Seit Tagen dominiert eine Frage die britische Presse: Sollte der Verteidigungsminister Des Browne zurücktreten, der den 15 Marineangehörigen erlaubte, die Geschichte ihrer Gefangenschaft im Iran an die Medien zu verkaufen? Und wie konnte überhaupt die Regierung eine solch unmoralische Entscheidung treffen? Einen vorläufigen Höhepunkt fand die Aufregung gestern mit der Titelseite der "Daily Mail": Sie zeigte die Särge der vier Soldaten, die am Tag der Freilassung der Gefangenen in Teheran im irakischen Basra getötet worden. Daneben stand die Schlagzeile: "Sie werden ihre Geschichten nicht mehr verkaufen, Herr Minister."
Die öffentliche Meinung scheint klar positioniert: Die Regierung Blair hat das Bild Großbritanniens in der Welt beschädigt, der ganze Vorgang ist unglaublich. Doch es gibt noch eine andere Seite dieser Medien-Posse. Wie die Kommentatorin Polly Toynbee heute im "Guardian" ausführt, brüllen gerade die Zeitungen am lautesten, die diese Situation mit herbeigeführt haben. Denn es waren durchaus nicht nur die Boulevard-Zeitung "Sun" und der Fernsehsender ITV, die Geld für die Exklusivrechte der Gefangenen-Saga von Faye Turney geboten haben.
Ministerium wurde zum Händler
Tatsächlich wurde vor allem die einzige Frau im Team der Marineangehörigen von Angeboten schier überfallen: "Mail on Sunday" und "Sunday Mirror" boten 100.000 Pfund, die "Daily Mail" sprach in einer E-Mail von "einer ordentlichen Summe". Und die "News of the World" bot gleich an, alle zu überbieten. Dazu kamen die Reporter, die Tag und Nacht vor den Türen der Angehörigen campierten. Sie ließen riesige Blumensträuße anliefern - mit Briefen, die große Summen versprachen, wenn das erste Interview an den Adressaten gehen würde. Das Verteidigungsministerium hatte sich angesichts dieser Umstände schließlich angeboten, als Vermittler zu dienen. Eine offensichtlich falsche Entscheidung - damit wurde das Ministerium zum Händler im Basar der Exklusivrechte.
Als schließlich entschieden war, dass die "Sun" das Rennen gewonnen hatte, drehte sich die Situation: Die Konkurrenten waren sehr schlechte Verlierer. "Wir verkaufen unsere Ehre", posaunte die "Daily Mail". Der "Daily Express" schrieb: "Wie schrecklich muss dies für alle verletzten Helden unserer Streitkräfte sein, die behindert zurückkamen. Niemand bietet ihnen sechsstellige Summen an." Die Kommentatorin Polly Toynbee fragt angesichts solcher Schlagzeilen: "Und warum nicht? Weil die 'Mail', der 'Express' und der ganze Rest diesen Menschen keine sechsstellige Summen anbieten. Und warum nicht? Weil Tod und Behinderung langweilig ist."
Verteidigungsministerium soll Soldaten gewarnt haben
Ebenfalls interessant ist, dass das Verteidigungsministerium die Soldaten gewarnt haben soll: Wenn sie das Angebot einer Zeitung annehmen, würde das die Wut der anderen Medien auf sie ziehen. 13 der 15 Ex-Gefangenen nahmen diesen Rat an und verkauften ihre Geschichte nicht. Faye Turney und Arthur Batchelor entschieden sich anders. Sie werden es inzwischen bereuen.