Für sieben Länder ist der Traum vom Sieg beim Grand Prix 2010 bereits geplatzt. Aus 17 Teilnehmern wählten Zuschauer und Jurys am Dienstagabend in der Osloer Telenor-Arena die zehn aus, die ins Finale kommen sollen. Anders als bei Heimspielen des Fußballclubs "Stabæk Fotball" war die Halle, die normalerweise als Fußballstadion genutzt wird, nur zur Hälfte gefüllt. Ausgerechnet bei den Grand-Prix-begeisterten Gastgebern waren viele leere Plätze zu sehen - und das obwohl Aisha aus Lettland noch nicht gesungen hatte.
Die brüllte ihre schrecklich schiefen Töne so laut ins Mikrofon, dass man sich einen Knopf zum Leiserdrehen gewünscht hätte. Im Finale bleibt sie uns zum Glück erspart. Nach Europop aus Moldau, einem Herzschmerz-Lied aus Russland, einer "Razorlight"-Kopie aus Estland und einer Ethnopop-Nummer aus Slowenien sorgten ausgerechnet zwei Mädels mit ihren Ziehharmonikas für Stimmung. Die beiden blonden Finninnen lösten mit Folklore in der Halle heftige Mitklatschattacken aus. In Europa kam der nordische "Musikantenstadl" aber nicht an. Hässliche Rocker wie Finnlands einziger Sieger Lordi sind den Zuschauern und Jurys offenbar lieber als zwei hübsche Blondinen. Dabei waren viele Auftritte zumindest optisch schlimmer.
Geheimfavorit aus Serbien
Polens Marcin Mroziński steckte seinen Tänzerinnen Äpfel in den Mund, Thea Garrett aus Malta hatte ihre Federboas zu überdimensionalen Flügeln zusammengebunden, und die Begleiterinnen des Mazedoniers Gjoko Taneski könnten in ihren knappen Outfits jederzeit in einem Striplokal anheuern. Das müssen sie jetzt vielleicht auch. Alle drei Geschmacksverirrungen sind draußen. Speziell war auch das Outfit von Milan Stanković: Über seine Pony-Frisur machte sich sogar der Moderator lustig, der ihn mit einer Perücke imitierte. Die blonde Föhnwelle aus Serbien ist allerdings eine echte Stimmungskanone. Sein Refrain "Balkan, Balkan, Balkan" ist ein echter Ohrwurm, deshalb steht er verdient im Finale und wird mittlerweile sogar als Geheimfavorit gehandelt.
Zwei Kandidaten waren bei den Buchmachern bereits gesetzt: Island und Griechenland. Griechenland tanzte sich mit seinem Mitgröl-Hit "Opa" locker in die Endrunde. Die Wuchtbrumme Hera Björk musste allerdings bis zum Schluss zittern. Unter "Island, Island, Island"-Rufen des Publikums wurde ihre Eurodance-Nummer als letzte ins Finale geschickt. Hera war neben Tom Dice aus Belgien die eindeutige Favoritin des Osloer Publikums.
Lenas Ständchen auf der Bootstour
Ein neues Traumpaar der norwegischen Presse hat sich hingegen bereits am Nachmittag bei einem Segeltörn im Oslofjord gefunden. Während die Teilnehmer des ersten Semifinals ihre letzten Proben absolvierten, segelte Lena mit den bereits qualifizierten Franzosen, Spaniern, Briten und Norwegern sowie geladenen Journalisten durch den Oslofjord. Nachdem alle Teilnehmer ihren Grand-Prix-Song vorgestellt hatten, stimmte Lena zusammen mit dem norwegischen Teilnehmer Didrik Solli-Tangen zur Überraschung der anwesenden Journalisten den deutschen 80er-Jahre-Hit "Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein" an. "Didrik fragte mich, ob ich ein Duett mit ihm singen würde. Er spielte mir auf seinem iPod seinen deutschen Lieblingssong vor - und das war 'Ohne Dich' von der Münchner Freiheit", erklärte Lena ihren ungewöhnlichen Auftritt gegenüber stern.de.
Die zwölf Punkte aus Norwegen, sie gehen normalerweise nach Schweden. Doch dieses Jahr scheinen sie einer Schülerin aus Hannover sicher zu sein: Lena hat die Herzen der Osloer im Sturm erobert. "Ovo Je Balkan" und "Opa" sind trotzdem harte Konkurrenten für die deutsche Hoffnungsträgerin. Denn dass sie auch im ehemaligen Ostblock und in Südeuropa punkten kann, muss Lena erst noch beweisen.