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Truppenvisite Afghanistan-Besuch: mit AKK im endlosen, endlosen Krieg

AKK in Transportpanzer
Annegret Kramp-Karrenbauer im Transportpanzer Fuchs
© Britta Pedersen / DPA
Der Krieg in Afghanistan geht ins 19. Jahr, noch immer sind etwa 1000 deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert. Nun kam die Verteidigungsministerin zu einem Besuch und traf auf Soldaten, die optimistischer sind als noch vor zwei Jahren.

Dass Deutschland sich hier in einem Krieg befindet, das muss der Verteidigungsministerin spätestens klar geworden sein, als sie im Tiefflug Richtung Kundus unterwegs ist, in einem CH-53-Helikopter mit offener Ladeluke, hinten ein Soldat an einem Maschinengewehr, und links und rechts an den Seiten auch jeweils einer, schwere Jungs an schweren MGs. Der Helikopter fliegt nicht geradeaus, sondern in einer unberechenbaren Route, zu gefährlich wäre alles andere.

Als die Ministerin im "Camp Pamir" ankommt, einem Stützpunkt der Deutschen ein paar Kilometer südlich von Kundus, sagt sie in einer ruhigen Minute: "Man spürt, dass dies ein besonderer Ort ist, 'Kundus' hat einen besonderen Klang."

Es sollte ums Brunnenbauen gehen ...

In Afghanistan fiel der erste deutsche Soldat in einem Gefecht seit dem Zweiten Weltkrieg, 16 insgesamt in Kundus. 16 von 56 Deutschen, die in Afghanistan gestorben sind.

Es ist die zweite Mission der Nato am Hindukusch. Isaf, die erste, begann 2001, sie dauerte 13 Jahre, knapp 140.000 Soldaten waren zwischenzeitlich im Land. Das Ganze war ein Krieg, den in Deutschland lange Zeit niemand Krieg nennen wollte. Es sollte ums Brunnenbauen gehen, dabei ging es viel ums Töten und ums Sterben.

Jetzt, bei "Resolute Support", sollen Nato-Soldaten ihren afghanischen Kameraden beibringen, wie sie den Kampf um ihr Land selbst führen. Die Lage: Direkt nach dem Ende von Isaf waren die Taliban wieder da, oder sie waren immer noch da, jedenfalls sind sie heute überall. Die afghanische Armee hat einen dramatisch hohen Blutzoll gezahlt bei dem Versuch, Afghanistan nicht an die Islamisten zu verlieren, fast 30.000 Soldaten und Polizisten sind, so sagte es der Präsident Ashraf Ghani vor ein paar Monaten, seit 2015 gestorben.

Mit den Taliban kam der IS

Gleichzeitig breitet sich neben den Taliban zunehmend die Terrormiliz des "Islamischen Staats" unter den Augen der internationalen Gemeinschaft aus, und laut einem US-amerikanischen Report kontrolliert die afghanische Regierung nur 55 Prozent des Staatsgebietes. Das Land ist eines der korruptesten der Welt. Afghanistan ist nach wie vor Hauptanbauland für Schlafmohn und der Hauptlieferant von Opium, Heroin und Morphin. Die Bundesrepublik hat ihr Konsulat in Mazar-i-Sharif und ihre Botschaft in Kabul nach Anschlägen geschlossen.

Das ist die Situation.

Zwei Tage hat AKK nun also in Afghanistan verbracht, um sich selbst ein Bild zu machen, sie hat beim Frühstück neben Soldaten gesessen und sie ausgefragt, sie hat den afghanischen Präsidenten getroffen, sie hat mit dem Oberkommandierenden des deutschen Kontingents gesprochen, sie ist zu einem Außenstützpunkt der Deutschen in Kundus geflogen, sie hat sich die Ausrüstung präsentieren lassen. Und sie hat versucht, eine Antwort auf die Fragen zu finden, was dieser Einsatz hier noch bringt, noch bringen kann, noch bringen soll.

