David Frum "Wir steuern auf ein bitteres Ende zu"

Im stern.de-Interview spricht der Buchautor und frühere Redenberater von US-Präsident George Bush, David Frum, über die von ihm erfundene Bezeichnung "Achse des Bösen" und das brüchige Verhältnis zu Europa.

Mister Frum, Ende der Woche empfängt Präsident George Bush Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit dem ihn eine herzliche Antipathie verbindet. Warum tut er sich das an?

Die Basis der Beziehungen sollte repariert werden, denn amerikanische Präsidenten und deutsche Kanzler kommen und gehen. Das ändert aber nichts daran, dass das, was Schröder damals im Wahlkampf gemacht hat, abscheulich war. Er hat die Situation schamlos ausgenutzt und das Thema Irakkrieg immer wieder hochgespielt. So ein Verhalten wäre früher undenkbar gewesen. In den USA könnte niemand ein politisches Amt gewinnen, in dem er eine Kampagne gegen Europäer führt. Dafür müssten die Leute hier ja erst mal deren Namen kennen (lacht).

Richard Perle und Sie gehen in Ihrem neuen Buch "An End to Evil" sehr barsch gegen alle Bush-Kritiker vor. Warum diese Schärfe?

Mich amüsiert allein der Gedanke, dass der Kritiker der "New York Times" bei der Lektüre gewürgt haben muss, als hätte er eine Brezel verschluckt. Aber ernsthaft: Die US-Regierung hat sehr, sehr viele Angestellte, deren einziger Job es ist, die US-Position, sagen wir, delikat zu verkaufen. Aber irgendwer muss doch sagen, was wirklich Sache ist. Wenn nicht wir, wer dann?

Zur Person

David Frum, 42-jähriger Kanadier, war Redenschreiber für George W. Bush und hat mit Titeln wie "What's Right" und "The Right Man" vielbeachtete Studien über den Siegeszug der Republikaner und seinen Ex-Arbeitgeber vorgelegt. Frum war als Urheber der Formulierung "Achse des Bösen" für Iran, Irak und Nordkorea bekannt geworden, nachdem seine Frau in einer E-Mail an Freunde ihren Stolz über die Schöpfung ausgedrückt hatte.
Richard Perle ist der Schwiegersohn des Ur-"Neokonservativen" Albert Wohlstetter und gilt gerade in Europa als strippenziehender "Prinz der Finsternis", als Spinne im Netz einer Verschwörung, die nach der Weltmacht greift.

Was wirklich Sache ist, heißt aus Ihrer Sicht: gut und böse. Und Europa ist gerade auf dem Weg in die böse Ecke?

Ach, das Verhältnis zwischen Europa und den Vereinigten Staaten ist doch schon still und leise kollabiert - und zwar bereits in den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges. Man muss sich das vorstellen wie in einer Ehe: Die Eheleute haben aufgehört, sich lauthals zu streiten, sie fahren getrennt in den Urlaub, und jeder betreibt für sich finanzielle Vorsorge. Diese Ehe stirbt langsam. Wir steuern auf ein bitteres Ende der transatlantischen Beziehungen zu. Immerhin sind die Brüche jetzt sichtbar und öffentlich.

Was stört Sie so sehr an einem Vereinten Europa, kann Amerika niemanden neben sich dulden?

Nein, das ist es nicht. Mich stört, dass die französische Vision von Europa eine offene Rivalität mit den USA beinhaltet. Die Vision ist zutiefst protektionistisch und wird zwangsläufig Auseinandersetzungen mit der unterentwickelten Welt heraufbeschwören. Es ist doch kein Zufall, dass die Länder, die sich diesem Modell widersetzen, eben auch jene waren, die uns im Irak unterstützt haben - Spanien, Großbritannien, Polen, Dänemark. Diese Nationen wollen keine Rivalität, sondern nach wie vor eine transatlantische Partnerschaft.

Wie kommen Sie darauf, dass Deutsche und Franzosen die transatlantische Partnerschaft aufkündigen wollen?

Es sind weniger die Deutschen. Ihr müsst am Ende sowieso die Rechnung bezahlen. Die Franzosen wollen nur profitieren und nichts zahlen. Sie möchten ein Europa, dass wie ein Staat funktioniert und zugleich ein Gegengewicht zu den USA darstellt. Nein, mehr als ein Gegengewicht. Ein Konkurrent, ein Rivale.

