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Fleisch-Sommelier Ronny Paulusch "Gutes Fleisch kann sich jeder leisten, das ist keine Frage des Geldes"

Fleisch-Sommelier Ronny Paulusch bezeichnet sich als Botschafter für gutes Fleisch
Fleisch-Sommelier Ronny Paulusch bezeichnet sich als Botschafter für gutes Fleisch
© Ronny Paulusch
Fleisch-Sommelier Ronny Paulusch plädiert dafür, zum Sonntagsbraten zurückzukehren. Der stern hat mit ihm über gutes Fleisch gesprochen, und wer es in der Hand hat, dass weniger Fleisch aus Massentierhaltung auf dem Teller liegt.

Herr Paulusch, im Restaurant berät der Sommelier die Gäste bei der Auswahl der Weine zu den einzelnen Gängen. Wie verhält es sich mit einem Fleisch-Sommelier?

Er ist ein Botschafter für gutes Fleisch, der genauso berät und sagt, welches Fleisch am besten ist oder am ehesten zum persönlichen Geschmack passt.

Wo kann man denn sowas lernen?

Ich wurde in Graz zum Diplom-Fleisch-Sommelier ausgebildet. Das dauert fünf Monate. Dazu gehören drei Monate Präsenzunterricht, ein Prüfungsblock, mehrere Exkursionen und eine Diplomarbeit.

Und dann kann man über Fleisch reden?

Und nicht nur darüber. Die Ausbildung beginnt mit dem Hygienebereich und der Tiergesundheit. Man lernt alles über die verschiedenen Rassen und deren Aufzucht. Dann geht's weiter mit den klassischen Fleischstücken und den Fleischercuts, immer der Nose-to-tail-Philosophie folgend. Schließlich folgt die Verarbeitung und die Veredelung von Fleisch wie zum Beispiel Wurst, Schinken, regionale und auch internationale Spezialitäten. 

So ein Diplom macht sich gut an der Wand. Aber was macht man damit praktisch?

Man kann in die Gastronomie gehen - entweder wie ich hinter den Kulissen die Gastronomen beraten, wie sie beispielsweise ihre Menüfolgen aufeinander aufbauen, welche Fleischsorten am besten harmonieren. Oder aber man arbeitet im Restaurant und erklärt dem Gast, welches Fleisch verfügbar ist, wie lange es gereift ist, welche Unterschiede es gibt. Und natürlich kann man auch in die Agrarwirtschaft und Bauern beraten, welche Tiere sich zur Zucht oder Kreuzung eignen.

Tiere aus Massentierhaltung würden Sie per se eher nicht empfehlen?

Nein. Der Sommelier achtet darauf, dass die Qualität nachverfolgbar ist – von der Geburt über die Aufzucht bis zur Schlachtung. Schließlich muss man ja wissen, was man erzählt.

Sie sind eine Art Vermittler.

Genau. Zwischen Erzeuger, Produzent oder Verarbeiter und Endverbraucher.

Bislang war das Diplom des Fleisch-Sommeliers nur Metzgern vorbehalten. Sie sind kein Metzger. Wie wichtig ist Ihnen die Ausbildung als Fleisch-Connoisseur?

Sehr wichtig. Es bringt nämlich nichts, dass dieses Wissen nur dem Metzgermeister vermittelt wird, aber seinem Verkäufer nicht.

Vor allem in Zeiten des Metzgersterbens.

Das stimmt. Der Fleisch-Sommelier-Kurs wurde ins Leben gerufen, um zu verhindern, dass das alte Wissen ausstirbt. Immer mehr Metzger machen zu. Also sehe ich mich als Botschafter in Sachen gutes Fleisch.

Also eine Art Missionar?

Ja, irgendwie schon. Wir betreiben Missionsarbeit und versuchen die Verbraucher und auch Erzeuger davon zu überzeugen, weg von der Massentierhaltung zu kommen. Man ist es seinen Kindern, seinen Mitmenschen und den Tieren schuldig.

In deutschen Discountern wird meist nur Fleisch aus Massentierhaltung für viel zu wenig Geld verramscht. Warum kaufen die Verbraucher das?

Wegen der Geiz-ist-geil-Mentalität. Es muss nicht jeden Tag das Schnitzel auf dem Teller landen. Lieber zweimal gutes Fleisch, dazwischen vegetarisch essen oder auch mal Fisch. Man sollte wieder zum Prinzip Sonntagsbraten zurückkehren. Fleisch sollte etwas Besonderes sein. 

Was ist denn gutes Fleisch?

Gutes Fleisch kommt von Tieren, die artgerecht gehalten wurden. Die Tiere sollten soviel wie möglich draußen sein, der Bauer muss richtig füttern. Der Weg zum Schlachthaus sollte stressfrei sein. Und auch in der Zerlegung gibt es zu beachten, dass man wieder die Teilstücke schätzt, die zum Beispiel viel Fett enthalten. Dass man sich wieder bewusst macht, was zum Beispiel in Wurst verarbeitet wird: sei es zu viel Salz oder Nitrit. Fleisch muss nicht 3,99 Euro das Kilo kosten, es darf ruhig auch 13,99 das Kilo kosten.

Aber nicht jeder kann sich gutes, also hochpreisiges, Fleisch leisten.

Das stimmt nicht. Wenn man jeden Tag Fleisch für 3,99 Euro einkauft, gibt man in einer Woche rund 28 Euro aus. Und bereits für zehn Euro kann man hochqualitatives Fleisch kaufen. Dann kauft man das teure, aber bessere Fleisch eben nur zweimal die Woche. Gutes Fleisch kann sich jeder leisten, das ist keine Frage des Geldes.

Wo muss denn dieses Umdenken anfangen: Beim Verbraucher, der Politik oder den Bauern?

Beim Verbraucher, der sich zu lange hat blenden lassen, von der Geiz-ist-geil-Werbung. Letztendlich entscheidet der Verbraucher an der Kasse über das, was im Supermarktregal angeboten wird. Wenn der Verbraucher das Fleisch aus Massentierhaltung nicht kaufen würde, würde dieses aus den Supermärkten verschwinden. Oder aber der Verbraucher fragt gezielt nach der Herkunft des Fleischs. Dann regelt Angebot und Nachfrage den Preis. 

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