Scholz sprach sich dafür aus, den Stabilitätspakt der EU zugunsten höherer Verteidigungsausgaben anzupassen. Deutschland sei zu dieser Änderung bereit, Frieden und Sicherheit in Europa stünden auf dem Spiel, sagte der Kanzler und ergänzte: "Und deshalb muss dies die Stunde Europas sein."
Am Freitag hatte sich auf der MSC bereits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine Lockerung der europäischen Schuldenregeln zur Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben ausgesprochen.
Selenskyj forderte, Europa müsse "unabhängig" werden. Die Zeit für die gemeinsamen "Streitkräfte von Europa" sei gekommen. Mit Blick auf die neue US-Regierung sagte er, die alten Beziehungen zwischen Europa und den USA "gehen zuende".
Die Äußerungen erfolgten inmitten zunehmender Ungewissheit über die Haltung der USA zum Ukraine-Krieg. US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geführt, ohne sich vorab mit den Europäern oder der Ukraine abzustimmen. Im Anschluss erklärte er, er habe mit Putin einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.
Trump hatte sich in der Vergangenheit zudem wiederholt dafür ausgesprochen, die Präsenz der US-Armee in Europa zu reduzieren und Militärstützpunkte zu schließen. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte bei einem Besuch in Polen am Freitag bekräftigt, die Anwesenheit von US-Truppen in Europa werde nicht "ewig währen".
Der polnische Regierungschef Donald Tusk forderte Europa auf, einen eigenen Plan für die Ukraine und die Sicherheit des europäischen Kontinents auszuarbeiten. Wenn Europa nicht sofort damit beginne, würden "globale Mächte über unsere Zukunft bestimmen", erklärte Tusk im Onlinedienst X.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte bekräftige in München, die Europäer müssten mehr für die Vereidigung ausgeben. Statt darüber zu lamentieren, ob sie bei Ukraine-Friedensverhandlungen mit am Verhandlungstisch säßen oder nicht, sollten sie sich mit "konkreten Vorschlägen" einschalten. Tatsächlich beginne Europa nun mit der "konkreten Planungsphase" zu möglichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine, sagte Rutte.
Scholz sprach sich für eine langfristige Unterstützung Kiews aus. Die Ukraine müsse "am Ende jeder Verhandlungslösung über Streitkräfte verfügen, mit denen sie jeden erneuten russischen Angriff abwehren kann", sagte Scholz. Dafür würden die Europäer, aber auch die transatlantischen und internationalen Partner der Ukraine "weiter gebraucht", argumentierte er.
Die EU-Länder könnten sich bereits Anfang der Woche zu weiteren Beratungen über die Ukraine treffen. Nach der Ankündigung des polnischen Außenministers Radoslaw Sikorski für einen Gipfel am Montag in Paris erklärte die französische Präsidentschaft, ein solches Treffen werde derzeit diskutiert - ohne jedoch ein Datum zu nennen.
Selenskyj erzählte unterdessen, er habe seinen Ministern die Unterzeichnung eines Abkommens über die Lieferung ukrainischer Mineralien an die USA untersagt, da dieses "uns nicht schützt". Der ukrainische Präsident verlangte am Rande der Sicherheitskonferenz, die Vereinbarung müsse "Sicherheitsgarantien" für sein von Russland angegriffenes Land enthalten.
Im Beisein von Scholz und Selenskyj wurde am Samstag in München eine Vereinbarung zur Eröffnung von Beratungszentren für ukrainische Flüchtlinge unterzeichnet. Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, sollen die sogenannten "Unity Hubs" insbesondere Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Arbeitssuche in Deutschland, aber auch in der Ukraine unterstützen - und ihnen bei einer möglichen Rückkehr in die Ukraine zur Seite stehen.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), der an einer Diskussionsrunde zur Ukraine auf der Konferenz teilnahm, nannte es "absolut inakzeptabel", dass Russland und die USA "ohne die Ukraine und die Europäer am Tisch verhandeln".
Die Münchner Sicherheitskonferenz wurde auch in diesem Jahr wieder von Demonstrationen begleitet. Bei mehreren Protesten und Kundgebungen sei "alles ruhig" geblieben, teilte die Polizei mit. An der größten Demonstration unter dem Motto "Friedensfähig statt kriegstüchtig - Demonstration anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz" nahmen demnach in der Spitze bis zu 1500 Menschen teil.