Rhabarber Herber Charme

Wie wir aus guter Quelle erfahren, will Gerhard Schröder bei Koalitionsrunden künftig Rhabarbergerichte reichen. Rhabarber ist rot-grün und soll den Partner gemahnen, dass grünes Blattwerk zwar nett und wolkig aussieht, der Kunde aber letztlich nur die roten Stangen wählt. Das soll die Grünen zähmen. Welche Gerichte Schröder serviert, wissen wir nicht. Wir machen ein paar Vorschläge

Seit er sich aus mongolischen Steppen in die Gärten Oxfords verirrte und dort Veredelung erfuhr, hat der Rhabarber seine barbarische Wurzel vergessen. Nur sein Name verrät noch den wilden Ursprung.

Der Rindfleischgier der Briten verdanken wir unseren Rhabarberkuchen. So einseitig fleischlich nährte sich Britannia im 18. Jahrhundert, dass Verstopfung dort Volkskrankheit war, eine Krankheit, der die "Beefeaters" durch Laxativa zu begegnen suchten. Ein erleichterndes Mittel war rheum officinalis, die Wurzel des Wildrhabarbers, der in den kalten Weiten der Mongolei bis nach Westsibirien wächst.

Das Mittel und seine Wirkung waren bekannt, seit die Griechen im Altertum an der Wolga Handel trieben, als der Fluss noch Rha hieß. Das griechische Wort für Wurzel war ebenfalls "rha". Die Wilden, die die Wurzel "rha" am Strome Rha lieferten, nannten die Griechen Barbaren.

Über den griechischen Lebensmittelhandel gelangte die Barbarenwurzel irgendwann auch in die Gärten des imperialen Roms. Doch dem Kind der Steppe behagte Italiens Wärme nicht. Als Zierpflanze kümmerte es dahin, medizinisch unbrauchbar.

So blieb Rhabarber über die Jahrtausende eine Handelsware, die von China ihren Weg überall dorthin fand, wo die Menschen nicht genügend Gemüse und Schrotbrot essen wollen - ins verstopfte Albion etwa. Die best abführende Ware kam aus dem Nordwesten Chinas. Die Chinesen wussten um ihren Schatz, überschätzten ihn aber, als der kaiserliche Gesandte Lin Zexu den Opiumkrieg 1839 zu verhindern suchte: Er drohte den Briten mit einem Lieferstopp für Tee und Abführ-Rhabarber.

Die Briten reagierten hartleibig. Tee bauten sie längst in Indien an, und mit Medizinal-Rhabarber hatte inzwischen ein Apotheker namens Hayward Fortschritte gemacht. Er zog ihn seit 1777 in Oxfordshire und brachte ihn über türkisch gekleidete Männer als "echten Rhabarber" geschmeidig unters Volk.

Etwa zur gleichen Zeit entdeckten die Briten, in deren Land man essen muss, was kommt, den Rhabarber als Nahrungsmittel. In die Kochbücher gelangte er allerdings erst im frühen 19. Jahrhundert. Dass dies so spät und gerade in England geschah, liegt an seiner Säure.

Ohne Zucker ist Rhabarber kaum genießbar. In England mit seinen Zuckerrohr-Kolonien war der Süßstoff erschwinglich. Auf dem Kontinent wurde er erst preiswert, als die Zuckerrübe entdeckt und Zucker zur Massennahrung wurde (erste Fabrik 1802 in Schlesien). 1826 erreichte er schließlich Brüssel, 1880 Düsseldorf, 1894 Dessau.

Rhabarber ist eine ausladende breitblättrige Pflanze, von der nur der saftige Stiel gegessen wird. Die Wurzel wird heute gar nicht mehr beachtet, die Blätter sind durch ihren hohen Anteil an Oxalsäure giftig. Für eine letale Dosis müsste ein Ewachsener 5 Kilo Blätter essen, was ohne ständiges Übergeben nicht geht und also unmöglich ist. Treibhaus-Rhabarber gibt es ab Dezember, Freilandware von Mai bis August.

