Es stand kurz vor einem Eklat am heutigen Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. Die Fraktion der Linken hatte einen offiziellen Bericht der Bundesregierung zu den Ergebnissen des Rechercheprojekts #GermanArms beantragt. Der stern hatte es zusammen mit dem ARD-Magazin "Report München", dem Recherchebüro Lighthouse, Bellingcat und der Deutschen Welle getragen – und belegt, dass die Koalition aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jemen-Krieg deutsche Waffentechnik zu Wasser, zu Lande und in der Luft einsetzte. Das hatte die Abgeordneten alarmiert, zumal die Bundesregierung bisher immer wieder beteuert hatte, man habe "keine Erkenntnisse", dass deutsche Waffen im Jemen im Einsatz sind.
Auch in der Sitzung am Mittwoch im Bundestag versuchte es das Wirtschaftsministerium erstmal mit Ausflüchten und altbekannten Textbausteinen. Der Regierung lägen "keine aktuellen Informationen zu einem Verstoß gegen Endverbleibserklärungen für aus Deutschland ausgeführte Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate vor", schrieb die von Peter Altmaier (CDU) geführte Behörde vorab an den Ausschuss. "Grundsätzlich" gelte, dass man "konkrete Hinweise auf Verstöße sehr ernst" nehme und ihnen nachgehe. Aber kein Wort zu konkreten Hinweisen, die der stern und seine Recherchepartner zwei Wochen zuvor publik gemacht hatten. Und kein echtes Anzeichen, dass die Regierung wirklich an Aufklärung interessiert war. Und dann hörte man in der Linksfraktion auch noch vom Ausschusssekretariat, dass man gern die ganze Debatte über die Waffenfunde vertagen würde, weil der zuständige Parlamentarische Staatssekretär Oliver Wittke (CDU) bereits den Sitzungssaal des Ausschusses im Paul-Löbe-Haus des Bundestages verlassen habe.*
"Wie sollen denn konkrete Hinweise aussehen, wenn nicht so?"
Doch darauf intervenierte die Linken-Abgeordnete, Sevim Dagdelen. Das Thema #GermanArms blieb auf der Tagesordnung. Der Staatssekretär kam zurück. Und was Dagdelen nicht wusste: Es war ihr eigener Parteifreund Klaus Ernst, der als Ausschussvorsitzender die Vertagung angeregt hatte, weil er Sorge vor zu großem "Zeitdruck" hatte, wie er dem stern sagte.
So oder so waren die Abgeordneten der Opposition nicht zufrieden damit, wie wenig das Wirtschaftsministerium auf die detaillierten Rechercheergebnisse über deutsche Waffentechnik im Jemen eingegangen war. "Wie sollen denn konkrete Hinweise aussehen, wenn nicht so?", empörte sich die Grünen-Abgeordnete Katharina Dröge nach Angaben von Teilnehmern. Immerhin habe das Team von #GermanTeams genaue Daten und Orte für die Sichtungen einzelner Waffensysteme genannt. Dagdelen hakte ebenfalls nach: Was genau habe die Bundesregierung denn getan, um den dokumentierten Fällen nachzugehen? Hatte die Regierung bei den Saudis und den Emiratis nachgefragt, oder bei den Herstellern?
Darauf hatte der Staatssekretär offenbar keine konkrete Antwort. Aber er versprach umfassendere Informationen, zu einem späteren Zeitpunkt. Nur gehe das nicht so schnell. Die Veröffentlichungen von stern & Co. seien ja erst vor zwei Wochen erschienen.
Unterstützung bekam Wittke aus der CDU/CSU-Fraktion. Aber die Parlamentarier der Opposition standen mit ihrer Kritik nicht allein. Der SPD-Abgeordnete Florian Post verlangte ebenfalls, dass die Regierung die gewünschten Informationen nun "zeitnah" vorlegen müsse. "Die Bundesregierung ist in der Bringschuld", meint Post. Denn bestätigten sich die Erkenntnisse von #GermanArms, dann habe das weitreichende Folgen: "Damit würde sich zeigen, dass die Endverbleibskontrollen nicht funktionieren und es würde sich die Systemfrage beim Thema Rüstungsexporte stellen."
Eine "Bankrotterklärung des ganzen Systems"
Noch drastischer formulierte es die Grünen-Abgeordnete Katharina Dröge: "Das ist eine Bankrotterklärung des ganzen Systems." Zuvor hatte bereits ein Fraktionskollege von Post in Sachen #GermanArms Aufklärung angemahnt, der SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler: "Die Rechercheergebnisse legen Verstöße gegen die Endverbleibserklärung nahe, was Konsequenzen haben muss", sagte er dem stern.
Auch er erwartet, dass "die Bundesregierung die Rechercheergebnisse intensiv prüft und in die künftige Entscheidungsfindung einbezieht" – etwa bei der Frage weiterer Lieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Laut Koalitionsvertrag gelte hier ja ohnehin bereits: "Wer am Jemen-Krieg beteiligt ist, erhält keine deutschen Waffen mehr."

* Korrektur 14.3.2019: In einer früheren Fassung des Artikels hatte es geheißen, dass der zuständige Parlamentarische Staatssekretär Oliver Wittke (CDU) am Mittwoch vorzeitig den Sitzungssaal verlassen habe, und dass die Regierung das Thema gerne vertagt hätte. Tatsächlich hatte der Ausschussvorsitzende Klaus Ernst, Mitglied der Linksfraktion, die Vertagung angeregt.