Tatsächlich liegen die Antworten auf diese Fragen nicht wirklich im Einflussbereich der Deutschen. 38 Nationen nehmen an "Resolute Support" teil, allen voran die USA, die nicht nur die Afghanen ausbilden, sondern nebenbei auch noch einen eigenen Kampfeinsatz gegen die Taliban führen. Donald Trump hat schon im Präsidentschaftswahlkampf angekündigt, die amerikanischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Als Trump Präsident wurde, hat er es sich doch anders überlegt. Um dann Friedensverhandlungen mit den Taliban anzufangen. Um diese dann kurz vorm Ziel abzubrechen. Um sie dann, vor ein paar Tagen, neu zu beginnen.

Spricht man AKK auf den US-amerikanischen Präsidenten an, schmunzelt sie. Sie steht im Regierungsflieger, einen Schal um die Schultern geworfen, die Klimaanlage ist ein bisschen zu kalt eingestellt. Stellt man ihr Fragen zu Trump, antwortet sie abgewogen und ernst, kommt aber aus dem Schmunzeln kaum raus. Entweder fällt es ihr schwer, ihn ernst zu nehmen, oder sie will ihre Hilflosigkeit ob seiner Unberechenbarkeit überspielen. Beides wäre gleich dramatisch.

Man würde Trump gerne ignorieren

Der Präsident hat lange keine Gelegenheit für "friendly fire" ausgelassen, hat die Nato-Partner angegriffen, wo er konnte, und er hat, ohne sich abzustimmen, seine Truppen aus Nordsyrien abgezogen. Nun hat er kurz vorm Bündnisgipfel in London plötzlich den französischen Präsidenten in die Schranken gewiesen, der die Nato nach Trumps Alleingang "hirntot" nannte, die Beistandspflicht infrage stellte und behauptete, Europa könne sich alleine verteidigen. Diese Aussagen, sagte Trump, seien "sehr beleidigend" und "sehr, sehr bösartig" gegenüber den anderen 28 Mitgliedstaaten der Nato.

Man würde Trump gerne ignorieren, klar, aber das ist unmöglich. Wenn man es runterbricht, steht und fällt die Existenz und die Schlagkräftigkeit der Nato nach wie vor mit dem Engagement der Amerikaner, genauso wie der Afghanistan-Einsatz mit dem Engagement der Amerikaner steht und fällt. Man kann an Afghanistan also viel ablesen über die schwierige Situation, in der sich die Nato, in der Deutschland sich sicherheitspolitisch befindet.

Die große Sorge: Dass Trump irgendwann einfach verkündet, dass es nun auch einfach mal genug sei mit dem Krieg in Afghanistan – und dass alle anderen dann auch überstürzt ihre Zelte abbrechen müssen. In Nordsyrien hat er nach einem kurzen Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Erdogan genau das getan – und damit nicht nur die Kurden, die an der Seite der Amerikaner gegen den Islamischen Staat kämpften, sich selbst und damit den Türken überlassen, Trump hat auch ein Vakuum geschaffen, dass die Russen auf der Stelle ausfüllten.

Das hat, so sagt die Ministerin, "nicht gerade zur Vertrauensbildung innerhalb der Nato beigetragen." Mit anderen Worten: Sie hat überhaupt keine Ahnung, was der amerikanische Präsident in Afghanistan vorhat. Zwar sagt sie, der amerikanische Außenminister Mike Pompeo habe ihr versichert, dass es keine hektischen, unabgesprochenen Entscheidungen geben werde. Sie weiß aber auch, dass es dem Präsidenten ziemlich egal ist, was sein "Secretary of State" einer deutschen Ministerin versprochen hat.

Stimmung im Bündnis gespannt

Ein plötzliches Ende des Afghanistan-Einsatzes wäre nicht nur für das Land eine Katastrophe – er wäre auch für die Nato eine Katastrophe.