Also noch mal: Was ist so schlimm an einem Gegengewicht?

Es wäre anti-amerikanisch und auf Gegnerschaft ausgerichtet. Und das schadet allen. Vor allem die Franzosen nutzen jede Gelegenheit, das zu demonstrieren. Das ging doch sogar soweit, dass der französische Außenminister Dominique de Villepin auf die Frage, wen er sich als Sieger im Irakkrieg wünschen würde, keinen Kommentar abgab. Das ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass wir Amerikaner uns vertraglich gebunden haben, sogar einen Nuklearkrieg auf uns zu nehmen für den Fall, dass Frankreich angegriffen wird. 50 Jahre lang haben wir uns verpflichtet, Euch zu helfen und dafür sogar nuklearen Suizid zu begehen. Jetzt braucht Ihr keinen Schutz mehr. Und in dem Augenblick, wo wir angegriffen werden, fragen wir "Was seid Ihr bereit, für uns zu tun?" Ich kann nur sagen: Aus unserer Perspektive fällt die Antwort ziemlich dünn aus.

Sie unterschlagen, dass deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert sind, und Kanzler Schröder sogar sein politisches Schicksal an deren Entsendung gekoppelt hat.

Danke, das ist ein Anfang. Aber ich war selbst dort im Oktober und November 2001. Ich weiß sehr genau, wie viel Hilfe uns wirklich angeboten wurde. Nicht viel. Ein bisschen Friedenstruppen, ein bisschen humanitäre Hilfe. Ich habe die europäische Presse studiert. Wir hatten nach dem 11. September genau drei gute Tage.

Sollten Sie sich nicht fragen, warum das so ist?

Nein, das müssen sich die Europäer fragen. Ihr wart gut darin, am Grab der toten Amerikaner zu weinen. Aber als es darum ging, dass wir Amerikaner uns nach wie vor von islamischen Fanatikern bedroht fühlen, war bereits im Dezember 2001 der Ofen aus. Und dann tauchten diese unsäglichen Bücher in den Bestsellerlisten in Frankreich und Deutschland auf, diese Verschwörungstheorien um den 11. September. Das sagt ganz viel. Nicht zu vergessen, all das war noch vor dem Krieg. Der Irak hat diese Zerwürfnisse nicht ausgelöst, die lagen tiefer und gehen schon länger zurück. Aber die Irak-Frage hat uns viel erzählt über Europa.

Das sagen die Europäer umgekehrt auch über Amerika...

Einverstanden. Aber mal gesetzt den Fall, dass wir uns geirrt haben im Irak, dass wir falsch lagen, dass es ein Fehler war - das Verhalten der Franzosen und Deutschen bleibt unhaltbar. Und Gerhard Schröder vorneweg hat da eine Grenze überschritten.

Buch-Tipp

David Frum, Richard Perle: "An End to Evil. How to Win the War on Terror", Random House, New York, 2003 (ISBN 1-4000-6194-6).

Warum? Schröder hat nur das ausgedrückt, was die Mehrheit der Europäer, ja sogar die Mehrheit der Menschen auf der ganzen Welt dachte: dass eine Invasion des Irak der falsche Weg ist.

Man muss nicht ständig übereinstimmen. Aber es ist eine Frage, wie man Unstimmigkeiten löst und anspricht. Es hätte doch schon gereicht, wenn Frankreich und Deutschland gesagt hätten: "Wir denken, dass Ihr einen großen Fehler begeht. Wir wünschen Euch trotzdem alles Gute, und selbstverständlich bleiben wir gute Alliierte." Nicht mal das habe ich von Schröder gehört. Könnt Ihr nicht anerkennen, dass die Sicherheit in Amerika in diesen Zeiten stärker bedroht ist als die in Europa? Dass diese Frage von lebenswichtigem Interesse für uns ist? Die amerikanische Position verdient wenigstens Respekt.

Verspielt Amerika nicht gerade diesen Respekt und vor allem seine Glaubwürdigkeit? Im Irak gab es keine Massenvernichtungswaffen und damit auch keine unmittelbare Bedrohung der USA.