Man kennt ganz grob drei Sorten: grünschalig-grünfleischigen (sehr sauer), rotschalig-grünfleischigen (sauer) und rotschalig-rotfleischigen (säuerlich mit Himbeeraroma). Rhabarber harmoniert mit Ingwer, Zitrusfrüchten und Zimt, mit Sahne, Joghurt und Vanillesauce. Klassisch ist die Kombination mit Erdbeeren.

Rhabarber gart schnell. Achten Sie beim Kauf auf festfleischige, knackige, saftige Stiele. Rhabarber hält sich in der Null-Grad-Zone des Kühlschranks lange, doch sollte er wegen des schwindenden Vitamingehalts rasch verzehrt werden.

Westeuropäer verwenden Rhabarber nur in Desserts und Kuchen. Amerikaner zählen ihn nach einem Gerichtsbeschluss von 1947 zu den Früchten, wenngleich er botanisch ein Gemüse aus der Knöterichfamilie ist. Polen verzehren Rhabarber mit Kartoffeln, Perser mit Spinat. Muss man das probieren? Hinreißend ist jedenfalls die Liaison von Rhabarber mit Lachs, Makrele und Hering, die ähnlich gut schmeckt wie das Duo Makrele/Stachelbeere - also sehr gut.

Bert Gamerschlag

Rhabarber-Ragout mit Ingwer und Pinienkernen

Für 4 Personen

50 g Sultaninen
6 EL frischer Orangensaft
700 g Rhabarber
1 EL frischer Ingwer, fein gewürfelt
50 g brauner Zucker
Salz
1 Gewürznelke
1 kleines Stück Zimtstange
30 g Pinienkerne

1 Die Sultaninen 1 Stunde in dem Orangensaft einweichen. Den Rhabarber waschen, die Stielenden abschneiden. Die Stangen nötigenfalls abziehen und in 3 cm lange Stücke schneiden.

2 Rhabarber, Ingwer, Zucker, 1 Prise Salz, Gewürznelke und Zimtstange mit Sultaninen und Orangensaft in einem Topf mischen, langsam zum Kochen bringen und bei schwacher Hitze 5 Minuten garen, bis der Rhabarber weich, aber nicht zerfallen ist - dabei nicht zu oft rühren.

3 Die Pinienkerne in einer Pfanne ohne Fett leicht bräunen und unter das Ragout mischen.

Zubereitung: ca. 20 Minuten (plus Zeit zum Einweichen der Sultaninen)

Tipp: Das Ragout warm oder kalt als Beilage oder als Vorspeise reichen. Es schmeckt zu gebratener Entenbrust oder pochiertem Fischfilet, aber auch zu mildem Weichkäse, zu Brie, zu Vignotte (dem "Weinbergkäse") oder zu Paglietta und Marzolino aus der Toskana.

Erika Casparek-Türkkan

Rhabarbergrütze mit Rosenwasser

Für 4 Personen

500 g Rhabarber
250 ml halbtrockener Weißwein
250 ml frischer Orangensaft
2 Streifen dünn abgeschälte unbehandelte Orangenschale (ca. 3 cm)
4-5 EL Zucker
1/2 Päckchen Bourbon-Vanillezucker
4 EL Tapioka (aus dem Reformhaus, siehe Tipp)
2 EL Rosenwasser (aus dem türkischen Lebensmittelladen oder aus der Apotheke)
250 ml kalte Vollmilch (oder 200 g Schlagsahne, nach Geschmack)

1 Rhabarber waschen, putzen und nötigenfalls abziehen. Die Stangen längs halbieren, in 1 cm lange Stücke schneiden und mit Wein, Orangensaft und -schale, Zucker und Vanillezucker in einem Topf mischen. Tapioka unterrühren und alles langsam zum Kochen bringen. Bei mittlerer Hitze 10 Minuten kochen, dann zugedeckt 15 Minuten bei ganz milder Hitze quellen lassen, bis der Tapioka glasig ist.

