Nach dem Selbstmordanschlag auf deutsche ISAF-Soldaten rechnet die internationale Schutztruppe in Afghanistan mit weiteren Attentaten auf die Truppe.
ISAF-Sprecher Thomas Löbbering sagte am Sonntag in Kabul, vor dem Attentat auf den Bundeswehrbus am Samstag habe es, wie nahezu täglich, eine konkrete Anschlagwarnung gegeben. Es sei schwierig, falsche von echten Drohungen zu unterscheiden. Die ISAF rechne mit weiteren „terroristischen Angriffen“. Bundesverteidigungsminister Peter Struck hatte am Samstag erklärt, ihm seien keine konkreteren Hinweise als die auf die allgemeine Gefahrenlage in der Region bekannt. „Ich kann nicht erkennen, dass wir dort fahrlässig gehandelt hätten“, sagte der Minister.
Als Konsequenz aus dem Anschlag ordnete die ISAF an, dass Soldaten nicht mehr in Bussen transportiert werden. Bei dem Anschlag, der nach afghanischen Angaben von der Moslem-Extremistengruppe El Kaida ausgeführt sein könnte, waren am Samstag vier Soldaten getötet und 29 verletzt worden. Die Zahl der Toten wäre höher, wenn die Soldaten nicht ihre Splitterschutzwesten getragen hätten, sagte Löbbering. Nach seinen Angaben waren alle Verletzten am Sonntag außer Lebensgefahr. 25 von ihnen wurden am Abend in Deutschland zurückerwartet. Die toten Soldaten sollen am Dienstag in die Heimat ausgeflogen werden. Außerdem wurde nach afghanischen Polizeiangaben ein Zivilist getötet und der noch unbekannte Fahrer des Taxis, mit dem der Anschlag verübt wurde.
Hinweise auf El Kaida
Auch am Sonntag gab es noch keine gesicherten Erkenntnisse, wer für den bislang schwersten Anschlag auf die ISAF verantwortlich ist. Struck sagte Samstag, sein afghanischer Kollege Mohammed Fahim habe ihm Hinweise gegeben, dass die El Kaida des Moslem-Extremisten Osama bin Laden hinter dem Anschlag stecken könnte. Dies könne man aber zu „diesem relativ frühen Zeitpunkt nun wirklich nicht nachprüfen“, sagte er im ZDF. Deutsche Soldaten vor Ort würden die Hinweise überprüfen, ebenso wie die afghanische Polizei. Man müsse davon ausgehen, dass Mitglieder der El Kaida, des entmachteten Taliban-Regimes und auch des früheren afghanischen Anführers Gulbuddin Hekmatjar versuchten, die ISAF zu vertreiben. Die Bundeswehr stellt rund 2500 der 4500 ISAF-Soldaten und führt die ISAF, die seit dem Sturz der Taliban Ende 2001 in Kabul und dem nahe gelegenen Flughafen stationiert wurde, derzeit gemeinsam mit den Niederlanden.
Bundeswehr bleibt in Kabul
Struck und Bundeskanzler Gerhard Schröder betonten, die Bundeswehr werde ihren Auftrag in Afghanistan fortsetzen. Forderungen nach einem Abzug der Bundeswehrsoldaten hielten er und Schröder für falsch. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, hatte einen Abzug der deutschen Soldaten in die Diskussion gebracht. „Sollte sich die Sichrheitslage dramatisch verschärfen, sollten wir die ISAF-Friedenstruppe entweder erheblich verstärken oder aus Afghanistan abziehen“, sagte er der Zeitung „Bild am Sonntag“. Struck bekräftigte, dass eine Ausdehnung des Einsatzauftrags über die Grenzen von Kabul hinaus weiter geprüft werde und wie geplant am Dienstag eine Untersuchungsgruppe mit diesem Auftrag nach Kabul fliegen werde.
Verletzte ausgeflogen
25 der 29 verletzten Bundeswehrsoldaten waren von Kabul aus in die ukrainische Stadt Termes geflogen worden, wo sie an Bord eines Lazarett-Airbus gebracht wurden. Am Abend wurden die Soldaten in Köln/Bonn erwartet, von wo sie nach Angaben des Verteidigungsministeriums in verschiedene Bundeswehr-Krankenhäuser gebracht werden sollten. Drei weitere Verletzte sollten vom US-Stützpunkt Bagram aus nach Ramstein ausgeflogen werden. Bei einem Bundeswehrsoldaten sei die Verletzung so leicht, dass er mit einem der normalen Rücktransporte nach Deutschland zurückfliegen werde, hieß es weiter.