Sie sollen eine Art "Polizeiwache" Chinas betrieben haben – mitten in Manhattan. Die US-amerikanische Bundespolizei FBI hat in New York nach monatelangen Ermittlungen zwei Männer festgenommen. Den 59- und 61-Jährigen wird vorgeworfen, verschwörerisch als Agenten für die chinesische Regierung tätig gewesen zu sein und Beweismaterial vernichtet zu haben. Das Büro der chinesischen Regierung in einem Geschäftsgebäude in Lower Manhattans Chinatown war bereits im Herbst vergangenen Jahres aufgeflogen und geschlossen worden.
Der Vorgang an sich ist kein Einzelfall: Schon seit längerem ist bekannt, dass der chinesische Machtapparat Außenposten im Ausland betreibt, die vordergründig chinesische Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel dabei unterstützen sollen, ihre Führerscheine zu verlängern. Hinter der seriösen Fassade, so der Verdacht, sollen diese Vertretungen Pekings jedoch auch eine finstere Funktion erfüllen, etwa prodemokratische Aktivistinnen und Aktivisten aufspüren, überwachen oder unterdrücken. Nun wurden mit den beiden Männern erstmals in den Vereinigten Staaten mutmaßliche Mitarbeiter dieser exterritorialen chinesischen "Polizeistationen" festgenommen. Bei ihnen handelt es sich laut Nachrichtenagentur Associated Press (AP) um Lu J. und Chen J., zwei US-Bürger.
Chinesische "Polizeistation" sorgt in den USA für Beunruhigung
Der Fall schlägt hohe Wellen. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Matthew Olsen aus dem Justizministerium sagte: "Die Volksrepublik China hat durch ihren repressiven Sicherheitsapparat eine geheime physische Präsenz in New York City eingerichtet, um Dissidenten und regierungskritische Personen zu überwachen und einzuschüchtern." Michael Driscoll, Leiter der New Yorker FBI-Außenstelle, bezeichnete die Existenz der chinesischen "Polizeistationen" als "eklatante Verletzung unserer nationalen Souveränität". Der zuständige Bundesstaatsanwalt Breon Peace ergänzte: "Wir brauchen und wollen keine Geheimpolizeistation in unserer großartigen Stadt."
David Newman, hochrangiger Beamter im Justizministerium, kündigte an, weiter gegen illegale Einrichtungen anderer Staaten in den USA vorzugehen: "Da autoritäre Regierungen – ob die Volksrepublik China, Russland, der Iran oder andere – in ihren Bemühungen, die Rechte und Freiheiten, die das Fundament unserer Demokratie bilden, mit Füßen zu treten, immer dreister werden, wird das Justizministerium seine Bemühungen zur Verteidigung unserer Demokratie, unserer demokratischer Institutionen und unserer Souveränität verdoppeln."
Illegale "Polizeiposten" der chinesischen Regierung sind nicht nur aus den Vereinigten Staaten bekannt. Die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders berichtete im vergangenen Jahr von mehr als 100 solcher Einrichtungen in mehr als 50 Ländern weltweit – durch sie sollen demnach Regimegegner im Ausland zum Schweigen gebracht werden. In mehreren Ländern laufen Ermittlungen. Auch Standorte in Deutschland nennt die Organisation.
Aktivitäten Pekings auch in Deutschland registriert
Auch deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass das chinesische Regime auch in Deutschland aktiv ist (der stern berichtete). Die "Polizeieinrichtungen" dienten vor allem der Ausforschung und Beeinflussung der chinesischen Diaspora, wie es in einer Antwort der Regierung auf eine Abgeordnetenanfrage heißt. "Die Bundesregierung geht derzeit davon aus, dass diese eher personengebunden und mobil organisiert sind, es wurden keine festen Büros eingerichtet." Polizeiliche Aktivitäten dieser Vertreterinnen und Vertreter Pekings hierzulande wolle die Bundesregierung nicht dulden. "Chinesische Stellen verfügen über keinerlei Exekutivbefugnisse auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland", zitierte die ARD im November eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es demnach, man habe der chinesischen Regierung deutlich gemacht, dass man die "Ausübung fremder Staatsgewalt" auf dem Gebiet der Bundesrepublik nicht akzeptiere.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schrieb in seinem jüngsten Bericht allgemein: "Sieht die Staats- und Parteiführung wesentliche Interessen verletzt, ist sie bereit, in eigener Sache die öffentliche Meinung illegitim zu beeinflussen oder auch Druck auszuüben, um ihre Interessen durchzusetzen. Auch auf chinesische Staatsangehörige, und chinesisch-stämmige Deutsche wird Druck ausgeübt, sich parteikonform zu verhalten."
Russland und China – Stationen einer unheimlichen Freundschaft
Peking bestätigte zwar die Existenz von "Übersee-Polizeidienststellen", dementierte aber, dass sie für illegale Zwecke genutzt würden. Die "Service-Stationen" dienen nach Angaben des Außenamtes der Unterstützung von Landsleuten zum Beispiel bei Behördengängen. Wer für diese Stationen tätig sei, sei "engagierter Auslandschinese, keine chinesischer Polizeibeamter".
Im Fall des chinesischen "Polizeibüros" in Manhattan sollten die beiden Festgenommenen in Kürze einem Richter vorgeführt werden. Ein möglicher Prozess könnte klären, was genau hinter der Einrichtung steckt. Auf Anfrage der AP reagierten die Beschuldigten nicht.
Quellen: Associated Press, Safeguard Defenders, Deutscher Bundestag, ARD-"Tagesschau", Verfassungsschutzbericht, Nachrichtenagentur DPA