Geiselnahme am Hamburger Flughafen Bewaffneter hat vierjährige Tochter in seiner Gewalt – Flugbetrieb weiter eingestellt

Vierjährige als Geisel: Hamburger Flughafen wegen Geiselnahme weiter geschlossen
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STORY: Wegen einer Geiselnahme ist der Flughafen Hamburg seit Samstagabend geschlossen und der Flugverkehr eingestellt. Nach Polizeiangaben war ein Mann am Samstagabend mit einem Auto und seinem vierjährigen Kind auf das Rollfeld des Flughafens gefahren. Das Auto mit dem Mann und dem Kind stand unter einem Flugzeug. Zwischen zwei Maschinen waren Flammen zu sehen, die von der Feuerwehr gelöscht werden konnten. Erste Angaben, wonach der Mann bewaffnet sei, wollte die Polizei nicht bestätigen. Man kommuniziere mit ihm auf Türkisch. Der Flughafen wurde geräumt und großräumig abgesperrt. Die Polizei geht von einer "Geisellage" im Zusammenhang mit einem Sorgerechtsstreit aus. Die Mutter des Mädchens habe die Polizei darüber verständigt, dass der Mann die Tat angekündigt habe. Fluggäste und Abholer wurden gebeten, vorerst nicht zum Flughafen zu kommen. Es werde den ganzen Tag zu zahlreichen Flugstreichungen und Verzögerungen kommen, teilte der Flughafen Hamburg am Sonntagmorgen mit.
Die Geiselnahme am Hamburger Flughafen hält weiterhin an. Ein bewaffneter Mann hat seine vierjährige Tochter in seiner Gewalt. Die Polizei verhandelte die ganze Nacht mit ihm. Auch Sonntag fallen zahlreiche Flüge aus.

Dramatische Szenen am Hamburger Flughafen: Ein bewaffneter Mann durchbricht nach Angaben der Bundespolizei am Samstagabend gegen 20 Uhr mit einem Auto ein Tor, fährt auf das Vorfeld des Airports, schießt in die Luft und wirft "eine Art Molotowcocktail" aus dem Wagen. Er stoppte unter einer Maschine von Turkish Airlines, die sofort evakuiert wurde. Der Mann hat seine vierjährige Tochter mit im Auto – vorausgegangen war laut Polizei offenbar ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter.

Der Flughafen wird sofort weiträumig gesperrt, die beiden Terminals werden geräumt. Alle Passagiere in den Flugzeugen werden aus den Maschinen geholt und in einem nahe gelegenen Flughafenhotel untergebracht. Insgesamt 3200 Passagiere seien betroffen gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Samstagabend.

Eine beschädigte Schranke, durch die ein Mann am Flughafen mit seinem Auto gerast sein soll
Eine beschädigte Schranke, durch die der Mann am Flughafen mit seinem Auto gerast sein soll
© Jonas Walzberg / DPA

"Beängstigend", "gruselig" – so schildern Passagiere, die aus ihren Maschinen geholt wurden, ihre Eindrücke. Eine junge Frau, die am Samstagabend nach Mallorca fliegen wollte, sagte der Deutschen Presse-Agentur (DPA): Sie habe ein Feuer gesehen und erst gedacht, das werde schnell wieder gelöscht. Dann habe sie gehört, es gebe einen Amoklauf, das sei schon gruselig gewesen. Tatsächlich hatte der bewaffnete Mann bei seiner Fahrt auf dem Flughafen heraus Brandflaschen geworfen, die auf dem Vorfeld Feuer auslösten.

Eine andere Frau, die ebenfalls nach Mallorca fliegen wollte, sagte, sie habe nur ihre Handtasche mitnehmen dürfen, als das Flugzeug geräumt wurde. Alle hätten sich dabei ruhig verhalten, aber es sei auch beängstigend gewesen, weil man nicht wusste, was los war.

Eine Passagierin schilderte, dass sie beim Einsteigen gesehen habe, dass es auf dem Vorfeld brannte. Zwei Minuten vor dem geplanten Start sei dann die Durchsage gekommen: "Verlassen Sie bitte ruhig das Flugzeug". Dann hieß es plötzlich, alle sollten sich jetzt beeilen.

Flugbetrieb am Hamburger Flughafen weiterhin eingestellt

Am Sonntagmorgen gab der Flughafen bekannt, dass der Flugbetrieb wegen der Geiselnahme bis auf Weiteres eingestellt bleibe. "Die Lage am Airport ist unverändert, der Polizei-Einsatz dauert weiter an", teilte der Flughafen weiter mit. Die Polizei twitterte: "Die Verhandlungen werden fortgesetzt. Die Einsatzlage dauert an." Zudem bat sie darum, dass Fluggäste vorerst nicht zum Flughafen anreisen. Für die Dauer des Einsatzes sind weiträumige Verkehrsmaßnahmen erforderlich, wie die Polizei am frühen Morgen auf X mitteilte. Der Airport könne daher aktuell nicht erreicht werden. Auch die S-Bahn fahre den Flughafen nicht an.

