Die enorme Beteiligung an den weltweiten Friedensdemonstrationen hat den Gegnern eines Irak-Krieges in Deutschland neuen Auftrieb gegeben. Allein in Berlin versammelten sich am Samstag rund 500 000 Menschen. Es war eine der größten Friedenskundgebungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Demonstranten warben für eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts und lehnten ein militärisches Eingreifen der USA und anderer Staaten ab. Etwa 50 000 Kriegsgegner zählte die Polizei in Stuttgart, viele tausend gingen in anderen deutschen Städten auf die Straße.
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte am Sonntag der dpa, die Kundgebungen in Berlin und anderen Städten zeigten, dass sich die Bundesregierung in der Irak-Politik «in Einklang mit den Vorstellungen der Menschen in Deutschland und in Europa befindet». Eine polis-Umfrage im Auftrag der dpa ergab, dass sich die persönliche Einstellung der meisten Deutschen (65 Prozent) zu den Amerikanern durch die harte Haltung der USA im Irak-Konflikt verschlechtert hat.
In den Berliner Protestzug hatten sich auch prominente Politiker wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), die SPD-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sowie die Grünen-Kabinettsmitglieder Jürgen Trittin und Renate Künast eingereiht. Der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer forderte zum Widerstand gegen einen Krieg auf.
Vor dem EU-Sondergipfel an diesem Montag in Brüssel blieb die CDU/CSU bei ihrem Vorwurf, die Bundesregierung verhalte sich mit ihrer strikten Ablehnung einer Militärintervention anti-amerikanisch und sei in der NATO und der EU isoliert. CSU-Chef Edmund Stoiber mahnte eine gemeinsame europäische Position an. Die Chancen, einen Krieg noch zu verhindern, wurden über die Parteigrenzen hinweg unterschiedlich beurteilt.
Stoiber schlug als mögliche Kompromisslinie für den EU-Gipfel eine «begrenzte Fristverlängerung» für die UN-Waffeninspekteure vor. Dabei sollten sich die EU-Staaten darauf verständigen, dass zur Entwaffnung des Regimes «als letztes Mittel auch der Einsatz militärischer Mittel nicht ausgeschlossen ist». Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte am Samstag in München nochmals eine unbefristete Fortsetzung und Ausweitung der Inspektionen verlangt. SPD-Generalsekretär Scholz meinte: «Nicht die Regierung Schröder ist außenpolitisch isoliert. Wer sich isoliert hat, dass ist die Union, Frau Merkel und ihr Anhang.» CDU-Chefin Angela Merkel hatte in dem am Freitag vorgelegten Waffenkontrollbericht eine Bestätigung dafür gesehen, dass der Irak nicht ausreichend kooperiert. «Der Druck auf den Irak muss weiter erhöht werden. Die Zeit läuft ab», erklärte Merkel.
Die UN-Chefwaffeninspekteure Hans Blix und Mohammed el Baradei warfen dem Irak in ihren Bericht erneut mangelnde Kooperation vor. Jedoch stellten sie keinen massiven Verstoß gegen die UN- Abrüstungsauflagen fest.