Im Steuerprozess gegen zwei Schlüsselfiguren der Corona-Maskenaffäre in Bayern hat die Angeklagte Andrea Tandler den Vorwurf zurückgewiesen, gezielt Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. "Es ging mir niemals darum zu betrügen", sagte die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler am Mittwoch vor dem Landgericht München I. Sie habe Geschäfte machen wollen, "bei denen alles korrekt gehandhabt wird", und habe immer "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt. Sie sprach allerdings von "Fehlern", die in der damaligen sehr hektischen Zeit passiert sein könnten.
Tandler und ihr Geschäftspartner Darius N. müssen sich in dem Verfahren wegen steuerrechtlicher Vorwürfe verantworten. Auch N. dementierte über seine Rechtsanwälte, gezielt Steuern hinterzogen zu haben. Beide verwiesen darauf, dass sie sich an Steuerrechtsexperten gewandt und eine Steuerberatungsgesellschaft in München mandatiert hätten.
Andrea Tandler und N. drohen langjährige Haftstrafen
Die Maskenaffäre hatte nach Bekanntwerden bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Ausgangspunkt waren immense Provisionszahlungen, die die beiden Beschuldigten zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 erhielten – wogegen jedenfalls rechtlich nichts einzuwenden ist. Tandler hatte zu Beginn der Coronapandemie Lieferverträge über persönliche Schutzausrüstung wie Masken, Schutzanzüge und Einmalhandschuhe zwischen einem Schweizer Unternehmen und verschiedenen Behörden des Bundes und der Länder vermittelt und damit mit ihrer neuen Firma in kurzer Zeit Umsätze in Höhe von mehr als 440 Millionen Euro gemacht. Dafür kassierte sie mehr als 26,5 Millionen Euro an Provisionen, die später noch auf 48,3 Millionen Euro anstiegen.
Tandler berichtete davon, wie ihr im Februar 2020 über einen Bekannten über die Schweiz eine Million Coronaschutzmasken angeboten wurden. Sie habe über Bekannte im Umfeld der CSU versucht, diese anzubieten – dabei nannte sie unter anderem eine Schwester des Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer, den heutigen CSU-Generalsekretär Martin Huber und die CSU-Europapolitikerin Monika Hohlmeier. Ihr Vater Gerold Tandler sei zu keiner Zeit informiert und beteiligt gewesen.
Insgesamt soll Tandler 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben, wie Staatsanwältin Susanne Gehrke-Haibl bei der Anklageverlesung ausführte. Konkret geht es demnach um nicht gezahlte Einkommensteuern von 8,7 Millionen Euro, gemeinschaftlich hinterzogene Schenkungssteuern von 6,6 Millionen Euro und Gewerbesteuerhinterziehung von 8,2 Millionen Euro. Den entstandenen wirtschaftlichen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft München I letztlich mit 15,2 Millionen Euro. Tandler soll die Provisionen etwa rechtswidrig nicht als Einzelperson, sondern über eine Firma versteuert haben, und zwar in Grünwald bei München. Dort ist nur rund die Hälfte an Gewerbesteuern fällig wie in der Landeshauptstadt.
Die Wirtschaftsstrafkammer hat bislang acht Verhandlungstage bis zum 17. November geplant. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen Tandler und ihrem Partner angesichts des hohen Steuerschadens langjährige Haftstrafen. Das Verfahren gegen einen dritten Beschuldigten wurde abgetrennt. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.
Es war das erste Mal, das sich Tandler und N. äußerten. Auf die detaillierten Steuerhinterziehungsvorwürfe ging Tandler nicht ein. Sie berichtete vor allem ausführlich von der Anbahnung und Abwicklung der Geschäfte. Mit einem derart großen Volumen habe man nie gerechnet. Vor dem ersten Abschluss sei man lediglich von einer niedrigen sechsstelligen Provision für jeden ausgegangen, "auch wenn das aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar sein mag". Die Gründung einer gemeinsamen GmbH habe der "Professionalisierung" des Geschäfts dienen sollen, eine GmbH habe seriöser wirken sollen.