Ohnehin ist das Verhältnis zwischen den Bündnispartnern zum Zerreißen gespannt, nicht erst seit Macrons "Hirntod"-Aussage, schon lange gibt es große Meinungsverschiedenheiten, was die Verteidigungsausgaben angeht, was den Umgang mit Russland angeht, was die Rolle der Türkei angeht.

Sollte Trump mit Blick auf Afghanistan eine einsame Entscheidung treffen – kaum auszumalen, was das für die Nato bedeuten würde. Ob dieses Szenario wahrscheinlich ist? Das hilflose Schmunzeln der Ministerin deutet zumindest darauf hin, dass man nicht so tun sollte, als wenn es vollkommen unwahrscheinlich wäre.

Die Taliban stünden jedenfalls bereit, das Vakuum zu füllen – davon kann man ausgehen.

Amerikaner verhandeln über Waffenstillstand

Überhaupt, die Taliban. Die Situation ist paradox. Der ganze Sinn dieses Einsatzes, der Grund, wieso die Nato nach Afghanistan einmarschiert ist, waren die Taliban. Sie sollten schnell besiegt werden, und dann sollten Demokratie und Wohlstand über das Land kommen, Frauenrechte und Freiheit. Nach langen Jahren des schweren Kampfes herrscht nun ein militärisches Patt, weder die eine, noch die andere Seite macht nennenswerte Fortschritte. Von den ursprünglichen Zielen ist man weit abgerückt. Stattdessen sitzen die Amerikaner mit den Taliban nun an einem Tisch und verhandeln über die Bedingungen eines Waffenstillstands – ohne die afghanische Regierung, die erst in einem zweiten Schritt eingebunden werden soll.

Spricht man über die Friedensverhandlungen mit den paar Afghanen, die man im "Camp Marmal" findet, äußern die sich mäßig begeistert. Zwar mache die Aussicht auf einen Frieden grundsätzlich Hoffnung. Aber wie, bitteschön, soll dieser Frieden zustande kommen, wenn die afghanische Regierung gar nicht am Verhandlungstisch sitzt?

Inzwischen gilt als einigermaßen sicher, dass die USA in jedem Fall ihre Truppenstärke reduzieren werden – wie schnell und wie stark wird man sehen müssen. Die Verteidigungsministerin hat auf dieser Reise immer wieder betont, dass für sie die Sicherheit der eigenen Soldaten allerhöchste Priorität hat. Sollte diese Sicherheit irgendwann nicht mehr gewährleistet sein, weil die Bundeswehr sich nicht mehr hinter dem breiten Rücken der Amerikaner verstecken kann, wird dieser Einsatz für die Deutschen also ein Ende haben.

Bundeswehr etwas optimistischer

Die Bundeswehrsoldaten machen derweil einfach stoisch weiter. Noch 2017 äußerten sich mehrere Soldaten gegenüber dem stern regelrecht verzweifelt, "wir gehen hier jeden Tag einen Schritt vor und drei zurück", sagte einer. Jetzt, zwei Jahre später, klingen die Soldaten tatsächlich optimistischer. Fast alle sagen, die Afghanen machten große Fortschritte, vor allem deswegen, weil die Riege der alten Offiziere Stück für Stück aus dem Dienst gedrängt wird und an ihre Stelle junge Soldaten treten, die von der Demokratie geprägt und von der Nato ausgebildet sind.

Beides stimmt ein bisschen, man kann mit Blick auf Afghanistan verzweifeln, man kann aber auch Hoffnung hegen. Die afghanische Armee macht Fortschritte, aber sehr, sehr langsam. Die Frage ist, wann sie schlagkräftig genug ist, ihre mithilfe der internationalen Partner mühsam errungenen Fortschritte selbst zu verteidigen. Und ob die Nato bis dahin an ihrer Seite steht.

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