Neuerdings redet ja jeder gerne von den "Grenzen", wenn es um die Flüchtlinge geht, die zu uns kommen. Der Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) findet irgendwie, dass die "Grenzen unserer Möglichkeiten" bald erreicht sind. Bundespräsident Joachim Gauck (CDU) sieht, etwas lyrischer, unser "Herz weit", doch "unsere Möglichkeiten endlich". Und der rechtspopulistische Vordenker der CSU, Markus Söder, überlegt deswegen gleich das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen und Zäune um das Land zu ziehen, nach autokratisch-ungarischem Vorbild. Nur die Kanzlerin Angela Merkel hält irgendwie eisern an ihrer Doktrin "Wir schaffen das!" fest.
Natürlich war diese Frage: "Flüchtlingsrepublik Deutschland – wo liegen unsere Grenzen?", die hierzulande noch niemanden recht interessiert hat, als sie in Italien oder Griechenland oder Malta schon lange viel dringlicher war, natürlich also war diese Frage auch das Thema der Woche bei Günther Jauch. Erfreulicherweise hat die ARD dabei zumindest der Versuchung widerstanden, Herrn Söder einzuladen.
Merkel hat "Einwanderungswelle ausgelöst"
Stattdessen kam Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), der der CSU nicht nur en passant selbstverständliches erklärt hat: "Das Asylrecht steht nicht zur Disposition". Sondern zugleich klar gemacht hat, das man nicht alles so ernst nehmen soll, was Herr Söder oder der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer da ständig krakeelen. "Nuancen und Unterschiede in der Bewertung habe es immer gegeben", und im übrigen hätte die CSU in der Flüchtlingsfrage dann am Ende doch immer anderes beschlossen als in Stammtischreden verkündet. Aber die in der CSU, das seien doch "verbale Brandstifter“, empört sich, zurecht, Herbert Grönemeyer, der Pate der anstehenden ARD-Themenwoche "Heimat". Auch da findet Altmaier, wie stets, staatstragende Worte. Und auch als Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt (CDU) der Kanzlerin völlig absurderweise vorwirft, sie habe mit ihrem nun so oft zitierten Satz eine "Einwanderungswelle ausgelöst", bleibt Altmaier gelassen.
Wirklich näher kommt die Debatte der Frage nach den Grenzen aber natürlich nicht. Da ist die Sozialamtsleiterin aus Fürth, die sagt: "Wir stoßen schon innerhalb von zwei Wochen an unsere Kapazitätsendgrenzen", sie das aber vor einem Jahr, als nur halb so viele Flüchtlinge in Fürth ankamen, auch schon gesagt hat. Nun findet sie, gebe es "immer mehr Notlösungen", in Zelten, Turnhallen, wie das halt in vielen größeren Kommunen dieser Tage so ist. Da ist Herr Patzelt, der gerne von der "realen Grenze" orakelt, und Antworten sucht, die die Wirklichkeit gebe. Dem aber auch nur die üblichen Parolen von effektiven Abschiebungen in die Staaten des westlichen Balkan einfallen. Hier fehlt der Faktencheck, der einem erklärt, wie wenig diese oft geforderte Maßnahme am Ende ändern würde.
"Wer Waffen liefert, erntet Flüchtlinge"
Auf der anderen Seite ist da Herbert Grönemeyer, der fordert, Reiche – wie er – sollten stärker besteuert werden, um so die Integration der Flüchtlinge zu finanzieren. Sein Vorstoß verhallt, bedauerlicherweise. Ebenso wie jene Idee, Tony Blair und George Bush vors Haager Kriegsverbrechertribunal zu stellen. Was Grönemeyer von Seehofer hält, wird jedenfalls schnell klar. Der Musiker pöbelt: "Das ist doch verbale Brandstiftung, was der Seehofer da macht."
Dann ist da noch Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, der feststellt, dass hier "die Grammatik der üblichen Verfahrensweisen" nicht mehr funktioniert, Politik und Verwaltungen nicht alleine lassen will und die Aufnahmefähigkeit der Zivilgesellschaft für unterschätzt halt. Yogeshwar ist einer, der sich seit Wochen auch selbst engagiert, daheim in Honnef, möglichst viele Flüchtlinge möglichst schnell in Arbeit vermitteln will und dabei mit der bürokratischen Wirklichkeit hadert. Und er bricht auch gleich noch eine Diskussion über die deutsche Rüstungsindustrie vom Zaun: "Wer Waffen liefert, erntet Flüchtlinge".
Aber auch darauf will sich ein Peter Altmaier dann natürlich nicht einlassen. Er ist gekommen, um die Botschaft seiner Kanzlerin zu verkünden: "Am Ende werden die Europäer eine gemeinsame Lösung finden." Aber das sagt er auch immer, fast egal, um welche Krise es geht.