Abkehr von Trump Die "Rino"-Jagd der Republikaner hat begonnen

Der frühere US-Präsident Donald Trump
Der frühere US-Präsident Donald Trump
© Michael Reynolds/ / Picture Alliance
Treu bis zur Selbstaufgabe stellen sich die Republikaner hinter ihren abgewählten Präsidenten. Nun nehmen sie diejenigen ins Visier, die es nicht tun – die "Rino".

"Erwarte keinen warmen Empfang, wenn Du nach Lousiana kommst!" (Blake Miguez, Republikaner des Repräsentantenhauses in Lousiana)

"Glücklicherweise haben klarere Köpfe die Oberhand behalten" (offizielle Mitteilung der Republikaner in Louisiana)

"Bill Cassidy ist seit heute ein Senator ohne Partei" (Mike Bayham, Parteisekretär der Republikaner in Lousiana)

Es hat nicht lange gedauert, bis Bill Cassidy wortreich ausgebreitet wurde, welche Tragweite seine Entscheidung für ihn haben wird. Der republikanische Senator aus Lousiana hat am Samstag im Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump für eine Verurteilung des abgewählten Präsidenten gestimmt. Kurz nach der Abstimmung teilten die Republikaner in seinem Heimatstaat Louisiana mit: "Wir verurteilen aufs Schärfste, dass Senator Bill Cassidy für eine Verurteilung des früheren Präsidenten Donald Trump gestimmt hat." Es folgte eine offizielle Rüge, die laut Parteisekretär Mike Bayham "nicht warten konnte", wie er später im Lokalblatt "The Advocate" erklärte. Nun sei Cassidy ein "Senator ohne Partei". Und er dürfte nicht der einzige sein.

Die "Rino" im Visier

Cassidy hatte sich bei der Abstimmung mit sechs anderen Republikanern auf die Seite der Demokraten geschlagen, um Trump nach dem Sturm aufs Kapitol der "Anstiftung zum Aufruhr" schuldig zu sprechen. Sie alle werden seitdem aus den eigenen Reihen mit Schmähungen überzogen – und von höchster Stelle zum Freiwild erklärt. "Lasst uns die Rino in der republikanischen Partei anklagen!!!", forderte Donald Trump Jr. nach der Abstimmung. "Rino" ist eine Abkürzung und steht für "Republicans In Name Only", also Republikaner nur dem Namen nach. Auch Vater Donald Trump hatte schon zur "Rino"-Jagd aufgerufen, als die vermeintlichen Abtrünnigen nicht seiner Dolchstoßlegende eines Wahlbetrugs folgen wollten. Von wegen: Wer gegen mich ist, kann kein Republikaner sein.

Insofern muss auch Senator Richard Burr aus North Carolina als "Rino" gelten, der ebenfalls für eine Verurteilung Trumps stimmte. Seine Heimatpartei verurteilte das "schockierende und enttäuschende" Votum und sprach daraufhin ebenfalls eine Rüge aus. Burr wird nächstes Jahr zwar nicht mehr für seinen Posten kandidieren, eine Quittung wurde ihm vom Senator und Trump-Loyalisten Lindsay Graham dennoch ausgestellt: "Mein lieber Freund Richard Burr – den ich schätze und mit dem ich lange befreundet bin – hat Lara Trump fast zur gesetzten Kandidaten für seinen Senatsposten in North Carolina gemacht." Sollte Trumps Schwiegertochter tatsächlich für den Posten kandidieren, so Graham im Gespräch mit Fox News, werde er sie unterstützen. "Ich glaube, sie ist die Zukunft der republikanischen Partei." Soll wohl heißen: Burr will Trump loswerden? Dann bekommt er Trump, jetzt erst Recht. 

Fest im Sattel

Die scharfe Kritik an Cassidy und Burr illustriert Trumps Machtfaktor, den er immer noch innerhalb der Republikaner genießt. Lousiana und North Carolina, die Heimatstaaten der abgestraften Senatoren, hat er im November haushoch gewonnen. Und auch, wenn er die Präsidentschaftswahl insgesamt verloren hat: Niemand mobilisiert die Basis der Republikaner nach wie vor so sehr, wie er.

  • 74.222.593 Wählerstimmen holte Trump im "Popular Vote", also an insgesamt abgegebenen Stimmen (Biden: 81.281.502 Stimmen). Damit hat er den Republikanern die höchste Stimmenanzahl beschert, die sie jemals bei einer Präsidentschaftswahl erzielt haben. 
  • 82 Prozent der Republikaner gaben im Januar laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Gallup an, mit Trumps Job als Präsidenten zufrieden zu sein.
  • 70 Prozent der Republikaner wünschen sich laut einer Umfrage von "Vox", dass Trump 2024 erneut als Präsidentschaftskandidat antritt. 
  • 56 Prozent der Republikaner gaben in der Umfrage außerdem an, dass es "viel weniger wahrscheinlich" wäre, dass sie einen Senator bei einer Wahl unterstützen würden, wenn sie im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump stimmten. 

Viele Zahlen, allerdings mit einer Botschaft: Trump sitzt bei den Wählern seiner Partei fest im Sattel, trotz oder gerade wegen seines populistischen und nationalpolitischen Kurses. Auch deshalb macht ein Großteil der Grand Old Party bisher keine Anstalten – ungeachtet vier Jahre voller Häme, Hass und Hetze –, sich von ihrem Ex-Präsidenten loszusagen. Trump kann einem die Gefolgschaft der Wähler sichern, aber eben auch entziehen. Wer sich gegen Trump stellt, stellt sich gegen die Partei. Durch enorme Polarisierung und Abgrenzung zum gegnerischen Lager konnte er die republikanischen Wähler an sich binden.

"Praktisch und moralisch" verantwortlich, aber...

Dieser unheilvolle Umstand stellt nicht zuletzt den (offiziell) wichtigsten Mann der Partei vor eine große Herausforderung. Mitch McConnell, nunmehr Minderheitsführer der Republikaner im Senat, muss die gespaltenen Republikaner zusammenhalten. Es gibt einen Teil, der treu bis zur Selbstaufgabe an Trumps Seite steht. Und einen anderen Teil, der sich von Trump lösen möchte – ohne, dass es zu offensichtlich ist und gefährlich werden könnte. McConnell gehört zur zweiten Gruppe.

Am Wochenende stimmte er zunächst gegen Trumps Verurteilung, um ihn im Anschluss "praktisch und moralisch" für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich zu machen. Seine merkwürdige Position begründete er mit einer Formalität: Ein Präsident, der nicht mehr im Amt sei, könne eben nicht des Amtes enthoben werden. Dabei wird McConnell lediglich darauf gepocht haben, weder die Trump-Gegner noch die Trump-Loyalisten zu verprellen. Allein: McConnell selbst hat, noch als Mehrheitsführer im Senat, dafür gesorgt, dass das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump bis nach dessen Amtsende herausgezögert wird

Wann die Republikaner dass Kapitel Donald Trump zuschlagen, ist ungewiss. Auch die Richtung, welche die Partei künftig einschlage, sei noch unklar, meint zumindest Larry Hogan. Der republikanische Gouverneur von Maryland sieht einen Kampf um die Seele der Partei heraufziehen, wie er dem US-Sender CNN sagte. Sicher dürfte nur sein, dass Donald Trump diesen nicht kampflos aufgeben wird. Nach seinem Freispruch im Amtsenthebungsverfahren teilte der Ex-Präsident mit, dass noch "viel Arbeit vor uns liegt". Die politische Bewegung, die er 2016 ins rollen brachte, "hat gerade erst begonnen".

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