Falsch. Eine der Lehren nach dem 11. September ist: Nicht abwarten, bis die Bedrohung wirklich unmittelbar wird. Selbst wenn der Irak im Frühjahr 2003 nichts besaß, heißt das doch noch lange nicht, dass er im Jahre 2005 oder 2008 auch nichts haben würde. Hätten wir uns nicht schon 1995 mit Nordkorea beschäftigen sollen? Heute sind wir schlauer. Die Dinge werden durch Zögern eher schlechter als besser. Warten ist gefährlich.

Sie sind der Erfinder des berühmten Begriffes "Achse des Bösen", den Präsident Bush in seiner Rede an die Nation zitierte. Und in Ihrem Buch schreiben Sie: "Wir stehen erst am Anfang dieses Krieges". Was hat die Welt als nächstes zu erwarten?

Wir suchen keine militärische Konfrontation. Wenn man das vermeiden kann, muss man es auch. Gewalt ist nicht die Antwort auf alle Herausforderungen. Ich glaube nicht, dass man gut daran tut, auf einzelne Staaten zu deuten und zu sagen "Dieser hier ist ein guter Freund und dieser hier nicht."

Aber genau das machen Sie doch unentwegt. Der Iran beispielsweise, schreiben Sie, sei der schlimmste Terroristen-Staat der Welt...

Ja, und dazu stehe ich auch. Der Iran führt die Liste unserer Bedenken an. Wir wollen dort einen Regimewechsel erreichen. Genau wie die Mehrheit der iranischen Bevölkerung. Aber das ist kein militärisches Problem. Wir sollten jene unterstützen, die diese Regierung genauso hassen wie wir. Eine militärische Lösung käme zuletzt in Frage.

Gilt das auch für Nordkorea?

Das Problem Nordkorea steht und fällt mit China. Die Chinesen sind dort der Störfaktor. Sie lassen es zu, dass Nordkorea uns erpresst. Wir müssen den Druck auf China erhöhen. Denn wenn der Norden erst nuklear aufrüstet, werden Südkorea, Taiwan und Japan nachziehen. Die Chinesen scheinen das nicht zu glauben. Das ist eine leichtsinnige und gefährliche Politik, und das müssen wir ihnen beibringen.

Gehen wir Ihre Liste der Schurkenstaaten, in denen Sie einen Regime-Wechsel anpeilen, doch mal durch: Syrien?

Ist das geringste Problem von allen. Syrien hat jahrelang vom irakischen Öl und Schmuggel gelebt. Das ist vorbei. Der wirtschaftliche Druck auf das Regime wird stärker. Sie sollten in Damaskus sehr genau darauf achten, was wir sagen.

Für Saudi-Arabien schlagen Sie sogar die Abspaltung des schiitischen Teils vor, um das Regime zu schwächen...

Ja. Denn, wenn der Irak sich erst mal stabilisiert, und dort die Schiiten wie Menschen behandelt werden, wird das auch auf Saudi-Arabien abfärben. Und wenn der Irak mit seinem Öl auf den Weltmarkt zurückkehrt, reduziert das zusätzlich die Macht der Saudis. Wenn Saudi-Arabien weitermacht, Terroristen zu unterstützen, die Amerikaner töten, sollten sich die Machthaber fragen, ob wir am Überleben einer solchen Regierung noch interessiert sind. Es gibt eine Hollywood-Komödie, da hält ein Sheriff eine Pistole an die eigene Schläfe und sagt: "Noch einen Schritt weiter und ich schieße." Das erinnert mich stark an die saudische Haltung.

Mister Frum, gibt es in Ihrer Wahrnehmung nur Freund oder Feind? Nur Schwarz oder Weiß und nicht den Hauch von Grau?

Es gibt zwei Denkschulen in Amerika. Die der Hardliner und die der Softliner. Man hört zum Beispiel "Dieses oder jenes Volk mag uns nicht". Der Softliner-Ansatz geht dann so: "Wie kann ich mich ändern, damit sich deren Meinung ändert." Und der Hardliner-Ansatz ist: "Wenn ich daran glaube, dass das, was ich mache, wichtig ist, kann ich mich nicht davon abbringen lassen, nur weil ein paar andere Leute das nicht mögen."

Und Sie halten nichts von Softies?

Nein. Ich bin ein Freund klarer Ziele.

Interview: Michael Streck und Jan Christoph Wiechmann

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