2 Die Grütze auf tiefe Teller verteilen und noch warm oder zimmerwarm servieren. Jede Portion mit Rosenwasser beträufeln und bei Tisch je nach Geschmack mit etwas Milch oder halbfest geschlagener Sahne begießen.

Zubereitung: 30 Minuten.

Tipp: Tapioka ist ein stärkehaltiges, Flüssigkeit bindendes Lebensmittel aus Maniok (Cassava), kügelchenförmig und firmiert auch unter Perl-Sago.

Erika Casparek-Türkkan

Rhabarbersalat mit Erdbeeren und Granatapfelessig

Für 4 Personen

500 g Rhabarber
2 EL heller Blütenhonig
4 EL trockener Weißwein
500 g Erdbeeren
2-3 Stiele Minze (10 Blättchen plus weitere Blättchen zum Garnieren)
1 EL mildes Olivenöl
Salz
2 EL Nareksisi (Granatapfelessig, Narekschisi gesprochen, aus dem türkischen Lebensmittelladen, ersatzweise Balsamico-Essig)
2 EL gehackte Pistazien

1 Den Rhabarber waschen, Stielenden abschneiden. Die Stangen nötigenfalls abziehen und in 2 cm breite Stücke schneiden. Mit Honig und Wein im Topf mischen, langsam zum Kochen bringen und 5 Minuten bei schwacher Hitze garen, erkalten und abtropfen lassen. Den Saft aufheben.

2 Die Erdbeeren waschen, entstielen und halbieren oder in Scheiben schneiden. Die Minze waschen, trockenschütteln und die Blätter von den Stielen zupfen. Mit Rhabarber und Erdbeeren auf Portionstellern oder in Schälchen anrichten. 3 Den Rhabarbersaft in einer kleinen Schüssel mit Olivenöl, Salz und Nareksisi verrühren und über den Salat träufeln. Mit Pistazien bestreuen und mit Minze garnieren.

Zubereitung: ca. 20 Minuten.

Tipp: Den Salat zu Parma- oder Serrano-Schinken oder zu mildem Käse, zum Beispiel Manchego reichen. Man kann den Rhabarber auch in einer Form bei 180 Grad 15 Minuten im Ofen garen. Auf diese Weise zerfällt er kaum.

Erika Casparek-Türkkan

Joghurt-Rhabarberkuchen

Für 8-12 Stücke

500 g Rhabarber
200 g Zucker
80 g Butter (plus Butter für die Form)
300 g Hartweizengrieß (plus Grieß zum Ausstreuen der Form)
1 Vanilleschote
1-2 unbehandelte Orangen
250 g Joghurt (Vollfettstufe)
2 Eier (L)
1/2 Tütchen Backpulver
4 EL Kokoschips (aus dem Reformhaus) oder Kokosraspel

1 Rhabarber waschen, putzen, die Stangen nötigenfalls abziehen, in 4 cm lange Stücke schneiden, in eine Schüssel geben und mit 80 g Zucker mischen. 30 Minuten stehen und Saft ziehen lassen.

2 Inzwischen eine Tarteform von 26 cm Durchmesser einfetten und mit Grieß ausstreuen. Die Vanilleschote längs aufschlitzen und das Mark herauskratzen. Die Butter schmelzen und abkühlen lassen. 1 Orange waschen und abtrocknen. Auf der feinen Seite der Haushaltsreibe 1/2 TL Orangenschale abreiben. Die Orangen auspressen, 100 ml Saft abmessen. Den Backofen auf 180 Grad vorheizen.

3 Rhabarber gründlich abtropfen lassen, den Saft dabei auffangen. Joghurt, Eier, 100 g Zucker, Vanillemark und Orangenschale in einer Schüssel mit dem Schneebesen verrühren. Butter unterrühren. Grieß und Backpulver mischen, sieben und dazurühren.

