Russland hat nach Angaben des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko mit der Stationierung taktischer Atomwaffen in dem Nachbarland begonnen. Dies bestätigte Lukaschenko am Donnerstag in Moskau nach einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin. Auch Zahl der Waffen und Orte der Lagerung seien festgelegt worden. Details nannte Lukaschenko nicht. "Ich werde nicht über die Zahl und über die Stationierung reden", sagte er.
Putin habe konkrete Entscheidungen getroffen und ein entsprechendes Dekret unterzeichnet, fügte der belarussische Machthaber hinzu. Damit seien mündliche Absprachen besiegelt worden. Die Waffen sollen nach früheren Angaben an der Grenze zu Polen stationiert werden. Russland führt seit mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hat mehrfach mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.
Kontrolle über Atomwaffen soll bei Russland liegen
Zuvor hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Minsk bei einer Vertragsunterzeichnung erklärt, dass Kontrolle und Entscheidung über den Einsatz der Atomwaffen ausschließlich auf Moskauer Seite lägen. Für Belarus unterschrieb Verteidigungsminister Viktor Chrenin. Als Grund der Stationierung nannte er: "Heute übt der "kollektive" Westen beispiellosen Druck in allen Bereichen der nationalen Sicherheit sowohl auf Belarus als auch auf Russland aus." Putin hatte die Stationierung auch damit begründet, dass die USA seit Jahren Atomwaffen in Europa haben, auch in Deutschland.
Kreml-Chef Wladimir Putin hatte die Stationierung taktischer Atomwaffen im Nachbarland Ende März angekündigt. Damals sagte er in einem Fernsehinterview, er habe mit Lukaschenko vereinbart, dass Russland und Belarus nun "dasselbe tun" wie die USA auf dem Gebiet ihrer Verbündeten. Im April hatten bereits belarussische Soldaten mit der Ausbildung an nuklearwaffenfähigen Raketensystemen begonnen. Putin zufolge wurden inzwischen zudem zehn mit Nuklearwaffen ausrüstbare Flugzeuge an Belarus geliefert, ein spezielles Waffenlager solle zudem bis Anfang Juli fertiggestellt werden.
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Westliche Staaten hatten die Ankündigung verurteilt – auch, weil Putin selbst seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine mehrfach über die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes gesprochen hatte. Experten und westliche Regierungsvertreter gehen jedoch nach eigenen Aussagen nicht davon aus, dass die Verlegung taktischer Nuklearwaffen nach Belarus den Verlauf des Ukraine-Konflikts verändert.Taktische Nuklearwaffen können im Falle eines Einsatzes verheerende Schäden verursachen, haben jedoch eine geringere Reichweite als sogenannte strategische Langstreckenwaffen.
Das seit 1994 von Lukaschenko regierte Belarus grenzt nicht nur an Russland und die Ukraine, sondern auch an die EU-Mitgliedstaaten Polen und Litauen. Lukaschenko hatte der russischen Armee erlaubt, von belarussischem Gebiet aus die Offensive gegen die Ukraine zu starten.
Die belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, die Stationierung der Atomwaffen werde "nicht nur das Leben der Belarussen gefährden, sondern auch eine neue Gefahr für die Ukraine und ganz Europa schaffen". Die Bürger von Belarus würden dadurch zu "Geiseln der imperialen Pläne Russlands". Die die meisten der verlegten taktischen Nuklearwaffen hätten eine Sprengkraft wie die Atombombe, die "in Hiroshima 140.000 Menschen tötete".
Belarus hatte seine Atomwaffen einst freiwillig abgegeben
Belarus erhält nach der freiwilligen Abgabe seiner Atomwaffen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nun erstmals seit den 1990ern Jahren wieder nukleare Raketen. Dazu ließ Lukaschenko die Verfassung ändern, so dass kein atomwaffenfreier Status mehr festgeschrieben ist. Belarussische Soldaten wurden in Russland bereits im Umgang mit Iskander-Raketen geschult, die Atomsprengköpfe tragen können. Auch mehrere belarussische Kampfflugzeuge wurden auf die neuen Waffen umgerüstet.
Lukaschenko hielt sich seit Mittwoch in Moskau auf. Nachdem es Spekulationen über seine Gesundheit gegeben hatte, zeigte er sich zufrieden lächelnd im Staatsfernsehen. Am Dienstag hatte er erklärt, an einem Virus gelitten zu haben. Er habe wegen vieler Termine keine Zeit gehabt, sich zu kurieren. "Aber ich habe nicht vor zu sterben, Leute. Ihr werdet mit mir noch lange zu tun haben", sagte der 68-Jährige. Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas gilt, ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht.