxischen Verbindungen. "Ein weiterer Punkt ist, dass eine hohe Aufnahme von Zusatzstoffen wie Emulgatoren und künstlichen Süßstoffen Entzündungen im Körper fördern soll", so das Bundeszentrum für Ernährung. Außerdem haben hochverarbeitete Lebensmittel eine Art Suchtfaktor, was mitunter an der Kombination aus Kohlenhydraten, Fetten, Zucker und Salz liegt und zu übermäßigem Verzehr verleitet. Man kennt das Phänomen beispielsweise von Chips.
Woran erkennt man hochverarbeitete Lebensmittel?
Woran genau erkennt man, was ein hochverarbeitetes Lebensmittel ist und was nicht? Eine einfache Erklärung hat Brenda Davis, Professorin für Ernährung an der Virginia Tech, der "New York Times" gegeben. Sie sagt: "Wenn Sie auf der Zutatenliste Dinge finden, die Sie in der heimischen Küche nicht verwenden würden, handelt es sich wahrscheinlich um ein hochverarbeitetes Lebensmittel.“
Aber nicht jedes dieser Lebensmittel ist in Bezug auf Gesundheitsrisiken gleich zu betrachten. Es gibt Unterschiede. Das zeigen die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie, die zwischen 1986 und 2018 in den USA durchgeführt wurde und an der mehr als 100.000 Menschen teilnahmen. Dabei zeigte sich, dass die Menschen, die am meisten Hochverarbeitetes zu sich nahmen, ein um vier Prozent erhöhtes Sterberisiko aufwiesen. Allerdings passe diese Korrelation nicht zu allen stark verarbeiteten Produkten, sondern vor allem zu einer Untergruppe, wie der Hauptautor der Studie, Mingyang Song gegenüber "CNN" erklärte. "Darunter verarbeitetes Fleisch und zuckergesüßte oder künstlich gesüßte Getränke", so Song. Er empfiehlt solche Lebensmittel zu meiden oder den Verzehr zumindest einzuschränken.
Nicht jedes hochverarbeitete Lebensmittel ist mit Vorsicht zu genießen
Der außerordentlicher Professor für klinische Epidemiologie und Ernährung an der TH Chan School of Public Health in Harvard hält allerdings nichts davon, alle stark verarbeiteten Lebensmittel zu verteufeln: "Getreide und Vollkornbrot zum Beispiel gelten auch als ultraverarbeitete Lebensmittel, aber sie enthalten verschiedene nützliche Nährstoffe wie Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe."
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen rät, den Verzehr von stark verarbeiteten Produkten zu beschränken. Auch Professor Mingyang Song hält das für ausreichend. Seiner Meinung nach sei der ganzheitliche Blick auf eine gesunde Ernährung ausschlaggebend. Er sagt: "Wenn die Menschen sich generell gesund ernähren, brauchen sie meiner Meinung nach keine Angst zu haben oder auszuflippen."
Die meisten Erkenntnisse bezüglich hochverarbeiteten Lebensmitteln und Gesundheit stammen aus Beobachtungsstudien. Diese sind aufgrund von Teilnehmergrößen und der Beobachtungsdauer als aussagekräftig zu werten. Zu beachten ist allerdings, dass diese Studien nur Zusammenhänge aufzeigen. Sie beweisen aber nicht, dass die hochverarbeiteten Lebensmittel tatsächlich auch die Ursache für die beobachteten Gesundheitsprobleme sind.