Großbritanniens Außenminister Boris Johnson sorgt mit Äußerungen zum Brexit für Unverständnis bei EU-Politikern: "Er sagte im Grunde: 'Ich möchte keine Personenfreizügigkeit, aber ich möchte Zugang zum Binnenmarkt'", berichtete der italienische Industrieminister Carlo Calenda dem "Guardian" von einem kürzlichen Treffen mit Johnson. "Ich sagte: 'Auf keinen Fall'. Er antwortete: 'Du wirst weniger Prosecco verkaufen'. Ich sagte: 'Okay, du wirst weniger Fish und Chips verkaufen, aber ich werde weniger Prosecco in ein Land verkaufen und du wirst weniger in 27 Länder verkaufen'. Die Dinge auf dieses Niveau zu bringen, ist ein bisschen beleidigend."
"Intellektuell unmöglich"
Auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem schoss scharf gegen Johnson: Die Forderung des britischen Außenministers nach einem vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt nach dem Brexit sei "intellektuell unmöglich" und "politisch unerreichbar", stellte Dijsselbloem in der BBC klar. Dem US-Sender CNBC sagte er am Rande einer Konferenz in London, Johnson verhalte sich nicht "realistisch und fair den britischen Wählern" gegenüber.
Johnson hatte in der tschechischen Zeitung "Hospodarske Noviny" behauptet, Großbritannien werde wohl die EU-Zollunion verlassen müssen, aber weiterhin Freihandel mit den Staaten der Europäischen Union betreiben können. Er hielt außerdem daran fest, die europäische Einwanderung begrenzen zu wollen. Es sei ein "absoluter Mythos" zu sagen, dass die Freizügigkeit eine der Säulen der EU sei.
London angeblich noch immer ohne Brexit-Strategie
Johnson mache den Briten damit Angebote, die gar nicht zur Debatte stünden, kritisierte Dijsselbloem. Zugleich äußerte der Eurogruppenchef die Einschätzung, dass der Austrittsprozess länger als die vorgesehenen zwei Jahre dauern werde, nachdem das Austrittsgesuch offiziell eingereicht wurde. Nach Angaben seines Sprechers erklärte er bei der Konferenz, die Verhandlungen seien "komplex" und würden dauern. CNBC sagte er zudem, die britische Regierung habe keinen Plan und keine fertig ausgearbeiteten Vorschläge für den EU-Ausstieg.
Am Dienstag war ein Bericht eines Beraters der britischen Regierung bekannt geworden, wonach es fünf Monate nach dem Brexit-Referendum noch immer keine umfassende Strategie für den EU-Austritt gibt. Die Regierung wies diese Darstellung am Mittwoch erneut zurück. "Ja, wir haben einen Plan", sagte Premierministerin Theresa May im Parlament. Zu Details äußerte sie sich aber nicht.