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Die Zahl der wegen der Geiselnahme am Hamburger Flughafen gestrichenen Flüge steigt unterdessen weiter. Nach Angaben des Flughafens vom Sonntagvormittag sind seit dem eigentlichen Betriebsbeginn um 6 Uhr bis 11 Uhr bereits 126 Flüge gestrichen worden. Fünf Ankünfte seien zu anderen Flughäfen umgeleitet worden. Bei den gestrichenen Flügen handele sich dabei um 70 Abflüge und 56 Ankünfte. Für den gesamten Tag seien eigentlich 286 Flüge – 139 Abflüge und 147 Ankünfte – mit rund 34.500 Passagieren geplant. Wie viele davon tatsächlich stattfinden können, ist nach Angaben des Flughafens unklar.

Die Polizei ist weiter mit einem Großaufgebot vor Ort. Ein DPA-Reporter beobachtete, wie die ganze Nacht über und auch am frühen Sonntagmorgen immer wieder neue Einsatzwagen an den Flughafen kamen, andere Einsatzkräfte wieder wegfuhren. Auch Polizeihunde sind vor Ort. Eine Drohne kreist über dem Airport. Der Bereich des Flughafens ist weiträumig abgesperrt.

Vierjähriges Mädchen offenbar körperlich unversehrt

Die Hamburger Polizei hat die ganze Nacht mit dem 35 Jahre alten Mann verhandelt. "Wir haben eben guten Kontakt zu dem Täter zu bekommen", sagte eine Polizeisprecherin am späten Abend. Mit dem vermutlich 35-jährigen Mann werde auf Türkisch verhandelt. "Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung", sagte sie der Deutschen-Presse-Agentur. Dass sich die Gespräche so lange hinzogen, bewertete sie positiv: "Das ist ein absolut gutes Zeichen", betonte sie. "Er ist uns zugewandt. Er will mit uns sprechen und das bewerten wir erst einmal als sehr positiv."

Allerdings gab es auch nach mehr als zwölf Stunden am Flughafen keinen Durchbruch. "Wir sprechen, wir sprechen, wir sprechen - und versuchen eine friedliche Lösung zu finden, mit der alle gut leben können", sagte Polizei-Sprecherin Sandra Levgrün am Sonntagvormittag.

Die Polizei teilte am Vormittag über X mit, dass davon ausgegangen werde, dass der Mann "im Besitz einer scharfen Schusswaffe ist und evtl. auch von Sprengsätzen unbekannter Art." Oberste Priorität sei der Schutz des Kindes. 

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Das von seinem Vater als Geisel festgehaltene vierjährige Mädchen ist nach Einschätzung der Polizei körperlich unversehrt. "Wir gehen im Moment davon aus, dass es dem Kind körperlich gut geht. Das sagt uns der Blickkontakt, den wir im Moment haben, und die Telefonate mit dem Täter, da ist das Kind im Hintergrund zu hören", sagte Levgrün der Deutschen Presse-Agentur am Airport.

Man gehe deshalb erst einmal davon aus, dass körperlich mit dem Kind alles in Ordnung sei. "Wie es seelisch aussieht, darüber mag ich nicht spekulieren", sagte Levgrün.

Hintergrund der Geiselnahme offenbar ein Sorgerechtsstreit

Die Ehefrau des Mannes, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich zuvor wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet, wie der Sprecher der Bundespolizei sagte. "Wir gehen derzeit davon aus, dass ein Sorgerechtsstreit Hintergrund des Einsatzes ist", twitterte die Hamburger Polizei kurz vor Mitternacht. Eine Sprecherin der Polizei sagte am Morgen, die Mutter sei mittlerweile in Hamburg in der Nähe des Flughafens.

Man gehe davon aus, dass der Vater der Mutter das Kind "weggenommen" und möglicherweise unter Gewalteinwirkung ins Auto gesetzt habe, bevor er nach Hamburg und dort auf das Rollfeld des Flughafens fuhr, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage.

Die Polizei hatte kurz vor Mitternacht keine Erkenntnisse, dass jemand verletzt worden ist. Das gelte auch für den Täter. "Uns ist im Moment nicht bekannt, dass jemand verletzt ist", teilte eine Sprecherin auf Nachfrage mit.

Die Polizei sah zu dem Zeitpunkt auch keine akute Gefährdung von Dritten mehr. Das Flugzeug der Turkish Airlines, unter dem der Mann sein Auto abgestellt hatte, wurde geräumt, wie ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Hamburger Flughafen war zuletzt mehrfach gesperrt

Die Airport-Sprecherin sagte, von der offiziellen Sperre des Flughafens um 20.24 Uhr bis Betriebsschluss um 23.00 Uhr wären normalerweise sechs Starts und 21 Landungen erwartet worden. Für den Sonntag waren ursprünglich insgesamt 286 Flüge mit rund 34.500 Passagieren geplant.

Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg.

Im Juli hatten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt. Der Flugbetrieb musste für mehrere Stunden aus Sicherheitsgründen eingestellt werden. Tausende Passagiere, darunter viele Familien mit Kindern, waren betroffen. Damals hatte es Forderungen nach einer Verstärkung der Sicherheit gegeben.

Hinweis: Dieser Artikel wird laufend aktualisiert.

DPA
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