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Das Leben war für Binh Phan (r.) und seine Frau schon vor Covid nicht einfach. Sie hatten zwei Kinder, beide behindert durch Dioxin-Vergiftungen. Dann kam Covid und traf Ho Chi Minh-City, das frühere Saigon, mit Wucht. Binh und seine Frau erkrankten im August 2021. Sie kamen ins Krankenhaus und dort, getrennt voneinander, in Quarantäne. Ihre Kinder blieben zu Hause. Sohn Thien Vu (l.) kümmerte sich um seine Schwester. Aber auch sie infizierte sich. Binnen fünf Tagen starben Mutter und Tochter. Als Binh aus dem Krankenhaus nach Hause kam, nahm er ihre Asche entgegen. Er sagt: "Die Erinnerungen an die beiden werden immer wieder wach, als wäre es gestern gewesen. Unser Leben hat sich nach der Pandemie völlig verändert. Ich kann nach einem Schlaganfall nicht mehr arbeiten, also bleibe ich den ganzen Tag zu Hause." Wie auch sein Sohn Thien Vu. Er verbringt viel Zeit vor dem Altar der Verstorbenen. "Seine Schwester war Thien Vus einzige Freundin und seine einzige Sorge. Als sie starb, war er bei ihr", sagt der Vater. Binh Phan ist ein bescheidener Mann mit bescheidenen Hoffnungen: "Ich wünsche mir nur ein friedliches Dasein mit meinem Sohn."
Von ihrem Nachnamen will Tandler damals nicht profitiert und ihn jedenfalls nicht bewusst eingesetzt haben. Sie habe ihren Vater auch nicht um Hilfe gebeten. "Es war uns überhaupt nicht klar, dass der Name Tandler wertvoll sein könnte." Allerdings hätten anfangs mindestens zwei Ministerien darauf hingewiesen, dass man sich wegen ihres Namens auf sie verlasse, räumte sie ein. Bestellt worden sei am Ende aber, weil man tatsächlich geliefert habe, "und nicht weil ich Tandler heiße". Zur Kontaktanbahnung hatte sich Tandler damals unter anderem an die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier gewandt.
Am Ende bestellte auch der Bund. Tandler berichtete ausführlich, wie sich auch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) persönlich mit Anforderungslisten bei ihr gemeldet habe. "Es ging tatsächlich um gigantische Mengen", sagte sie rückblickend. Einmal habe ihr Spahn geschrieben: "Wir nehmen immer noch von allem alles." Auch vom bayerischen Gesundheitsministerium, das als erstes Masken bestellte, seien sie und N. unter riesigen Druck gesetzt worden.
Tandler und N. bestreiten Lebenspartnerschaft
Sämtliche Arbeiten und Geschäfte wickelten nach Angaben Tandlers sie selbst und N. gemeinsam ab. "Wir waren Geschäftspartner fürs Leben", sagte sie – N. sei aber nicht ihr Lebenspartner, wie die Staatsanwaltschaft behaupte, auch wenn sie ihn manchmal so bezeichnet habe. Die Gewinne habe man auch für die Vision einer gemeinsamen geschäftlichen Zukunft einsetzen wollen. Als Beispiel nannte sie die Idee, hochwertige bayerische Knödel in den USA anzubieten. Zum Vorwurf, N. 13 Millionen Euro geschenkt zu haben, quasi aus Liebe, sagte sie, da wäre sie ja "durchgeknallt". Auch N. wies über seine Anwälte zurück, eine Lebenspartnerschaft mit Tandler zu führen.

Zum Vorwurf der Gewerbesteuerhinterziehung sagte Tandler: "Wir sahen unsere berufliche Zukunft in Grünwald." Sie und N. hätten sich dort "auf ein richtiges Büro" gefreut und deshalb einen Büroraum dort angemietet. Zuvor hatte sie geschildert, wie N. und sie in N.'s Lokalen in München gearbeitet hätten. Die Anklage wirft beiden vor, alle Entscheidungen seien damals von München aus getroffen worden.
N. argumentierte in seiner Erklärung, die seine Anwälte verlasen, man sei stets der Überzeugung gewesen, einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten. Man habe quasi hoheitliche Aufgaben übernommen "und dadurch Menschenleben gerettet". Man habe einwandfreie, geprüfte und behördlich zugelassene Masken und andere Ausrüstung besorgt.