Großbritannien "Leicht kakophon": Favorit Boris Johnson zeigt TV-Debatte um May-Nachfolge kalte Schulter

Boris Johnson bleibt TV-Debatte um Tory-Führerschaft fern
Boris Johnson gilt als Favorit für die Nachfolge von Theresa May. Doch an der TV-Debatte der Tory-Kandidaten nahm er nicht teil.
© Jonathan Brady / PA Wire / DPA
Mit dem Hinweis, eine TV-Debatte zwischen Bewerbern um die Nachfolge von Premierministerin May werde wohl "kakophon" ausfallen, blieb Boris Johnson dem Termin fern. Schaden wird ihm das wohl kaum.

Ohne den aussichtsreichen Kandidaten Boris Johnson sind die Bewerber um die Parteiführung der britischen Tories in einer ersten TV-Debatte gegeneinander angetreten. Der hatte gekniffen, so dass an der 90-minütigen Diskussionsrunde im Sender Channel 4 am Sonntagabend nur fünf der sechs Kandidaten auf die Nachfolge von Premierministerin Theresa May zu sehen waren. Die Kandidaten - ausnahmslos Männer - stellten sich dem Wahlvolk, obwohl sie in der aktuellen Lage nur von den Mitgliedern der Regierungspartei gewählt werden. Der Brexit, der schon seit Monaten die Politik in Großbritannien bestimmt, war auch das zentrale Thema des Abends. Keiner der Kandidaten stellt den Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU in Frage.

Ex-Außenminister Johnson ist ein kompromissloser Verfechter des Brexit. Mit einer eigenen Kampagne hat er das Ergebnis des Referendums maßgeblich beeinflusst. In der ersten Tory-internen Wahlrunde zur Nachfolge Mays in der vergangenen Woche war er nun mit großem Abstand auf Platz eins gelandet. Der frühere Bürgermeister von London hat angekündigt, erst an einer TV-Debatte nach der zweiten Wahlrunde am kommenden Dienstag teilnehmen zu wollen. Dann wird die Zahl der Bewerber voraussichtlich bereits kleiner sein.

Boris Johnson: Furcht vor fünf Tories?

Johnson ist von seinen Konkurrenten schon mehrfach vorgeworfen worden, nur wenige Interviews zu geben. Auch jetzt stellte Mit-Bewerber Jeremy Hunter, der amtierende Außenminister, die Frage, wie sich denn einer gegen 27 EU-Länder durchsetzen wolle, der sich schon vor fünf Parteifreunden "fürchte". Johnson verteidigte sein Fernbleiben damit, dass die Debatte ohnehin nur "leicht kakophon" sein werde. Dass sein Pult während der Channel-4-Debatte leer blieb, dürfte Johnson kaum schaden. Einen guten Eindruck hinterlassen die Tories schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr - und für viele Beobachter sah es am Sonntagabend kaum besser aus. So urteilte die frühere Tory-Abgeordnete Anna Soubry, die aus Protest gegen den Brexit-Kurs die Partei verlassen hatte, beißend: "Der Verlierer des heutigen Abends waren - die Konservativen."

Premierministerin May war als Tory-Chefin zurückgetreten, nachdem sie in ihrer Partei seit Monaten keinen ausreichenden Rückhalt für ihren Brexit-Kurs erhalten hatte. Nach den britischen Gepflogenheiten wird der Vorsitzende der Regierungspartei automatisch auch Premierminister. Neben Johnson bewerben sich Außenminister Hunt, Umweltminister Michael Gove, der ehemalige Brexit-Minister Dominic Raab, Innenminister Sajid Javid und der Minister für internationale Entwicklung, Rory Stewart, um Mays Nachfolge.

dho