4 Den weichen Teig in der Tarteform glatt streichen. Die abgetropften Rhabarberstücke darauf verteilen und leicht hineindrücken. Den Kuchen in der Ofenmitte 40 Minuten backen, bis er goldbraun ist.

5 In der Zwischenzeit den Rhabarbersaft mit dem Orangensaft und dem restlichen Zucker 1 Minute stark kochen, dann erkalten lassen. Den Kuchen sofort nach dem Backen damit begießen - er nimmt den Saft auf, ohne dabei ganz durchzuweichen. Nach dem Abkühlen mit Kokoschips oder Kokosraspeln bestreuen.

Zubereitung: ca. 40 Minuten (plus Backzeit).

Tipp: Dazu schmeckt Schlagsahne.

Erika Casparek-Türkkan

Rhabarber-Crumble mit Amarettistreuseln

Für 4-6 Personen

700 g Rhabarber
5 EL Marsala (sizilianischer Süßwein)
130 g Zucker
50 g kleine Amaretti (italienische Mandelmakronen)
150 g Mehl
Salz
1 TL gemahlener Zimt
120 g Butter

1 Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Den Rhabarber waschen, putzen und die Stangen, falls nötig, abziehen. Rhabarber in 2 cm lange Stücke schneiden, mit Marsala und 50 g Zucker in einer Pie-Form (26 cm Durchmesser) mischen, in der Ofenmitte 15 Minuten garen, herausnehmen und beiseite stellen. Die Temperatur auf 200 Grad erhöhen. Amaretti zerdrücken.

2 Aus restlichem Zucker, Mehl, Amaretti, Salz, Zimt und Butter mit den Händen Streusel kneten, gleichmäßig über den Rhabarber verteilen und in der Ofenmitte 20 Minuten zu Ende backen. Lauwarm schmeckt der Auflauf am besten.

Zubereitung: 40 Minuten (plus Backzeit).

Erika Casparek-Türkkan

Rhabarber-Erdbeermousse mit Waldmeister

Für 6 Personen

250 g Rhabarber
250 g Erdbeeren
6 Blatt weiße Gelatine
6 EL Zucker
4 EL trockener Weißwein
175 g stichfester Joghurt
125 g Mascarpone
2 EL Limettensaft (oder Zitronensaft)
4 EL Puderzucker
das Mark von 1/2 Vanillestange
125 g Schlagsahne
2 Eiweiß (M)
ein paar Blätter Waldmeister oder Minze
einige Erdbeeren zum Garnieren.

1 Den Rhabarber waschen, putzen und nötigenfalls abziehen, je nach Dicke der Stangen längs in 3 bis 4 dünne Streifen, dann in kleine Würfel schneiden. Die Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Die Erdbeeren waschen, putzen und klein schneiden. Rhabarber, Erdbeeren, Zucker und Wein zusammen aufkochen und bei schwacher Hitze 3-4 Minuten garen, beiseite stellen. Gelatine ausdrücken und nacheinander unter die heiße Rhabarbermischung rühren und auflösen. Erkalten lassen, dabei ab und zu umrühren.

2 Joghurt, Mascarpone, Limettensaft, 2 EL Puderzucker und Vanillemark in einer Schüssel glatt rühren. Die Sahne steif schlagen. Das Eiweiß mit 2 EL Puderzucker zu steifem, aber nicht schnittfestem Schnee schlagen. Wenn die Rhabarbermasse zu gelieren beginnt, Joghurt-Mischung, Sahne und Eischnee unterheben.

3 Die Mousse in Dessertschalen füllen und mindestens 3 Stunden im Kühlschrank fest werden lassen. Zum Servieren mit Waldmeister oder Minze und mit Erdbeeren garnieren. Zubereitung: 45 Minuten (plus Ruhezeit).

Tipp: Die Mousse kann auch gestürzt werden. Dafür die Portionsschalen vorher kurz in heißes Wasser tauchen und auf Dessertteller stürzen.

Erika Casparek-Türkkan

PRODUKTE & TIPPS