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Brexit-Streit eskaliert Großbritannien bestellt französische Botschafterin ein

Ein Fischerboot liegt im Hafen von Kilkeel.
Die Fronten im Fischerei-Streit sind verhärtet. Und eine Besserung ist vorerst auch nicht in Sicht, das betonten beide Seiten.
© David Keyton / DPA
Im Streit um die Fischereirechte im Ärmelkanal ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Nach martialischen Tönen von französischer Seite bestellte Großbritannien die Botschafterin ein.

Im Brexit-Streit zwischen London und Paris um Fischereirechte im Ärmelkanal hat die britische Regierung die französische Botschafterin ins Außenministerium einbestellt. Sie solle am Freitag die "enttäuschenden und unverhältnismäßigen Drohungen gegen Großbritannien und die Kanalinseln" erklären, teilte die britische Außenministerin Liz Truss am Donnerstagabend mit. Zuvor hatte Frankreich ein britisches Fischerboot wegen angeblich fehlender Lizenzen festgesetzt. 

Derweil verschärft sich in dem Konflikt der Ton: "Es ist kein Krieg, aber ein Gefecht", sagte die französische Ministerin für Meeresangelegenheiten, Annick Girardin, am Donnerstag dem Radiosender "RTL". "Wir haben Fangrechte. Die müssen wir verteidigen und wir verteidigen sie." 

Europa-Staatssekretär Clément Beaune wiederholte im Sender "CNews" die Drohung, britische Boote künftig scharfen Zoll- und Sicherheitskontrollen zu unterziehen. "Wir werden keine Toleranz zeigen, keine Nachsicht." Damit will Paris London dazu bringen, mehr französische Boote in britischen Gewässern fischen zu lassen. 

Frankreich droht – Großbritannien ist empört

Immer wieder droht Frankreich zudem, Stromlieferungen nach Großbritannien zu stoppen. Die britische Regierung zeigte sich empört und erwägt nun Gegenmaßnahmen. Das französische Vorhaben stehe sehr wahrscheinlich nicht in Einklang mit internationalem Recht sowie dem Brexit-Vertrag, betonte Brexit-Minister David Frost.

Ein britischer Regierungssprecher erklärte dazu: "Wir sind bereit, angemessen zu reagieren." London habe der EU und Frankreich seine Bedenken übermittelt. "Die gestern Abend geäußerten Drohungen sind enttäuschend, unverhältnismäßig und grundsätzlich nicht das, was wir von einem engen Alliierten und Partner erwarten", sagte der Sprecher.

Weil es angeblich nicht die erforderlichen Lizenzen für die Fischerei in französischen Gewässern hatte, war am Mittwoch ein britisches Boot von der französischen Küstenwache nach Le Havre geleitet worden, wie Girardin twitterte. Im Raum stehen eine Geldstrafe und die Beschlagnahme des Fangs. Die "BBC" kommentierte: "Das nennt man einen Schuss vor den Bug." Gibt es nun keine grundsätzliche Einigung, sollen britische Boote ab Montag bestimmte französische Häfen nicht mehr ansteuern dürfen. Auch Lastwagen sollen genau geprüft werden.

Streit spielt mit uralten Ressentiments

Der Fischereistreit zwischen beiden Ländern schwelt seit langem. Hintergrund ist die Frage, wie viel ausländische Fischer nach dem Brexit in britischen Gewässern fangen dürfen. Bereits in den Verhandlungen über den Handelspakt der Briten mit der EU war dies die am heftigsten umstrittene Frage, die eine Einigung zeitweise fast unmöglich zu machen schien. Auf EU-Seite waren es vor allem die Franzosen, die sich unnachgiebig zeigten, das Thema wird seit jeher äußerst emotional behandelt und spielt mit uralten Ressentiments gegen das jeweils andere Land.

Paris vertritt den Standpunkt, dass vor allem für die fischreichen Gewässer um die Kanalinsel Jersey, die zwar zur britischen Krone, aber nicht zum Vereinigten Königreich gehört, zu wenig Lizenzen für französische Boote erteilt wurden. Anfang Mai blockierten Dutzende französische Fischer aus Protest den Jersey-Hafen Saint Helier, sowohl London als auch Paris schickten je zwei Kriegsschiffe vor die Insel. Die britische Regierung betont, 98 Prozent aller Anträge von EU-Fischern sei stattgegeben worden. Hingegen schimpfte Ministerin Girardin, es seien nur 90 Prozent - und bei den fehlenden zehn Prozent handle es sich "offensichtlich" um Franzosen. 

In Großbritannien sind die Töne weniger martialisch, doch nachgeben will niemand. Rund ein halbes Jahr vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich politisiere die französische Regierung das Thema, sagte der Chef des britischen Verbunds der Fischereiorganisationen, Barrie Deas, dem Sender "BBC Radio 4". "Es ist ein bisschen seltsam, weil die französischen Flotten in britischen Gewässern viel mehr fischen als wir in ihren Gewässern", sagte Deas. Der Schiffseigentümer sieht sich als Opfer eines größeren Konflikts. Die "Cornelis Gert Jan" sei legal auf der Suche nach Jakobsmuscheln gewesen. Das Schiff sei nun ein "Pfand", sagte der Chef von MacDuff Shellfish, Andrew Brown.

pgo DPA

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