TV-Debatte bei "Anne Will" Gegenoffensive der Ukraine: SPD-Chefin Esken warnt vor zu großen Erwartungen

  • von Arian Yazdani Kohneschahry
Die Talkrunde bei "Anne Will" diskutiert über die Frage: "Gegenoffensive der Ukraine: Kann sie die Wende im Krieg bringen?"
Die Talkrunde bei "Anne Will" diskutiert über die Frage: "Gegenoffensive der Ukraine: Kann sie die Wende im Krieg bringen?"
© NDR / Wolfgang Borrs
Die Gegenoffensive der Ukraine könnte bald beginnen. Die Hoffnung lebt, dass Kiew die Wende im Krieg gelingt. Die Talkrunde bei "Anne Will" versucht, die Erwartungshaltung zu bremsen und stellt klar: Der Krieg ist noch lange nicht beendet.

Während Russland weiterhin die Ukraine beschießt, bereiten sich die ukrainischen Truppen auf die zweite große Gegenoffensive vor. Wann und in welchem Ausmaß diese stattfindet, ist unklar. Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnergruppe Wagner, warnte vor einer Tragödie für Russland. Doch wie stehen die Chancen dafür, dass der Ukraine die Wende im Krieg gelingt? Darüber diskutiert die Talkrunde bei "Anne Will" und stellt sich auch der Frage: Was passiert, wenn der Gegenstoß der Ukraine scheitert?

Zu Gast bei "Anne Will":

  • Saskia Esken (SPD), Parteivorsitzende
  • Norbert Röttgen (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
  • Wolfgang Ischinger, Präsident des Stiftungsrates der Münchner Sicherheitskonferenz
  • Andrij Melnyk, Vize-Außenminister der Ukraine und ehemaliger Botschafter in Deutschland
  • Nicole Deitelhoff, Professorin für Internationale Beziehungen, Friedens- und Konfliktforscherin

Die Ukraine ist besser ausgerüstet als je zuvor, sagt die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff. Das sieht auch CDU-Politiker Norbert Röttgen so. An die große Wende und ein schnelles Ende des Krieges glauben die Talkgäste aber nicht. Das liege auch daran, dass Russland genug Zeit hatte, um sich auf die bevorstehende ukrainische Offensive vorzubereiten, erklärt Deitelhoff. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagt ganz deutlich: "Die Idee einer schnell wirksamen Gegenoffensive ist falsch." Sie warnt vor überhöhten Erwartungen und stellt klar, dass wir uns auf einen langen Krieg einstellen müssen.

Reicht die Unterstützung für die Ukraine?

Ein weiteres Mal kommt bei "Anne Will" die Frage auf, ob Deutschland genug macht, um die Ukraine zu unterstützen. Während Saskia Esken in Lobeshymnen auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausbricht und ihn als Schmied der Panzer-Allianz bezeichnet, dem es gelungen sei, den amerikanischen Präsidenten Joe Biden von Panzerlieferungen an die Ukraine zu überzeugen, kritisiert Norbert Röttgen die Bundesregierung scharf. Er wirft ihr Lethargie vor und macht seinem Ärger Luft: "Ich kann es nicht verstehen." Aus seiner Sicht sei Olaf Scholz in Europa und im gesamten Westen derjenige, der immer der Zögerer war, wenn es um Unterstützung für die Ukraine ging.

Andrij Melnyk legt in der Talkshow einen für seine Verhältnisse ruhigen Auftritt hin und verzichtet weitestgehend auf kritische Worte. Der ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland attestiert der Bundesregierung einen "Quantensprung", nachdem sie zu Beginn des russischen Angriffskrieges mit der Lieferung von Schutzhelmen und Westen gestartet war. Melnyk hat dennoch große Forderungen. Die letzten roten Linien müssten überschritten werden. Das bedeutet laut Melnyk konkret: die Lieferung von Kampfjets und ein Prozent des Bruttosozialprodukts zur Unterstützung der Ukraine.

Nicole Deitelhoff weiß, dass die zweite Forderung von Melnyk mehr als nur unrealistisch ist. Deutschland habe bereits massive Probleme damit, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen. Ein Prozent des Bruttosozialprodukts nur für die Unterstützung der Ukraine zu verwenden, scheint angesichts dessen noch viel schwieriger.

Was passiert, wenn die Offensive der Ukraine scheitert?

Dass die ukrainische Gegenoffensive scheitern könnte, will kein Talkgast ausschließen. Dennoch soll auch in solch einem Fall der Ukraine weiter geholfen werden. "Wir werden die Ukraine noch lange unterstützen müssen", sagt Saskia Esken. Der Beistand durch die Bundesregierung hängt demnach nicht von den militärischen Erfolgen der Ukraine ab. Es ginge schließlich nicht allein um die Freiheit und Souveränität der Ukraine, sagt Esken: "Es geht auch um unsere Souveränität"