Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, kämpft in diesen Wochen um Unterstützung für sein Land – immer wieder auch mit Äußerungen, die nicht bei allen auf Verständnis stoßen. Mit Aussagen in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat der Diplomat erneut für Irritationen gesorgt.
Melnyk äußerte sich darin unter anderem erneut zu einem Benefizkonzert, zu dem ihn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen hatte. Der Botschafter hatte abgelehnt, weil dort auch russische Musiker auftreten sollten. "Ich sage es ganz klar: Russland ist ein Feindstaat für uns. Und alle Russen sind Feinde für die Ukraine, im Moment", begründete Melnyik seine Entscheidung in der "FAZ" angesichts des russischen Angriffskrieges.
Andrij Melnyk: "Es ist nicht Putin, der Menschen in Butscha ermordet hat"
Das könne sich zwar ändern, so der 46-Jährige, der gebürtig aus Lwiw stammt: "Aber im Moment ist es so, dass wir keine Zeit haben zu fragen: 'Bist du gegen Putin oder für ihn – oder hast du vielleicht nur teilweise Verständnis?'" Angesichts des Krieges in der Ukraine könne es nicht darum gehen, "zwischen bösen Russen und guten Russen zu unterscheiden". Denn: "Es ist nicht Putin, der Menschen in Butscha ermordet hat. Das waren konkrete Menschen aus verschiedenen Regionen Russlands. Sie haben ihre Verwandten, sie telefonieren nach Hause, sie plündern Häuser", sagte Melnyk.

Daran, dass sich das Verhältnis zwischen beiden Staaten in Zukunft verbessern wird, glaubt Melnyk offenbar nicht – selbst dann nicht, wenn Wladimir Putin abgesetzt würde. Er mache sich über die russische Opposition "keine Illusionen", so der Botschafter in dem Interview: "Denn auch von einem Herrn Nawalnyj, der jetzt leider im Gefängnis sitzen muss, können wir nichts Gutes erwarten. Egal ob an der Machtspitze oder in der Opposition: Die Ukraine war, ist und wird wahrscheinlich für lange Zeit ein Feind der russischen Gesellschaft bleiben."
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Botschafter übt Kritik an Bundespräsident
Melnyk hatte zuvor in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" auch scharfe Kritik an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geübt. "Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht, auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle", sagte er. Die Einladung zu dem Benefizkonzert sei "ein klares Signal Richtung Moskau" gewesen, "vielleicht sogar, um Putin zu zeigen: Ich halte hier die Stellung". Melnyk warf Steinmeier vor, für den Bundespräsidenten sei Feingefühl "ein Fremdwort, zumindest in Bezug auf die Ukraine".
Quelle: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" / "Tagesspiegel"

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